Mensch oder System – Das war die Frage

Es erscheint einem manchmal wie eine gesamtdeutsche Erfindung, das in einer Diktatur ein gewisser Führerkult herrscht. Ober Hitler, Ulbricht oder Honecker – immer hing ein Bild des politischen Führers in Amts- und Klassenzimmern und teilweise auch im Privatbereich. Doch auch im Eisenacher Kunstpavillon fand sich am vergangenen Freitagabend das Bild eines großen Diktators an der Wand.

Handelte es sich dabei zwar weder um  einen Führer, noch einen Staatsratsvorsitzenden, so machte aber auch der Dystopator durchaus einen guten diktatorisch-antidemokratischen Eindruck auf die rund 60 Besucher, welche im Pavillon einen Platz gefunden hatten. Denn sie alle waren gekommen, um den Dystopator zu sehen und dabei nicht nur Katharina Künstler. Sie nämlich hatte die Rolle des Mannes, der das Fantasieland Dystopia in kurzer Zeit in eine Diktatur mit den Grundsätzen von Fortschritt, Wahrheit und Zukunft verwandelt hatte inne. Aber viel mehr wollten die Zuschauer das Stück Dytopia nach Motiven von George Orwell und Aldous Huxley genießen können.

Dieses hatte die generationenübergreifende Laienspielgruppe Schöne neue Welt des Eisenacher Landestheaters auf die Beine gestellt und damit viel Zuspruch beim Publikum bekommen. Denn die zwölf Mitspieler zwischen 14 und 65 Jahren probten unter Leitung von Sophie Oldenstein bereits seit Beginn des Jahres kontinuierlich an ihrem Werk, an dessen Grundidee sie aber schon seit dem Ende des vergangenen Jahres arbeiteten.

Und diese Grundidee ist eine durchaus düstere. Nach dem Ende des Dritten Weltkriegs hat eben jener Dystopator die Macht an sich gerissen und durch eine Gleichschaltung von Schulen, Räten und anderen Institutionen seine Regentschaft gesichert. Dennoch regt sich in den Arbeitervierteln ein Widerstand gegen die Diktatur des Mannes, der mit einem Pylonen statt einer Krone auf dem Kopf das Ganze Land zu unterjochen versuchte. Doch nicht nur im Geheimdienst des Diktators gibt es Löcher im System. Auch der Assistent des Despoten, gespielt von Bastian Hoßfeld, wittert seine Chance mithilfe einer Kadettin der Staatsschule, alias Celine Stengel, den Herrscher zu stürzen und sich selbst auf dessen Thron zu setzen.

Als sein Plan mit Unterstützung der Widerstandsbewegung Form anzunehmen beginnt, merken die widerstehenden Mädchen aber schnell, dass sie von dem Assistenzdystopator, der Freiheit versprach, gelinkt wurden. Durch eine Einmischung der Ratsvorsitzenden in die Mordpläne für den Dystopator jedoch gelingt es den politischen Subjekten um Metabo und Delicia (Donata Vogtschmidt und Anne Kathrin Quendt) auch den Assistenten loszuwerden und aus Dystopia ein freies Land zu machen.

Dabei schaffen die Laiendarsteller es, ein beeindruckendes Gänsehaut-Gefühl von der Bühne zum Schauspieler zu transferieren und zugleich eine innere Diskussion loszubrechen, die sich immer wieder der Frage unterwirft: ist das System schlecht oder sind die Menschen die Wurzel des Übels.

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