Matthäuspassion als Blockbuster

Das «Begehbare Musikstück» im Bachhaus Eisenach erhält einen neuen Film: Er zeigt Ausschnitte aus Bachs Matthäuspassion in der letzten Fassung von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mendelssohn hatte Bachs Großwerk am 11.3.1829, einhundert Jahre nach der Erstaufführung, erstmals wieder aufgeführt und hierdurch die Bach-Renaissance angestoßen, die bis heute fortwirkt.
Bei dem «Begehbaren Musikstück» handelt es sich um einen Raum in dem Museum an Bachs Geburtsort, in dem zu ausgewählten Exponaten drei (demnächst vier) Filme auf einer 180-Grad-Leinwand gespielt werden. Als besonderes Exponat, das zum Film künftig im «Begehbaren Musikstück» ausgestellt wird, stellte das Leipziger Mendelssohn-Haus die Original-Chorstimmen von Mendelssohns Berliner und Leipziger Aufführungen von 1829 und 1841 als Dauerleihgaben zur Verfügung. Das Projekt wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit 48000 € gefördert.

Die Dreharbeiten fanden nunmehr am vergangenen Sonntag in Köln statt. Die Aufführung erfolgte durch den Chorus musicus Köln sowie das Neue Orchester unter dem Kölner Dirigenten Christoph Spering. Spering hatte 1992 als erster die Mendelssohnsche Fassung des Bachschen Werks anhand der Originalmanuskripte in der Bodleian Library (Oxford) rekonstruiert und wiederaufgeführt.
Gespielt wurde ausschließlich auf authentischen (romantischen) Musikinstrumenten. Als Drehort wurde die Kölner Trinitatiskirche gewählt, die wie die Berliner Singakademie – der Ort von Mendelssohns Erstaufführung – ein Bau von Karl Friedrich Schinkel ist. An der Aufnahme für das Bachhaus waren fast 100 Mitwirkende beteiligt. Die filmische Umsetzung für die 180-Grad-Leinwand im Bachhaus erfolgt erneut durch den Multimedia-Künstler und Regisseur Marc Tamschick (Berlin).

Mendelssohns Wiederaufführung des Bachschen Werks war ein Großereignis: Zu dem in allen Zeitungen angekündigten Konzert in der Berliner Singakademie erschienen der preußische König mit seinem Hofstaat, unter den Zuhörern befanden sich der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel und der Dichter Heinrich Heine, das Konzert war ausverkauft und musste noch zweimal wiederholt werden. Die Ästhetik des künftigen Films orientiert sich am «Blockbuster»-Charakter des historischen Ereignisses und interpretiert die ausgewählten Szenen um den Tod Jesu «cineastisch»: Großeinstellungen, Kamerafahrten über vier Schienen sowie eine professionelle Beleuchtung werden ein «Hollywood»-Gefühl aufkommen lassen, verspricht Museumsdirektor Jörg Hansen. Entsprechend aufwändig waren die Dreharbeiten: für 9,5 Minuten Film wurde fast 12 Stunden gedreht. Die ersten Schnittfassungen sollen im Oktober vorliegen, installiert wird der Film zum 21. März 2012, dem nächsten Bach-Geburtstag.

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