Glocken-Schauguss auf den Luther-Festspielen

Der Klang von Kirchenglocken prägt bis heute das Bild vieler Städte und zeugt zugleich von einer langen christlich-abendländischen Tradition. Noch immer werden Glocken im Lehmschablonenverfahren – einer seit dem Mittelalter unveränderten Glockenhandwerkskunst – gegossen.

Im Rahmen der Historien-Festspiele «Luther – Das Fest» kann nun das Publikum am Samstag, 22. August um 15 Uhr auf dem Schiffsplatz live erleben, wie eine bis zu 150 Kilogramm schwere Bronzeglocke nach diesem Verfahren gefertigt wird.

Der Lutherverein konnte die traditionsreiche Glockengießerei Rudolf Perner aus Passau für diesen Schauguss gewinnen. Die Zuschauer erleben, wie Kupfer- und Zinnbarren in einem Schmelzofen erhitzt und vermischt werden und wie die 1050° C heiße flüssige Glockenspeise in die Gussform gebracht wird.
Diese Form besteht aus drei Teilen, die in mühsamer Handarbeit Schicht für Schicht aus Lehm gearbeitet sind. Zum einen der Kern, der spätere Innenraum der Glocke, in dem der Klöppel hin und her schwingt, dann die so genannte falsche Glocke, die genau die Gestalt der später gegossenen Glocke haben wird, und letztlich der Mantel. Wenn diese dreischichtige Lehmglocke getrocknet ist, wird der Mantel abgehoben, die falsche Glocke zerstört und der Mantel wieder auf die Glockenform aufgesetzt. So entsteht ein Zwischenraum zwischen Kern und Mantelinnenseite, wo schließlich die heiße Glockenspeise hineingeleitet wird.
Bevor die fertige Glocke erklingen kann, muss sie mehrere Tage abkühlen und in mühsamer Handarbeit von der Lehmform befreit werden.
Die auf dem Lutherfest gefertigte Glocke wird später in der Thüringer Kirchgemeinde Haßleben ihren Platz finden und die vor vielen Jahrhunderten begonnene Tradition fortsetzen, Menschen im christlichen Glaubensbekenntnis durch das Kirchenjahr und durch ihr Leben zu begleiten.

Allein im Raum der ehemaligen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen (heute EKM) zählt man heute einen Bestand von 3700 Glocken. Glocken sind schützenswerte Kunst-, Kultur- aber vor allem Musikdenkmäler. Sie sind ein Abbild ihrer Zeit und geben Aufschluss über ihre Auftraggeber und ihre Gießer. Ihr individueller Klang prägt für eine lange Zeit das Orts- oder Stadtbild und ist zugleich Stimme der sie beherbergenden Kirchenarchitektur.

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