Volksbegehren will Thüringen an die Spitze bringen

In Sachen direkter Demokratie in den Kommunen ist Thüringen Schlusslicht unter den Bundesländern. Das bestätigt der erste bundesweite Bürgerbegehrens-Bericht, der in Berlin vorgestellt wurde. Der von Mehr Demokratie e.V. gemeinsam mit der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie an der Universität Marburg herausgegebene Bericht analysiert Bürgerbegehren und Bürgerentscheide der vergangenen 50 Jahre.
1956 war im ersten Bundesland (Baden-Württemberg) die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene eingeführt worden. In Thüringen gibt es Bürgerbegehren und Bürgerentscheide seit In-Kraft-Treten der Kommunalverfassung im Jahr 1993.

Deutschlandweit verzeichnet der Bericht 4587 Bürgerbegehren, davon 2226 Bürgerentscheide. Für Thüringen nennt der Bericht lediglich 20 Bürgerentscheide und 69 Bürgerbegehren. In knapp 20 Prozent aller deutschen Kommunen haben Bürgerinnen und Bürger bereits mindestens einmal mit Hilfe direktdemokratischer Verfahren eine Sachfrage beeinflusst. In Thüringen gab es Bürgerentscheide nur in weniger als zwei Prozent der etwas mehr als 1000 Kommunen.

Der Bericht setzt die Anzahl der gestarteten Bürgerbegehren ins Verhältnis zur Anzahl der Kommunen und den bisherigen Praxisjahren. Damit kommt es statistisch gesehen pro Jahr nur in 0,5 Prozent der Thüringer Kommunen zum Versuch, ein Bürgerbegehren zu starten. Nur in Rheinland-Pfalz ist der Wert mit 0,4 Prozent noch geringer. Von den 69 gestarteten Verfahren in Thüringen sind zudem bisher 38,8 Prozent für unzulässig erklärt worden. Unter den Flächenländern liegt Nordrhein-Westfalen vorn; hier kommt es in 8,4 Prozent der Kommunen einmal im Jahr zu einem Bürgerentscheid, in Bayern in 6,9 Prozent der Kommunen.

Hintergrund für die mangelnde Praxis in Thüringen sind dem Bericht zufolge der umfangreiche Ausschluss von Themen für Bürgerbegehren und die mit 13 bis 17 Prozent höchste Unterschriften-Hürde für Bürgerbegehren in Deutschland. Auf Landkreisebene sind Bürgerbegehren in Thüringen – wie sonst nur noch in Hessen und Baden-Württemberg – überhaupt nicht vorgesehen.

„Mit dem Volksbegehren ,Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen‘ wollen wir Thüringen vom Schlusslicht an die Spitze bringen. Wir wollen den Themenausschluss reduzieren, die Unterschriften-Hürde für Bürgerbegehren reduzieren und auch Bürgerbegehren auf Landkreisebene zulassen“, so Ralf-Uwe Beck, Sprecher des Bündnisses für Mehr Demokratie in Thüringen.

Am 20. März startet die Unterschriftensammlung zu dem von der Landtagspräsidentin zugelassenen Volksbegehren. Bis zum 19. Juli müssen für ein erfolgreiches Volksbegehren zehn Prozent der Thüringer Stimmberechtigten, rund 200.000 Menschen, unterschreiben. Gelingt dies, muss sich der Landtag mit dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens befassen.
Lehnt er den Reformvorschlag ab, kommt es zwingend zum Volksentscheid.

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