22. Tag der thüringischen Landesgeschichte in Eisenach

Am Freitag und Samstag voriger Woche (18./19. September) war Eisenach Mittelpunkt der thüringischen Landesgeschichte. Historiker, Archivare, Bibliothekare, Museologen und Heimatforscher aus dem gesamten Freistaat fanden sich am Samstag in der Wartburgstadt zusammen, um im Eisenacher Stadtschloss den 22. Tag der thüringischen Landesgeschichte, der von der „Historischen Kommission für Thüringen“ und dem „Verein für Thüringische Geschichte“ in Zusammenarbeit mit der Stadt Eisenach ausgerichtet wurde, gemeinsam zu begehen. Während die Plenarvorträge am Vormittag unter dem Motto „Geschichtskultur und Politik“ standen und zu ergründen suchten, welchen Stellenwert Geschichte und Kultur heutzutage in der Politik sowie in der öffentlichen Wahrnehmung haben, stellten am Nachmittag insgesamt 14 Referenten verschiedenste wissenschaftliche Vorträge zu mittelalterlichen, neuzeitlichen und zeitgeschichtlichen Themen vor. Rege Diskussionen und ein vielfältiger Informations-, Ideen- und Gedankenaustausch zwischen den Teilnehmern machten den 22. Tag der Thüringischen Landesgeschichte zu einer rundum gelungenen Veranstaltung.

Gewissermaßen als Auftakt zum Tag der Thüringischen Landesgeschichte, fand ein Tag zuvor, am Freitagabend, im Eisenacher Rathaus eine Buchpräsentation mit dem durchaus provozierenden Titel „Negative Implikationen der Reformation?“ statt. Die Veranstaltung wurde vom Forschungsprojekt „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“ organisiert, welches an der Friedrich-Schiller-Universität Jena angesiedelt ist und unter der Leitung der beiden Professoren Werner Greiling und Uwe Schirmer steht. Der vorgestellte Band enthält die Ergebnisse der im letzten Jahr ebenfalls in Eisenach durchgeführten interdisziplinären Tagung (3.-5. Juli 2014), die sich explizit der Frage gewidmet hatte, inwieweit die Reformation im Zeitraum von 1470 bis 1620 als Verursacher oder Verstärker negativer Erscheinungen in Gesellschaft und Kirche gelten kann, und in welchem Maße diese negativen Entwicklungen noch bis heute nachwirken. Prof. Dr. Uwe Schirmer merkte dann auch in seinem Abendvortrag an, dass vermeintliche und nicht selten als zu offensichtlich wahrgenommene „negative Implikationen der Reformation“ (Stichwort: Luthers Antijudaismus) zu einseitig und kurz gedacht sind, andere Entwicklungen hingegen, die heute als positive Errungenschaften der Reformation erachtet werden, noch einmal überdacht werden sollten. So war das „dunkle Mittelalter“, wie neuere Forschungen hinlänglich belegen, in vielerlei Hinsicht keinesfalls so dunkel wie dies vor allem die protestantische Geschichtsschreibung seit der Epoche der Aufklärung suggeriert hat. Frau Oberbürgermeisterin Katja Wolf, die die Veranstaltung mit einem Grußwort eröffnete, würdigte die Leistungen der beteiligten Wissenschaftler und sprach ihren Dank dafür aus, dass sich die Referenten und Autoren unvoreingenommen und mit großem Engagement auf die Fragestellung der Tagung und des Tagungsbandes eingelassen und mit ihren Beiträgen dafür gesorgt haben, dass das Thema der „negativen Implikationen der Reformation“ in zahlreichen Aspekten – die Bandbreite des Buches deckt soziale, gesellschaftliche, verfassungsrechtliche, politische sowie religiöse und mentalitätsgeschichtliche Entwicklungen ab – ausgesprochen konstruktiv bearbeitet und neu beleuchtet wurde.

Dr. Reinhold Brunner, Bildungsamtsleiter und Beauftragter der Stadt Eisenach für das Reformationsjubiläum, wies am Ende der Veranstaltung noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass das bevorstehende Reformationsjubiläum 2017 nicht allein unter touristischen Gesichtspunkten begangen werden sollte. So bedarf es gerade der wissenschaftlichen Forschung und Aufarbeitung, um die gesellschaftliche Relevanz der Reformation für die Gegenwart herauszustellen; ansonsten bestehe die Gefahr, so Brunner, dass die Geschichte der Reformation sowie das damit unmittelbar in Beziehung stehende 500-jährige Reformationsjubiläum am Ende zu einer reinen „Eventveranstaltung“ verkommt.

Es ist zu wünschen, dass diese Worte in den nächsten zwei Jahren sowohl bei der Politik als auch in der breiten Öffentlichkeit ihr Gehör finden.

Foto: Aus den Händen von Dr. Peter Rauch vom Böhlau-Verlag und Prof. Dr. Werner Greiling, Vorsitzender der Historischen Kommission für Thüringen, erhält Oberbürgermeisterin Katja Wolf ein druckfrisches Exemplar das Tagungsbandes.

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