Das Feuer lodert weiter

Höhen und Tiefen, sportlich und wirtschaftlich – der ThSV Eisenach blickte auf seine 25-jährige Vereinsgeschichte zurück

Nicht um die Asche vergangener Erfolge herumsitzen, sondern das Feuer am lodern halten. Das ist die Maxime in einer Kleinstadt am Fuße der Wartburg, in der der Handball gelebt wird! Die über 950-jährige Burg über der Stadt, eine der Gründungsstätten der deutschen und internationalen Sozialdemokratie, die rechhaltige Kultur- und Automobilgeschichte – und der Handball, das machen Eisenach bekannt. Der ThSV Eisenach blicktew kürzlich auf einer Jubiläumsveranstaltung auf seine 25-jährige Vereinsgeschichte zurück.

Die Motor-Handballer ließen sich nicht unterkriegen
Im Jahre 1958 eroberte Motor Eisenach mit Werner Aßmann an der Spitze den Titel eines Deutschen Meisters im Feldhandball der DDR. In den 60er Jahren zog der Handball in die Halle. Eine ehemalige Reithalle der Kasernierten Volkspolizei wurde in Eisenach zur Handballhalle umgestaltet. Heute kaum zu glauben, hier wurden Erstligaspiele ausgetragen. 400 Zuschauer drängten sich in und von draußen an den Fenstern der Halle. Argwöhnisch von der DDR-Sportführung beäugt, die Motor-Handballer spielten fast durchgängig in der teilweise nur zehn Mannschaften umfassenden höchsten Spielklasse, der Oberliga. Die Stimmung zu den Heimspielen war famos. Gegen die Sportclubs, insbesondere den „geliebten“ SC Dynamo Berlin,  brannte die Luft. Die Jahnsporthalle wurde nicht mehr für Punktspiele der 1. Liga zugelassen. „Heimspiele“ in Mühlhausen und in Erfurt (Sporthalle am Beethovenplatz) folgten. Die Mannschaft um Hans-Joachim Ursinus als Trainer und Rainer Osmann als Kapitän, mit Lutz Sinke, Jochen Mascher, Gerhard Wagner, Rainer Lehmann ließ sich nicht unterkriegen. Die Teilnahmen an der FDGB-Pokal-Endrunde in Rostock gehörten zu den Höhepunkten. Dann endlich, im Jahr 1984, wurde die 1.400 Zuschauern platzbietende Sporthalle Katzenaue, die spätere Werner-Aßmann-Halle,  eröffnet. „Auswärtige“ Spieler wurden verpflichtet, wir Torhüter Helge Brettschneider (aus Schwerin) und Torjäger Lutz Westram (aus Dessau). Mit Michael „Dubse“ Dubiel, Detlef „Flocke“ Henkel, Edmund „Edie“ Nositschka, Rainer „Osse“ Osmann, Jürgen „Bongo“ Beck , Bernd Fichtner   – und weiterhin Hans-Joachim Ursinus als Trainer  – wurde  Motor Eisenach „Amateurmeister“, beste BSG (Betriebssportgemeinschaft) hinter den privilegierten Sportclubs.

Gründung des Thüringer Sportvereins Eisenach e.V.
Mit der politischen Wende 1989/90, der Wiedervereinigung, galt es auch für den Sport in Eisenach neue Wege zu gehen. Das Automobilwerk als Träger aller  Sektionen der BSG Motor und damit auch der Handballer, stand vor dem Aus. Tausende verloren ihren Arbeitsplatz. Die Sportler verloren ihr Dach. Die Handballer ergriffen die Initiative. Ein neuer Verein nach altbundesdeutschem Muster sollte gegründet werden. Möglichst mit allen  Sektionen der BSG Motor. Nach mehreren Vorbereitungstreffen fand im Juni 1990 mit mehreren hundert Teilnehmern auf dem Parkett der Sporthalle Katzenaue die Gründungsveranstaltung statt. Alle Versuche, möglichst viele Sektionen für den neuen Verein zu gewinnen, scheiterten. Nach einem mehrstündigen Marathon wurde der Thüringer Sportverein gegründet, der allen Sportarten offen stehen sollte, der aber als reiner Handballverein gegründet wurde. (Viele andere Vereine, teilweise mit nur wenigen Mitgliedern entstanden. Ein großer Sportverein, mit vielen Abteilungen, stände der Stadt Eisenach und dem Sport sehr gut zu Gesicht!) Der Hotelier Hans-Joachim Alban, der Staatsanwalt Arnd Herrmann und der Bäckermeister Horst Rabe wurden als erster und zweiter Vorsitzender sowie als  Schatzmeister gewählt. Sie bewtraten mit ihren Mitstreitern und Helfern aus der alten BSG wie Dieter Kuhla, Gerhard Schütrump, Dieter Illert und Max Wehner völliges Neuland. Sportsponsoring – völlig unbekannt. Die Firmen standen zudem im Überlebenskampf und hatten kaum Gehör dafür. Klubs aus dem Westen lockten die Spieler mit lukrativen Angeboten. Mancher Berater aus den Altbundesländern tat dem jungen ThSV Eisenach nicht gut. Die Präsidenten Hans-Joachim Alban, Arnd Herrmann, Helmut von Moltke, Detlef Alban, Frank Seidenzahl, Detlev Gollhardt, Gerhard Sippel und seit dem Jahr 2009 umschifften mit ihrer Crew trotz stürmischer Wellen auch die tiefsten Klippen. Im Jahr seines 25-jährigen Bestehens spielt die 1. Männermannschaft in der stärksten Liga der Welt, der DKB Handballbundesliga, die A-Jugend in der Jugendbundesliga und die B-Jugend in der Mitteldeutsachen Oberliga. Nachwuchsarbeit wurde und wird groß geschrieben. Jugendkoordinatoren wie Stefan Albrecht, Edmund Nositschka und Christian Roch, Trainer wie Andreas Schwabe, Ulrich Enke, Peter Hattenbach und seit kurzem Christoph Jauernik   prägten und prägen die Arbeit mit den Talenten. Die A-Jugend  schaffte 2003 den Einzug in die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft, die B-Jugend 2007. In diesem Jahr eroberte die 15/16-jährigen Talente den Titel des Mitteldeutschen Meisters der B-Jugend.
Doch zurück zu den Anfängen des ThSV Eisenach. Über einige Jahre war auch der weibliche Handball beim ThSV Eisenach beheimatet. Das erste Frauenteam spielte in der 3. Liga, wurde Mitte der 90er Jahre Pokalsieger im Freistaat Thüringen. Silke Lämmerhirt, Kerstin Ahrens, Elke und Marion Richstein, Kathrin Wiesner, Doreeen Sippel, Andrea Eberhardt und die unverwüstliche Minika Weiß im Tor waren über Jahre die Matadoren.
Doch zurück zum Anfang des ThSV.

Der Anfang war kolossal schwer
Mit Platz 5 in der DDR-Oberliga hatte sich der ThSV Eisenach sportlich für die zweigleisige 1. Handballbundesliga qualifiziert. Der von Fleischermeister Günter Oppel organisierte Förderverein, auch die Versorgung zu den Heimspielen absichernd, war ein wichtiger Baustein. In diesen unruhigen Zeiten blieb es jedoch bei einem einjährigen Intermezzo im Oberhaus. Der Sturzflug drohte. Sportlich und wirtschaftlich! Auch ein international erfolgreicher Trainer wie Nicolai Nedef vermochte das Schiff nicht auf Kurs zu bringen. Die Drittklassigkeit drohte! Rainer Osmann, inzwischen sich eine neue berufliche Perspektive aufbauend, erhörte den Hilferuf, kam Aus dem Hessischen zurück, übernahm als „Sportlicher Leiter“ den Trainings- und Wettkampfbetrieb. In einem denkwürdigen Spiel lag der ThSV Eisenach in Dortmund mit 13:14 hinten. Matthias Allonge, noch heute als „Leitwolf“ verehrt, markierte mit einer Energieleistung zwei Treffer zum Eisenacher Sieg – und zum Klassenerhalt in der 2. Handballbundesliga Süd. Sportlich gerettet, doch wirtschaftlich am Ende. Nahezu 1,3 Millionen Mark betrug das Loch. Selbstanzeige im April 1992 beim Finanzamt. Dem Engagement und dem Geschick des damaligen Präsidenten Helmut von Motlke mit seinem Mitstreitern ist es gelungen, das frühe Aus des jungen Vereins zu verhindern.

Kontinuierlicher Neuaufbau bis zum Aufstieg 1997
Ein kontinuierlicher Neuaufbau war angesagt. Mit Titel Raduta wurde der erste ausländische Spieler verpflichtet. Ein Volltreffer! Die Torgarantie aus dem rechten Rückraum über Jahre. Ein Sportsmann vom Scheitel bis zur Sohle! (Später zum Spieler des Jahrzehnts gekürt!) Die Troika Seidenzahl (Präsident), Dröge (Manager) und Osmann (Trainer) bestellte das Feld und erntete auch. Im Jahr 1997 dann die Sternstunde! Jürgen „Bongo“ Beck führte als 37-jähriger Kapitän den ThSV Eisenach (mit Jörn Schläger, Uwe Schreiber, Zdenek Vanek)  in die 1. Handballbundesliga. Eisenach, ganz Thüringen standen Kopf. Das mdr-Fernsehen änderte sein Samstagabend-Programm, berichtete live aus Eisenach. Mit einer atemberaubenden Serie von 53:1 Punkten vollbrachten Rainer Osmann und seine Schützlinge das Wunder. Die inzwischen den Namen von Werner-Aßmann tragende Halle  wurde unter Leitung des ortsansässigen Architekturbüros Backofen/Seidenzahl in kürzester Zeit auf 3.100 Zuschauerplätze erweitert. Die ersten beiden Heimspiele trug der ThSV Eisenach  in der Messehalle Erfurt aus. Ein organisatorischer Kraftakt! Dort auch der erste Sieg – Dank 10 Treffern des isländischen Kubaners Julian Duranona über den TV Großwallstadt.
Obwohl als Absteiger Nummer 1 abgestempelt; die „graue Maus von der Wartburg“ spielte sieben Jahre im Oberhaus. Karsten Wöhler, der heutige Manager, kam vom THW Kiel, wurde immer wiefder als der „kampfstärkste Linksaußen der Liga“ genannt. Selbst internationale Spitzenkönner wie Preben Vildalen, Frode Scheie, Eric Amalou und natürlich Stephane Joulin streiften sich das Eisenacher Trikot über. Stephan Just und später Stefan Kneer reiften zu Bundesligaspielern. Unvergessen die Heimsiege gegen den THW Kiel und den SC Magdeburg. Die Halle schien abzuheben. „Osse, reg` Dich doch nicht auf“, raunte ein gewisser Stefan Kretzschmar Eisenachs Trainer zu. Kurz darauf spielte ihn ein Stephane Joulin regelrecht schwindlig, der Weltklasse-Spieler, heute als  SPORT 1-Experte und im Management  des SC DHfK Leipzig, ließ sich resignierend auswechseln.  Der ThSV Eisenach eroberte zwei Punkte! Mit Rang 10 und einer ausgeglichenen Punktebilanz unter Trainer Peter Rost wurde die beste Platzierung erreicht. „Arbeiter“ und Kämpfer  wir Till Bitterlich, Jörn Schläger, Preben Villdalen (das „Kampfschwein“) und Karsten Wöhler  ergänzten sich mit Eric Amalou, Havard Augensen, Frode Scheie, Dragan Jerkovic  und den anderen.
Doch der ThSV Eisenach war im Jahr 2003 in eine finanzielle Schieflage geraten. Durch Vergleiche mit Gläubigern konnte der Fortbestand gesichert werden. Eine Umstrukturierung, Verein und Marketing GmbH folgten.  Der Unternehmer Günter Oßwald, bereits seit vielen Jahren an der Seite des ThSV Eisenach, übernahm Verantwortung als Aufsichtsratsvorsitzender. Zahlreiche Spieler verließen den Verein. Im Jahr 2004 endeten sieben Jahre Erstklassigkeit.

Nach „kleinen Brötchen“ wieder 1. Liga
Und wieder galt es einen Neuanfang zu packen, zunächst „kleine Brötchen zu backen“. Nicht jeder war dabei. Die Zuschauerzahlen sanken unter die 1.000-Marke. Hans-Joachim Ursinus sprang noch einmal als Trainer ein, brachte das ThSV-Schiff in ruhiges Fahrwasser. „Verlorene Söhne“ wie Benjamin Trautvetter, Christoph Jauernik und Nick Heinemann waren zurückgekehrt. Im Jahr 2009 übernahmen Gero Schäfer als Präsident und kurz darauf Karsten Wöhler als Geschäftsführer und Sportlicher Leiter der Marketing GmbH die Geschicke. Mit ihnen zog ein frischer Wind ein. Adalsteinn Eyjolfsson führte als Trainer die Mannschaft um Kapitän Benjamin Trautvetter und dem Dienstältesten Daniel Luther (seit 1998 im Verein) in die eingleisige 2. Handballbundesliga. Tomas Sklenak und Girts Lilienfelds waren tragende Säulen. Dem Aufstieg in die DKB Handball-Bundesliga im Sommer 2013 folgte aufgrund einer Vielzahl von langzeitverletzten Stammkräften postwendend der Abstieg. Der rasche Rückkehr stand auf der Agenda. Der Saisonstart entsprach dem nicht. Mit Velimir Petkovic übernahm im Oktober 2014 ein erfahrener Erstligatrainer das Sagen. Er führte das Team zurück in die Beletage des deutschen Handballs. Mit personell umgekrempelter Mannschaft soll nun der Ligaerhalt gelingen! Zudem wird der Umbau der Werner-Aßmann-Halle in Angriff genommen, um voll umfänglich die geforderten Erstligastandards vorzuweisen.

Titelfoto: Sie prägten über Jahrzehnte den Eisenacher Handball (vl.): Rainer Osmann, Matthias Allonge, Michael Dubiel, Horst Ehrhardt, Benjamin Trautvetter, Detlef Henkewl, Jürgen Beck, Bernd Fichtner, Hans-Joachim Ursinus, Uwe Schreiber

Foto 2: Karsten Wöhler war 2-mal Kapitän und ist heute Manager

Foto 3: Auch HBL-Präsident Uwe Schwenker war zur Jubiläumsfewier gekommen und wandte sich mit einem Grußwort an die Gäste

Foto 4: Seit dem Jahr 2009 Präsident des ThSV Eisenach Gero Schäfer