Vor 20 Jahren trat der erste frei gewählte Stadtrat in Eisenach zusammen

Im Saal der damaligen Medizinischen Fachschule in der Philipp-Kühner-Straße begann damit ein völlig neues Kapitel in der Stadtgeschichte. Die Zeit der Runden Tische nach der Öffnung der Mauer ging damit über in Demokratie, die durch freie Wahlen legitimiert wurde.

Am 8. Mai 1990 hatte es erstmals seit 1933 in Ostdeutschland wieder demokratische Wahlen gegeben. Sie brachten folgendes Ergebnis für den 59-köpfigen Eisenacher Stadtrat: CDU 33,3 Prozent (20 Sitze), SPD 25,4 (15), PDS 12,5 (7), BFD 7,7 (5), DA 7,3 (4), Grüne 6,1 (4), DSU 1,6 (1), Neues Forum 1,6 (1) Bündnis Hofferbertaue 1,4 (1), BDA 1,1 (1). Eine Fünfprozent-Hürde gab es 1990 noch nicht.

CDU, SPD, DA und BFD schlossen sich im Stadtrat zu einer Koalition zusammen.

In seiner ersten Sitzung am 31. Mai 1990 wählte der Stadtrat Karl-Heinz Löffler zu seinem Vorsitzenden und Dr. Hans-Peter Brodhun zum neuen Bürgermeister von Eisenach. Er löste Joachim Klapczynski ab und erhielt von ihm noch im Sitzungssaal die Amtskette überreicht.

Abgewählt wurde am 31. Mai auch der alte »Rat der Stadt”. Stattdessen bildete der Stadtrat per Beschluss sechs Dezernate, die hauptamtlich besetzt wurden: Neben Dr. Brodhun wurden Monika Kirchner, Dr. Renate Reinhardt, Eckhardt Lindner, Matthias Doht und Harald Schorneck gewählt. Sie bildeten den ersten Magistrat der Stadt Eisenach.

Als ehrenamtliche Stadträte wurden gewählt: Manfred Lindig, Klaus-Dieter Schlothauer, Bernhard Schinke, Manfred Bezold, Klaus Rabe und Johanna Lieder.

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Damit war die gesamte Spitze der Stadtverwaltung neu besetzt.

Gebildet wurden in der ersten Sitzung des Stadtrates auch Ausschüsse: zehn dauernde und ein zeitweiliger. Somit war auch der Rat endgültig arbeitsfähig.

Wie die Medien 1990 berichteten, gab es bei dieser ersten Sitzung reges Interesse von Seiten der Bürger: Der Saal war übervoll. Zu Gast waren dabei auch der OB aus Eisenachs Partnerstadt Marburg, Dr. Hanno Drechsler und die dortige Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Christa Czempiel. Sie hatte sich in den 80er Jahren intensiv dafür eingesetzt, dass es zwischen Marburg und Eisenach eine Städtepartnerschaft gab, die 1988 besiegelt wurde.

Die Eröffnungsrede am 31. Mai 1990 hielt der älteste Abgeordnete, Otto-Ernst Weigel von der SPD (Jahrgang 1922). Er sagte unter anderem: »Dies ist eine besondere Stunde für uns alle. Keiner der anwesenden Abgeordneten konnte bisher an einer wirklich freien Wahl teilnehmen – auch ich als ältester nicht. Wir dürfen nicht vergessen, wie es uns in den vergangenen 40 Jahren ergangen ist und es gibt einiges aufzuräumen. Die Zukunft ist jetzt unsere wichtigste Aufgabe.” Diese konstituierende Sitzung sei »ein neuer Anfang für die gute alte Stadt Eisenach”.

Der neue Bürgermeister, Dr. Hans-Peter Brodhun, sagte nach seiner Wahl: »Die Zeit der langen Reden und kleinen Taten muss ersetzt werden durch eine Zeit der kurzen Reden und großen Taten.” Und weiter: »Wir wollen Eisenach wieder zum Zentrum von Handel und Gewerbe, Tourismus und Kultur machen, kurz: zum Zentrum der Lebensfreude und des Wohlstands für alle.” Er appellierte aber auch: »Bei allem was wir tun, dürfen wir nicht Gefühl und Herz beiseite legen. Sozialneid und Ausländerhass sollen und dürfen in Eisenach nicht Fuß fassen.”

Dr. Brodhun dankte seinem Amtsvorgänger, dem Runden Tisch und den Bürgerkomitees. Mit dem Arbeitsbeginn des neu gewählten Stadtrats ging deren Werk in neue Hände über.

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