Vor 110 Jahren – Angst vor Benzinexplosion

«Da ist mein Dixi ja noch ein Youngtimer», so Fotografenmeister und Oldtimerfreund Jochen Thurau, beim Anblick der Teilnehmer der Baron von Liebieg Gedächtnisfahrt am Donnerstag auf dem Eisenacher Marktplatz. Als erstes Fahrzeug rollte ein Benz Kombinationskraftwagen, Baujahr 1896, auf den Marktplatz. Ein Adler stammte aus dem Jahr 1902, der De Dion Bouton war Baujahr 1904. Gekommen waren die Oldtimerfreunde mit je einem Renault (1906), Le Zebre (1907), Hupmobil (1908), Renault BZ (1909), Brush runabout «B» (1909), Daimler Mercedes 10/25 (1910), Metz (1912), Flanders twenty (1913) und La Buire (1913). Sie waren in Prag am Samstag gestartet. Die offizielle Gedächtnisfahrt begann dann am Montag in Liberec (Reichenbach). Dort wirkte 1894 der Textilfabrikant Baron Theodor von Liebieg. Und dieser wollte seine Eltern in Kobern-Gondorf bei Koblenz besuchen. Die Fahrt mit der Kutsche war im zu mühselig und so kaufte er sich einen Benz-Viktoria-Motorwagen. Insgesamt legte er vom 16. bis 22. Juli 1894 939 Kilometer zurück, dabei führte der Baron ein ausführliches Tagebuch. Eine Station war Eisenach. Am 18. Juli 1894 kam er über Jena, Weimar, Erfurt, Gotha von Eisenberg nach Eisenach. Neun Stunden benötigt er für die 139 km. In der Wartburgstadt übernachtete er im Hotel Kronprinz (ehemals Bahnhofshotel). Ursprünglich wollte Liebieg im Hotel zum Großherzog von Sachsen (Bahnhofstraße 36/38) übernachten. Doch dort waren Autofahrer nicht beliebt und er durfte mit seinem Automobil nicht auf den Hof fahren – Angst vor einer Benzinexplosion. So hatte das Hotel Kronprinz die Ehre.
Von Eisenach startete dann eine Dauerfahrt von 39 Stunden bis nach Mannheim (282 km in 26 Fahrstunden).
Baron von Liebieg legte mit seinem Freund Franz Stransky die 939 km in 69 Fahrstunden zurück. Die durchschnittliche Geschwindigkeit lag bei 13,6 km/h. 140 kg Benzin wurden verbraucht und das offenen Kühlsystem benötigte auf der Fahrt 1500 Liter Wasser. Dieses holte man aus Brunnen, Quellen und aus Bächen. Das Tagebuch berichtete auch über einige Defekte wie lockere Muttern, gebrochene Benzinbehälter oder lockere Keilbefestigung des Rades. Viel erlebten die beiden Fahrer. Da waren scheuende Pferde, «Trinkbrüder» auf den Straßen, in Dresden und Erfurt wurden sie nach einer Zusammenrottung von Menschenmassen polizeilich aus der Stadt gewiesen.
In Mannheim soll sie Carl Benz mit den Worten «Ich wagte nicht zu hoffen» empfangen haben. Man feierte die Ankunft mit einem Fass Bier. Baron von Liebieg unternahm so die erste Fernreise mit einem Auto in der Weltgeschichte.

Gast der Oldtimerfreunde aus Koblenz war Liebiegs Enkel Felix Grisar, er lebt in Österreich und war hocherfreut über die Gedächtnisfahrt zu Ehren seines Großvaters.
In Eisenach wurden die Teilnehmer der Fahrt von Bürgermeister Christian Nielsen herzlich begrüßt. Vor dem Start nach Alsfeld stand dann am Freitag der Besuch des Automobilmuseums auf der Tagesordnung.

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