Kindererziehung: «6 Minuten sind zu wenig»

Die Ausstattung der Thüringer Kindertagesstätten mit pädagogischen Fachpersonal entspricht nicht den geforderten internationalen und nationalen fachlichen Standards, der Thüringer Bildungsplan droht, an schlechten Rahmenbedingungen zu scheitern.

Am 2. April diskutierten im Haus der Vereine, Rot-Kreuz-Weg 1 in Eisenach, über 100 Erzieherinnen, Eltern und freie Träger aus Eisenach, dem Wartburgkreis, dem Unstrut-Hainich-Kreis und dem Landkreis Gotha mit Landtagsmitgliedern und Kommunalpolitikern Probleme der Personalausstattung in Kindertagesstätten.

Bereits am 15.10.2008 hatten sich die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege mit einem Offenen Brief an den Thüringer Kultusminister, Bernward Müller, gewandt, um auf die problematische Personalsituation aufmerksam zu machen. «Wir haben vom Kultusminister Unterstützung erwartet. Aber bis heute gibt es keine Reaktion auf unseren Brief», so Hans-Otto Schwiefert, Geschäftsführer der LIGA.
Am 19.03. machte die LIGA mit einer öffentlichen Petition an den Petitionsausschuss des Thüringer Landtages auf die Undurchführbarkeit des Thüringer Bildungsplanes aufmerksam.
Am 26.03.2009 übergaben die Thüringer Wohlfahrtsverbände 25000 Unterschriften von Eltern und Erzieherinnen an Kultusminister Bernward Müller.

Die LIGA Thüringen als Interessenvertreter von 730 Kindertagesstätten in Thüringen war fassungslos, dass in der Auftaktveranstaltung zum Thüringer Bildungsplan am 27.09.2008 in Erfurt neben dem Fröbelzitat «Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts» keine Aussagen zur notwendigen Verbesserung des Personalschlüssels in Kindertagesstätten vorgenommen wurde. Es wurde damit der Eindruck vermittelt, dass mit ein bisschen Mehr an Engagement und Liebe zum Kind der hohe Anspruch des Bildungsplanes umzusetzen sei. Der derzeit gültige Personalschlüssel in Kindertagesstätten führt die pädagogischen Fachkräfte schon jetzt an die Grenze der Belastbarkeit. Es besteht daher die Gefahr, dass die Herausforderungen des Bildungsplanes an den Rahmenbedingungen in den Thüringer Kindertagesstätten scheitern!

Die Forderungen der LIGA-Verbände:

– Eine deutliche Verbesserung des Personalschlüssels 1-2 Jahre 1:3; 2-3 Jahre 1:5; 3-Schuleintritt 1:8.

– Die Festlegung des Mindestpersonalschlüssels für eingruppige Einrichtungen von 2 Mitarbeitern.

– Die Erhöhung der Vor- und Nachbereitungszeit von derzeit 6 Minuten pro Kind in der Woche auf 30 Minuten.

Vergleiche mit nationalen und internationalen Empfehlungen und Studien wie z.B. Bertelsmann-Stiftung, Länderreport frühkindliche Bildungssysteme 2008, «Auf den Anfang kommt es an» und die EU-Empfehlung weisen darauf hin, dass der derzeitige Thüringer Personalschlüssel weit unter dem fachlich geforderten liege.
Zwei unabhängig voneinander erstellte Studien «Bedarfsgerechte Personalausstattung in Jenaer Kindertagesstätten» von Prof. Roland Merten und «Bericht der Evaluation der Wirkungen der Thüringer Familienoffensive» von Prof. Dr. Michael Opielka und Prof. Dr. Michael Winkler untersetzen unsere Forderungen.

Das Podium in Eisenach war bunt gemischt, neben Politikern wie Bürgermeisterin Ute Lieske, Landtagsabgeordnete Katja Wolf (Die Linke), Stadtratsmitglied Regina Müller (CDU) hatten Professor Doktor Roland Merten von der Uni Jena, der Vorsitzende der Liga Thüringen, Hans Otto Schwiefert, die Jugendamtsleiterin der Stadt Eisenach, Viola Stephan und als Praxisvertreter die Kitaleiterinnen Marina Wesemann vom ASB und Ute Klemm vom DRK Eisenach Platz genommen.

Anzeige

«Wer mit der Erwartung gekommen war, zu erfahren wann und wie Veränderungen im Personalschlüssel zu erwarten sind, wurde enttäuscht, denn bewegen wird sich in Thüringen wohl Vieles erst nach der Wahl. Aber um nicht in Vergessenheit zu geraten muss man sich immer wieder in Erinnerung bringen und das haben die Erzieherinnen und Eltern in Eisenach wirkungsvoll getan. Viel Unmut wurde geäußert und Einmütigkeit bestand darin, dass bei Gesetzesänderungen viel zu wenig auf die Praxis gehört wird. Die Studie von Professor Merten zeigte nämlich das, was alle Praktiker wissen, der Thüringer Personalschlüssel ist einer der schlechtesten in Deutschland. Dies ist auch Kommunalpolitikern bekannt, sie sehen jedoch Handlungsbedarf bei der Landesregierung. Herr Schwiefert nannte als Fazit nicht lockerzulassen und forderte alle Anwesenden auf, ihrer Meinung in einem direkt dazu eingerichteten Forum auf der Webseite der Liga Nachdruck zu verleihen», so Ute Klemm von der Eisenacher DRK Kindertagesstätte.
Klemm: «Und die Erzieher wünschen sich nur eins, das den vielen Reden endlich Taten folgen, denn es geht ja schließlich um unsere Kinder und die sind unsere Zukunft, oder…?»

Anzeige