Gemeinsame Kabinettsitzung Thüringen-Hessen auf der Wartburg

Ministerpräsidentin Lieberknecht und Ministerpräsident Bouffier: Bundesratsinitiative zur Einbeziehung der Länder in Jahresbericht zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Zu einer gemeinsamen Kabinettsitzung haben sich die Landesregierungen von Thüringen und Hessen in Eisenach getroffen. Wenige Tage vor dem 20. Jahrestag der Deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 haben nun bereits zum fünften Mal zwei aus freien und demokratischen Wahlen hervorgegangene Landeskabinette gemeinsam getagt. Symbolhafter Ort der Zusammenkunft war die geschichtsträchtige Wartburg: «Wir sind hier nur wenige Kilometer von der ehemaligen innerdeutschen Grenze entfernt, wo noch 1989 Mauer und Stacheldraht die Menschen in den beiden deutschen Staaten voneinander trennten», sagten Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und Ministerpräsident Volker Bouffier übereinstimmend. Auf der Wartburg fand 1996 auch die erste gemeinsame Kabinettsitzung Hessen – Thüringen statt.

«Wir wollen gemeinsam konkrete Perspektiven entwickeln. Hessen steht ebenso wie Thüringen vor großen Herausforderungen. Nur in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit, gerade als Nachbarländer mit einer bedeutenden gemeinsamen Geschichte und vielen Anknüpfungspunkten im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und touristischen Bereich, können wir die vor uns liegenden Aufgaben bewältigen», sagte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht zum Auftakt der Sitzung.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier betonte den gemeinsamen Willen, die auf vielen Politikfeldern bestehende Zusammenarbeit fortzusetzen: «Hessen und Thüringen werden in ihrer Kooperation und der Abstimmung beide betreffender Themen nicht nachlassen. Sowohl auf den Feldern der Infrastruktur als auch in den Bereichen Umwelt, Bildung und Sicherheit haben wir gemeinsame Interessen, über die wir uns auch weiterhin eng abstimmen werden.»

Zu Beginn der Kabinettsitzung hatten Schülerinnen und Schüler aus Wiesbaden und Pößneck den Kabinettsmitgliedern ein zweiwöchiges Schüleraustauschprojekt ihrer beiden Regelschulen vorgestellt und erste Ergebnisse mit den Politikern diskutiert. Titel: «20 Jahre Einheit in Freiheit – Demokratie braucht Erinnerung und Zukunft». Dabei wurde deutlich, wie wichtig Lehrinhalte über die deutsche Teilung und die Zeit der Wiedervereinigung an den Schulen sind, wenn die heranwachsende Generation diesen Zeitraum nicht mehr unmittelbar erlebt hat. «Authentische Erinnerungsorte und Zeitzeugen können die jüngere deutsche Geschichte am eindrucksvollsten vermitteln und tragen in besonderer Weise zur Vertiefung des Geschichtsverständnisses bei», so Lieberknecht und Bouffier.

Auf den Weg gebracht haben die beiden Kabinette eine gemeinsame Bundesratsinitiative, die die Einführung des Jahresberichtes der Bundesregierung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur begrüßt: «Thüringen und Hessen werden sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass in den Jahresbericht auch die entsprechenden Aktionen und Maßnahmen der einzelnen Länder einfließen werden, um so die umfangreichen Bemühungen abzubilden und Synergien und Anregungen zu schaffen», erklärte Ministerpräsidentin Lieberknecht.

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Hessen und Thüringen wollen darüber hinaus ihre vor knapp drei Jahren vereinbarte Sicherheitskooperation mit Niedersachsen und Sachsen-Anhalt fortsetzen und intensivieren. «Die Zusammenarbeit unserer Polizeibehörden hat sich bewährt», stellte Ministerpräsident Bouffier fest. «Gerade in Sachen gemeinsamer Bekämpfung der länder- und grenzüberschreitenden Kriminalität, beim Austausch von ermittlungstechnischen Daten und in der konsequenten Verfolgung länderübergreifend tätiger Intensivtäter wollen wir noch enger zusammenarbeiten.»

Die Kabinette beider Länder begrüßten auch die positive Entwicklung ihrer Kooperationsmodelle, die eine enge Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden – Polizei und Staatsanwaltschaft – mit der Jugend(gerichts)hilfe vorsieht. Durch die Jugendstationen, wie sie in Gera und Jena bestehen oder in Planung sind, wie auch die Häuser des Jugendrechts in Wiesbaden und Frankfurt-Höchst, besteht die Möglichkeit, insbesondere erzieherische Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz rasch umzusetzen. «Vorrangiges Ziel muss es sein, junge Menschen frühzeitig – möglichst vor der Delinquenz – zu erreichen. Sollte es jedoch zu einem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten gekommen sein, muss hierauf mit individuell ausgerichteten Maßnahmen unter Berücksichtigung der gesamten Lebenssituation des Täters reagiert werden», erklärte der Hessische Minister der Justiz, für Integration und Europa Jörg-Uwe Hahn. Weitere Themen waren unter anderem die Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 und das Junge Literaturforum Hessen-Thüringen, auf dessen Verstetigung sich beide Landesregierungen verständigten.

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