ThSV Eisenach belohnt sich nicht

In einem packenden thüringisch-hessischen Nachbarschaftsvergleich bot der ThSV Eisenach ohne fünf verletzte oder erkrankte Stammkräfte gegen die HSG Wetzlar vor knapp 2.000 Zuschauern, darunter der einst auch für Motor Eisenach auflaufende Ex-Nationalspieler Karl-Heinz Rost (bester Spieler der WM 1970), eine starke spielerische und kämpferische Leistung, dominierte auch über weite Strecken, führte zur Halbzeit mit 14:11, hatte in Dener Jaanimaa (10 Treffer) einen überragenden Shooter, musste nach einem Herzschlagfinale den Hessen beim 27:28 jedoch beide Zähler überlassen. «Unser Sieg war unverdient. In einem Krimi haben wir überaus glücklich gewonnen», gestand Kai Wandschneider, der Coach der HSG Wetzlar. Mit diesem Doppelpunktgewinn beseitigten die Hessen letzte Zweifel über ein weiteres Jahr Beletage des deutschen Handballs. Seit 1998 gehören sie nunmehr ununterbrochen dem Oberhaus an, in dem der ThSV Eisenach auch von 1997 bis 2004 spielte, im Sommer des letzten Jahres die Rückkehr in die 1. Liga feierte. Weshalb es nur ein einjähriges Intermezzo wird, zeigten die sechzig Minuten gegen die HSG Wetzlar erneut. Der Aufsteiger von der Wartburg agiert mit dem Großteil der Konkurrenz auf Augenhöhe, doch ihm fehlt die Abgeklärtheit, die Cleverness, um am Ende auch auf der Habenseite etwas zu verbuchen. «Wir waren zu unclever. In der entscheidenden Phase unterliefen uns zwei technische Fehler», erklärte Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson. Der ThSV Eisenach belohnte sich nicht selbst! Schon zur Pause hätte er wesentlich deutlicher führen müssen. Den Außen fehlte die Treffsicherheit der Rückraumspieler Aivis Jurdzs und Dener Jaanimaa. «Mit unserer Wurfquote im ersten Abschnitt machten wir uns das Leben selbst schwer», merkte Adalasteinn Eyolfsson selbstkritisch an.
Die neue Abwehrvariante wurde über weite Strecken bestens umgesetzt. Adalsteinn Eyjolfsson sprach von Struktur und Aggressivität. «Doch unsere Torhüter hätten zwei bis vier Bälle mehr halten müssen», ergänzte der Isländer in Diensten der Thüringer. Beide Schlussleute, Rene Villadsen und Stanislaw Gorobtschuk, parierten zusammen nur fünf Bälle. Rene Villadsen konnte nicht an die grandiose Leistung vom jüngsten Auswärtsspiel in Hamburg anknüpfen.

ThSV Eisenach dominiert Dank der Treffsicherheit von Jurdzs und Jaanimaa
«Wir fanden gegen Eisenachs 3:2:1-Abwehrvariante da zunächst keine Lösungen», räumte Kai Wandschneider ein. «Wir verloren immer wieder die Zweikämpfe». Nationalspieler Kevin Schmidt, vom öffentlichen Gezerre über das Ende seines Engagements bei der HSG Wetzlar wahrscheinlich beeinträchtig, blieb äußerst blass. «Das war nicht der Kevin Schmidt, den ich kenne», erklärte Kai Wandschneider auf Nachfrage zur Pressekonferenz. Der Trainer der Hessen war aber auch mit seiner Defensive unzufrieden. Eisenachs Offensive, von Tomas Sklenak geführt, trumpfte im ersten Abschnitt groß auf, allerdings ohne die letzte Konsequenz beim Torwurf. Neben den langzeitverletzten Rückraumspielern Girts Lilienfelds, Hannes Jon Jonsson und Daniel Luther fehlten mit Nick Heinemann und Faruk Vrazalic (beide erkrankt) gleich beide Linkshänder für die Rechtsaußenposition. ThSV-Coach Adalsteinn Eyjolfsson war stark zum Improvisieren gezwungen, seine personellen Alternativen arg limitiert. Adrian Wöhler begann auf Rechtsaußen. Im ersten Abschnitt wurden die Ausfälle spielerisch bestens kompensiert, profitierten die Gastgeber von der Treffsicherheit von Aivis Jurdzs und Dener Jaanimaa. Nach dem 4:4-Ausgleich der Gäste durch den Ex-Eisenacher Evars Klesniks (12.) brannten die Eisenacher ein imposantes Angriffsfeuerwerk ab. Adrian Wöhler traf per Tempogegenstoß zum 7:4 (15.). Sich bis zur Halbzeitpause entscheidend abzusetzen, gelang allerdings nicht.

Griff der Hessen in die Taktikkiste: Ivano Balic als Abwehrspezialist
«Erst die Umstellung auf eine 5:1-Variante sorgte für mehr Stabilität», bekannte Wetzlar-Coch Kai Wandschneider. Er beorderte Weltstar Ivano Balic als «Indianer» vor die eigene Deckung. Dessen Qualität, ein Spiel lesen zu können, zahlte sich für die Gäste aus. Eisenachs Angriffsmotor kam ins Stottern. Die Hausherren büßten eine 16:12-Führung (33.) ein und sahen sich nach einem Balic-Treffer gar mit 18:19 im Rückstand (41.). Adrian Harmandic hatte zudem mit Erfolg die Rolle des Spielgestalters bei der HSG Wetzlar übernommen. Die Antwort der Thüringer hieß ihr Spanier Mikel Aguirrezabalaga Garcia. Auf das Parkett gekommen, sorgte er sofort für frischen Wind und für Torgefahr, traf selbst zum 19:19 (42.) und 20:19 (44.). Die Gastgeber hatten wieder Oberwasser. Der in Angriff und Abwehr zu den besten Eisenachern zählende Nicolai Hansen vollendete von der Kreismitte zum 21:20 (45.) und Dener Jaanimaa wuchtete aus dem Rückraum zum 22:20 ein (47.). Auch eingangs der Zielgeraden, nach zwei weiteren Treffern von Mike Aguirrezabalga Garcia (insgesamt vier Torerfolge), lag der ThSV Eisenach mit 24:22 vorn (50.).

Herzschlagfinale mit überaus glücklichem Sieg der Hessen
Dann stellten die cleveren Hessen gleich zwei Mal die «Wurffalle». Eisenachs «Ersatz-Außen» Branimir Koloper, in der Abwehr gewohnt stark, scheiterte von Rechtsaußen am ab der 41. Minute den Gästekasten hütenden Magnus Dahl. Mit Barki Elisson auf Links- und Adrian Wöhler auf Rechtsaußen ging es dann in die letzten fünf Minuten. Adrian Harmandic hatte gerade zum 25:25 ausgeglichen. Aivis Jurdzs wuchtete eine Feiwurfablage schlitzohrig zur erneuten Eisenacher Führung ein (26:25, 56.). Adrian Harmandic, letztlich der entscheidende Mann im zweiten Abschnitt in der Offensive der Gäste, glich erneut aus (26:26, 56.). Tomas Sklenak unterlief ein technischer Fehler, Kent Robin Tönnesen brachte mit seinem sechsten Treffer die HSG Wetzlar mit 26:27 in Führung. Einen schwer zu kontrollierenden Ball versenkte Nicolai Hansen fast von Rechtsaußen zum 27:27-Ausgleich (59.). Überaus abgeklärt gestalteten die Hessen ihr Finish, ließen das Leder lange durch die eigenen Reihen laufen, brachten Tobias Hahn in Wurfposition, der von Rechtsaußen zum 27:28 einnetzte. Da waren noch 28 Sekunden zu absolvieren. Den letzten Eisenacher Wurf, von Dener Jaanimaa unter Bedrängnis abgezogen, meisterte der Wetzlaer Schlussmann Magnus Dahl. Die Hessen auf dem Parkett und ihr mitgereister Anhang auf den Rängen jubelten ausgelassen. Die Eisenacher konnten die Früchte ihrer Arbeit – mal wieder – nicht ernten. Das wird auch den Ausschlag dafür geben, dass der Traditionsverein nach einem Jahr das Handballoberhaus wieder verlassen muss.

ThSV Eisenach gastiert am Freitag bei der MT Melsungen
Doch zunächst steht bereits am Freitag, 28.03.2014 der nächste hessisch-thüringische Nachbarschaftsvergleich auf dem Punktspielprogramm. Die MT Melsungen ist in Kassel (Rotenbach-Halle) um 19.45 Uhr Gastgeber.

Statistik

ThSV Eisenach: Villadsen, Gorobtschuk, Trabert; Trautvetter (3/1), Elisson, Sklenak (1), Wöhler (2), Jurdzs (5), Pucelj, Jaanimaa (10), Hansen (2), Aguirrezabalaga (4), Koloper

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HSG Wetzlar: Wolff, Dahl; Schmidt, Prieto (1), Tiedtke (2), Tönnesen (6), Reichmann (3/3), Laudt (1), Fäth (4), Hahn (1), Bliznac (1), Harmandic (5), Balic (2), Klesniks (2)

Zeitstrafen: ThSV Eisenach 3 x 2 Min. – HSG Wetzlar 4 x 2 Min.

Siebenmeter: ThSV Eisenach 2/1 – HSG Wetzlar 5/3

Schiedsrichter: Fleisch/Rieber

Zuschauer: 1950

Beste Spieler: ThSV Eisenach: Jaanimaa, Jurdzs
HSG Wetzlar: Harmandic, Balic

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