Löwenbändiger vom Fuße der Wartburg

Die Spieler des ThSV Eisenach tanzten ausgelassen mit ihren Fans in der Bayer-Sporthalle in Wuppertal. Als krasser Außenseiter angereist, feierten die Schützlinge von Maik Handschke einen 25:22 (10:6)-Erfolg beim Tabellen-Zweiten Bergischer HC.
Eine bärenstarke Abwehr mit einem glänzend aufgelegten Torhüter Radek Musil (parierte 25 Bälle) bildete den Sockel des Erfolges. Der Torfabrik der Liga gestatteten die Eisenacher in der kompletten ersten Halbzeit ganze sechs (!) Treffer, bis zur 46. Minute lediglich zwölf Tore (12:20.). Eisenachs Coach Maik Handschke hatte vorab drei taktische Grundzüge bei den «Bergischen Löwen» ausgemacht und sein Team darauf bestens vorbereitet.
«Mit unserer Abwehrarbeit zogen wir den Hausherren den Nerv», freute sich Maik Handschke. Kollege Raimo Wilde würdigte die Leistung der Thüringer mit keiner Silbe, sah nur im Versagen des eigenen Teams den Grund für das Resultat. «Wir entwickelten zu wenig Druck auf die Abwehr, hatten keinen Rückraum», argumentierte der BHC-Trainer und entschuldigte sich bei den bitter enttäuschten eigenen Fans. Die Eisenacher glänzten aber nicht nur in der Abwehr, überzeugten auch im Angriff mit einer disziplinierten Spielweise. «Wir haben bei eigenem Ballbesitz das Tempo variiert. Weniger Tempo, weniger Fehler, das ging voll auf. Wir haben geduldig unsere Angriffe ausgespielt und konsequent abgeschlossen», konstatierte ein gelöster ThSV-Coach. Jeder im Eisenacher Team erfüllte seine Aufgabe, auch wenn er «nur» für Abwehraufgaben (Emmelmann) eingewechselt wurde. Den Eisenachern gelang quasi ein Start – Ziel -Sieg. Lediglich beim 5:5 (17.) erreichte der mit klangvollen Namen besetzte Bergische HC Gleichstand. Der ThSV Eisenach war Chef auf dem Parkett! Ex-Auswahltorhüter Chrischa Hannawald hatte sich sein Abschiedsspiel beim Bergischen HC gewiss anders vorgestellt. «Der Mann mit den kurzen Hosen im Tor» beendet eine Aushilfsaktion. Die Bälle von Eisenachs Tomas Sklenak und Daniel Luther zischten an ihm vorbei ins Tor. Daniel Luther, mit Beginn der zweiten Halbzeit im linken Rückraum aufgeboten, brillierte mit knallharten und platzierten Würfen. Die BHC-Abwehr konzentrierte sich auf Pavel Prokopec und Tomas Sklenak, hatte Daniel Luther nicht auf der Rechnung. Daniel Luther wuchtete auch zum 12:20 (46.) ein. Dann offenbarte sich Eisenachs derzeitiges Manko, das eigene Überzahlspiel. «Das war eine Katastrophe», behielt Maik Handschke trotz der Freude über den unerwarteten Auswärtssieg den Blick für die Schwachstelle. In Überzahl kassierten die Eisenacher zwei Treffer. Die Gastgeber öffneten ihre Abwehr, starteten nach Ballgewinnen zu temposcharfen Angriffszügen, abgeschlossen von Mannschaftskapitän Sebastian Hinze über den Kreis zum 17:20 (53.). Das Publikum, gegenüber der eigenen Mannschaft ausgesprochen reserviert, diese sogar mit einem Pfeifkonzert in die Pause verabschiedet, schien zu erwachen. Doch die Eisenacher behielten den Kopf oben. Pavel Prokopec, Eisenachs Angriffs- und Abwehrchef, konnte nur regelwidrig gestoppt werden. Obwohl in der ersten Halbzeit das Leder vom ominösen Punkt im Duell mit Chrischa Hannawald über den Kasten gejagt, bewies er jetzt Nervenstärke, ließ dem ehemaligen Auswahlkeeper beim 17:21 (54.) keine Chance. Die Eisenacher ließen nichts mehr anbrennen, hatten auf Treffer der Gastgeber mit eigenen Torerfolgen stets die richtige Antwort parat: das 18:22 durch eine Sklenak-Fackel (56.), das 19:23 durch den von Rechtsaußen zur Mitte eingelaufene Martin Hoffmann und das von Benjamin Trautvetter im Nachfassen erzielte 20:24 (jeweils in der 58.Min.). «Letztlich gelang uns nach dem klaren Rückstand nur noch Kosmetik», bekannte BHC-Trainer Raimo Wilde.
Und auch das hatte ursächlich mit der Leistung der Eisenacher zu tun; auch, wenn es dem BHC-Trainer nicht über die Lippen kam. Daniel Luther sorgte mit seinem 7. Treffer (alle in der zweiten Halbzeit!) für den Schlusspunkt der Partie und das Ende einer schier endlosen Serie. Der ThSV Eisenach hatte noch nie ein Punktspiel, ob in der ersten oder zweiten Bundesliga, in Wuppertal gewonnen. Aber jede Serie hat einmal ein Ende.

Torfabrik der Liga matt gesetzt
Die Eisenacher, zunächst mit Alexander Schiffner auf Linksaußen, ansonsten in der Stammformation der jüngsten Zeit, begannen kess und couragiert. Tomas Sklenak schickte Chrischa Hannawald nach exakt 100 Sekunden beim 0:2 in die falsche Ecke. Eisenachs Abwehr zeigte sich von Beginn bestens präpariert. Die Hausherren versuchten immer wieder Übergänge mit zwei Kreisläufern. Die Eisenacher unterbanden das im gesamten Spielverlauf, brillierten mit einer kompakten und zumeist sauberen Abwehrarbeit, im Zusammenspiel mit Torhüter Radek Musil, der das Duell mit den BHC-Schlussleuten Chrischa Hannawald und Mario Hunstock um Längen für sich entschied. Philipp Emmelmann und Daniel Luther lösten in der ersten Halbzeit vielfach Benjamin Trautvetter und Girts Lilienfelds für Abwehraufgaben ab. Alexander Schiffner versenkte nach Tempogegenstoß zum 1:4 (7.). BHC-Torjäger Jens Reinarz und Kapitän Sebastian Hinze trafen über den Kreis zum 5:5 (17.). Die Eisenacher stutzten die Krallen des Löwen-Rückraums kräftig. Weder Joey Duin noch Alexander Oelze fanden passende Rezepte, um die bestens eingestellte Abwehr der Gäste zu knacken. Nach dem 5:5 landete bis zum Seitenwechsel nur noch ein einziger Ball im ThSV-Kasten! Mit Eleganz ließ Pavel Prokopec das Leder zum 5:7 (20.) ins Netz gleiten, traf durch Hannawalds Beine zum 6:9 (25.). Kurz zuvor meisterte ThSV-Keeper Radek Musil einen Siebenmeter von Alexander Oelze. Als «verkappter Linksaußen» überlistete Tomas Sklenak BHC-Torhüter Chrischa Hannawald mit einem Ball ins kurze Eck (6:10, 29.).

Daniel Luther – Alptraum für die Bergischen Löwen
Der zur Halbzeitpause eingewechselte ehemaligen Junioren-Auswahltorhüter Mario Hunstock fand gegen die Eisenacher Würfe kein Rezept. ThSV-Coach Maik Handschke bewies mit seinen personellen Wechseln das richtige Gespür. Daniel Luther kam im linken Rückraum, Tomas Sklenak wechselte in den rechten Rückraum und Girts Lilienfelds auf Rechtsaußen. Daniel Luther wuchtete binnen zehn Minuten 5 Bälle ins BHC-Gehäuse (10:17, 40.). Chrischa Hannawald kehrte ins BHC-Gehäuse zurück. An der Rollenverteilung auf dem Parkett änderte sich nichts. Der mit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga liebäugelnde Gastgeber wirkte konsterniert und sogar hilflos. Völlig unbedrängt gleitet ein Zuspiel ins Seitenaus (40.). Der Rückraum der Gastgeber biss sich an der sattelfesten 6:0-Abwehr der Eisenacher die Zähne aus. Kam dennoch ein Wurf auf das Eisenacher Tor, stand dort mit Radek Musil ein Meister seines Fachs. Tschechiens Auswahlspieler Jiri Vitek im BHC-Rückraum verzweifelte an seinem Landsmann. Eisenachs Kreisspieler Benjamin Trautvetter löste sich im Fallen aus der Umklammerung und drückte das Leder zum 11:19 (43.) über die Linie. Die kleine aber lautstarke Anhängerschar aus Thüringen übertönte längst die einheimische Kulisse. Die «Eisenach-Eisenach»-Rufe schallten durch das Rund. Daniel Luther wuchtete zum 12:20 (46.) ein. Fünf Treffer in Folge (17:20, 53.) ließen bei den Gastgebern Hoffnungen keimen. Die Eisenacher ließen sich die Butter nicht vom Brot nehmen. Ihre Trümpfe stachen auch in der Schlussphase.

Vorfreude auf das ewig junge Traditionsderby
Am Samstag, 21.03.09 feiert die Eisenach das größte deutsche Frühlingsfest. Am Abend steigt in der Werner-Aßmann-Halle der Handball-Klassiker zwischen dem ThSV Eisenach und dem EHV Aue. Ein rundherum gelungener Festtag soll es für die Wartburgstadt werden, mit einem Handballerfolg des ThSV Eisenach im ewig jungen Traditionsderby ab 19.30 Uhr. Tickets sind bereits im Vorverkauf erhältlich.

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Statistik

Bergischer HC: Hannawald, Huhnstock; Fuchs, Nippes (1), Hoße, Vitek (2), Hinze (5), Kiev (1), Selmanovic, Kluge (3), Duon (1), Oelze (2), Reinarz (7/1),

ThSV Eisenach: Musil, Krüger; Hoffmann (1), Trautvetter (4), Sklenak (7), A. Wöhler, Luther (7), Emmelmann, Schiffner (1), K. Wöhler, Lilienfelds (1), Prokopec (4/2)

Siebenmeter: Bergischer HC 2/1; ThSV Eisenach 3/2

Zeitstrafen: Bergischer HC 4 x 2 Min; ThSV Eisenach 3 x 2 Min.

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