Luther und Elisabeth im Schauspiel zum Lutherfest

Die 1207 im ungarischen Sárospatak geborene, bereits im Alter von vier Jahren nach Eisenach gekommene Königstochter und spätere Thüringer Landgräfin, die bereits wenige Jahre nach ihrem Tod im Alter von nur 24 Jahren heiliggesprochen wurde und noch heute weltweit als Wohltäterin verehrt wird, und der Begründer des evangelischen Glaubens sind sich nie begegnet.
Dabei trennen die beiden historischen Persönlichkeiten nicht nur gut 250 Jahre, die zwischen dem Ableben der Heiligen Elisabeth und der Geburt des Theologen liegen, sondern auch ihre weit divergierenden Ansichten über den Katholizismus.
Fragen an Jethro D. Gründer:

Macht es da Sinn, die beiden Figuren auf der Bühne miteinander zu verknüpfen?
Jethro D. Gründer: Sicher macht es das. In diesem Jahr allein beim Thema «Luther» zu bleiben, hätte bedeutet, das sich durch das Jubiläum regelrecht aufdrängende historische Kapital zu verschenken. Deswegen habe ich mich entschieden, die Heilige Elisabeth theatralisch einzubauen und die beiden Charaktere zueinander zu führen. Zumal es genügend Berührungspunkte gibt: Ihre durchaus unterschiedlichen Positionen sind sowohl von Gemeinsamkeiten als auch Widersprüchen geprägt, die in dieser Form noch nie aufbereitet worden sind.

Wobei beide Persönlichkeiten ein ganz wichtiger Aspekt unterscheidet – während die Heilige Elisabeth den nach ihr geborenen Luther nicht kennen, seine Handlungen nicht befürworten oder ablehnen konnte, war dem Reformator die Biographie der Landgräfin durchaus geläufig, zumal seine Bibelübersetzung schließlich auf der Wartburg und damit der früheren Wohnstatt der später nach Marburg vertriebenen Hospitalschwester erfolgte…
Jethro D. Gründer: Im Theater ist bekanntlich alles möglich. Ich baue die Heilige Elisabeth so ein, dass sie – vorausgesetzt man glaubt an die Unsterblichkeit der Seele – an der Seite des Herren beobachtet, was der Luther da so treibt, und ihn ermutigt, seine Reformen weiterzuführen. Ich empfinde das als ausgesprochen spannende Konstellation, die die zeitlichen Schranken auflöst und beide auf Augenhöhe agieren lässt.

Es gibt jedoch keinen einzigen Hinweis darauf, dass die Heilige Elisabeth als fast schon fanatische Katholikin eine derart weitgehende Reform ihrer katholischen Kirche wie die Luthers gutgeheißen hätte. Ist eine derart hypothetische Herangehensweise aus historischer Sicht nicht ausgesprochen problematisch?
Jethro D. Gründer: Ganz im Gegenteil: Das soziale Engagement der Elisabeth innerhalb der katholischen Kirche ist durchaus vergleichbar mit dem Luthers zu seiner Zeit – auch in der katholischen Kirche wohlgemerkt! Luther hat sich immer als Katholik gesehen, der die Kirche reformieren, verbessern wollte. Also nicht als «fertiger» Protestant. Das wird heute gern vergessen. Die von Luther initiierten Reformen waren offensichtlich im frühen 16. Jahrhundert notwendiger als zu Zeiten Elisabeths.

Die beiden ersten «Lutherschauspiele» des Historienspektakels «Luther – Das Fest» in den Jahren 2005 und 2006 – ebenfalls aus Ihrer Feder – hatten sich zentral mit dem Leben Martin Luthers bis zu seiner Hochzeit mit Katharina von Bora befasst. Um welche historischen Eckpunkte kristallisiert sich denn nun «Tintenfass und Rosenwunder – Martin träumt Elisabeth»?
Jethro D. Gründer: Wir beginnen mit der Legende vom Thesenanschlag und werden mit dem berühmten Augsburger Bekenntnis enden. Worms spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, weil Luther hier erstmals die Stimme der Heiligen Elisabeth vernimmt. So einfach, sich hinzustellen und zu sagen, hier stehe ich und kann nicht anders, war es ja wahrlich nicht. Durch einen dramaturgischen Kniff wird die Stimme der Heiligen Elisabeth in Worms erstmals ins Geschehen eingreifen und ihm als einem schon ins Wanken Gekommenen Mut machen, nicht zu widerrufen, sondern fest zu seinen Überzeugungen zu stehen.

Worum geht es inhaltlich?
Jethro D. Gründer: Wie schon der Titel zum Ausdruck bringt, bezieht sich das Stück sehr stark auf die Legendenbildung um Luther und Elisabeth – sowohl das Rosenwunder als auch Luthers Tintenfasswurf auf der Wartburg und selbst der Thesenanschlag in Wittenberg sind bis heute nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Wir werden der Legendenbildung im Theaterstück dahingehend Rechnung tragen, indem wir unsere Version zeigen, wie es gewesen sein könnte, und das durchaus mit Augenzwinkern. Wobei eine weitere, historisch ebenfalls belegte Figur hinzukommt, und zwar Georg Rörer, der so eine Art Famulus von Luther war, ähnlich Goethes Eckermann. Rörer wird als eine Art «Vice Figure», wie man im Shakespeare-Theater sagt, quasi als Moderator zwischen Publikum und Schauspielern fungieren und gelegentlich vermittelnd eingreifen. Rörer war ein Begleiter Luthers, der immer wieder an Luthers Seite war und aus nächster Nähe kommentierend eingreifen kann. Das macht ihn auch als Theaterfigur sehr interessant.

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Es ist immer nur die Rede von der Stimme Elisabeths – aber mit Jenny König gibt es ja eine Darstellerin der Landgräfin. Agiert die wirklich nur im Verborgenen?
Jethro D. Gründer: Nein, die Person wird eine wesentliche Rolle spielen, und das natürlich auf der Bühne. Schon deshalb, weil die beiden auch menschlich so viel verbindet. Ich möchte ja unter anderem auch Luthers Mitschuld an den Bauernkriegen mit Tausenden von Opfern dokumentieren und das Leid, das daraus entstanden ist und nun auf ihn persönlich zurückfällt. Dem gegenüber soll Elisabeth gestellt werden, die Leid am eigenen Leib erfahren hat, und da wird es eine sehr schmerzende Szene geben, in der ihr verstorbener Mann Ludwig IV. vom Kreuzzug zurückgebracht wird und in der gezeigt wird, wie sehr sie – die später ihre eigenen Kinder weggeben musste, um sich den Armen und Siechen zu widmen – durchaus zu inniger Liebe fähig war. Weder Luther noch Elisabeth sollen glorifiziert, sondern kritisch beleuchtet werden, aber aus einer zutiefst menschlichen Sichtweise.

Auf der einen Seite das Leid der Heiligen Elisabeth und des Bauernkriegs, auf der anderen Seite einen augenzwinkernden Moderator – ist das nicht eine gravierende, ja geradezu unüberbrückbare Diskrepanz, die sich da auftürmt?
Jethro D. Gründer: Nein, überhaupt nicht. Ich denke, dass ist wie im Leben: Theater ist, wie es bei Shakespeare heißt, «Spiel des Lebens». Und da liegen Lachen und Weinen nun einmal sehr dicht beieinander. Dabei wird der erste Teil der humorvollere und lustigere sein, während der zweite durchaus auch packend und tragisch werden soll, wenn beispielsweise Luther auf der Wartburg weilt, um seine Schrift «Wider den räuberischen Rotten» zu verfassen, während wenige Kilometer entfernt in seinem Namen Menschen hingemetzelt werden. Das möchte ich dann schon sehr plastisch darstellen: Luther übersetzt in aller Seelenruhe die Bibel, und um ihn herum passiert etwas sehr tragisches, das er mit ausgelöst hat, und er bekommt es gar nicht mit und sieht sich schließlich mit dem daraus entstehenden Scherbenhaufen konfrontiert.

Dass die Wunder in einem Stück über Legendenbildung gebührend gewürdigt werden, steht außer Frage, aber kommen auch solche Aspekte wie das Weggeben der eigenen Kinder durch die von Konrad von Marburg ideologisch verführte Landgräfin zur Sprache?
Jethro D. Gründer: Das spielt sogar eine zentrale Rolle. In den Auseinandersetzungen zwischen der Heiligen Elisabeth und Martin Luther, die es immer wieder geben wird, werden genau diese Fragen erörtert. Es wird viel Gemeinsames gefunden, aber es gibt durchaus auch kontroverse Gesichtspunkte, wenn Luther Elisabeth vorwirft, dass sie ihre Kinder nur deshalb weggibt, weil sie Jesus falsch verstanden, falsch interpretiert habe. Das sind schon sehr entscheidende Fragen, die man sich auch stellen sollte, wenn man heute das Leben der Heiligen Elisabeth betrachtet.

Ist «Tintenfass und Rosenwunder – Martin träumt Elisabeth» ein historisches oder ein religiöses Stück?
Jethro D. Gründer: Nichts von beiden! Historisch kann es nicht sein, weil Theater nicht die Aufgabe hat, geschichtliche Fakten zu vermitteln, und religiös ist es natürlich auch nicht, auch wenn es um zwei gläubige Menschen geht, denn mich als Autor interessieren doch viel mehr die Menschen, die hinter dem Glauben stecken, so unterschiedlich die sein mögen. Und die Unterschiede sind ganz offensichtlich, wenn Luther beispielsweise sagt, «Der Glaube allein ist das Seligmachende, ich muss nur glauben, das ist das Entscheidende», während sich Elisabeth sicher ist, sich kasteien und erniedrigen zu müssen, um zur Seligkeit zu gelangen. Das ist ein entscheidender Widerspruch, und den werde ich auch heftig ausdiskutieren.

Wie lang wird die Inszenierung, wo wird gespielt?
Jethro D. Gründer: Das ganze Stück wird alles in allem etwa zwei Stunden dauern, vielleicht ein paar Minuten länger. Gespielt wird wie in den letzten Jahren auch auf dem Alten Friedhof, allerdings nur auf zwei Bühnen, die Hauptstandorte Wartburg auf der einen Seite und Augsburg und Worms auf der anderen. Darüber hinaus gibt es auch noch ein paar kleinere Schauplätze, wie Torgau in Vorbereitung auf das Augsburger Bekenntnis, die aber nicht als feste Bühnen dargestellt werden. Wir werden ungefähr 20 Sprechrollen haben und darüber hinaus gut 80 Kleindarsteller einschließlich der vielen Reiter. Es werden noch mehr Pferde dabei sein, auch ein Adler, es wird alles noch ein bisschen opulenter, obwohl die Mittel geringer sind.

Premiere ist am Freitag, 17. August, um 17.50 Uhr – um zehn Minuten vorverlegt wegen der Live-Übertragung des MDR vom «Lutherfest» und dem Schauspiel -, dann gibt es nur noch zwei weitere Aufführungen am Samstag und Sonntag. Lohnt sich der Aufwand? Könnte das Stück nicht beispielsweise auch in Bad Hersfeld oder Marburg gezeigt werden, um eine größere Zuschauerzahl zu erreichen?
Jethro D. Gründer: Das Schauspiel ist Teil des Lutherfestes, und das geht nun mal nur drei Tage. Damit auf Tournee zu gehen, ist logistisch und geographisch nicht umsetzbar. Das Stück ist für die Spielstätte in Eisenach konzipiert, und das können wir nicht einfach einpacken und woanders hin verlagern, nicht zuletzt wegen der großen Zahl an Mitwirkenden, von denen viele ja berufstätig sind und das alles ehrenamtlich machen. Aber ich würde mir auch wünschen, dass das Stück länger laufen würde, weil für den großen Aufwand drei Vorstellungen natürlich schon denkbar gering sind. Vielleicht kommen wir ja in naher Zukunft doch irgendwann einmal dahin, das Stück wenigstens einen halben Sommer zu spielen, als Teil richtiger Lutherfestspiele. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik.

Eine derart große Produktion muss ja erst einmal vorfinanziert werden, was seit der Erstauflage vor zwei Jahren immer vom Lutherverein übernommen wurde. Aber Theater ist, wie die jüngste Debatte im Freistaat wieder einmal deutlich gezeigt hat, meist defizitär. Wer kommt für die roten Zahlen auf?
Jethro D. Gründer: Wir wissen jetzt schon anhand der Kalkulation, dass das Stück sicher keine großen Gewinne einfahren wird, aber wir gehen auch davon aus, dass wir keine Verluste verzeichnen müssen. Eigentlich hoffen wir, dass wir wieder mit einer schwarzen Null aus der Produktion herausgehen. Kein Minus, das ist die Hauptsache.

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