ThSV Eisenach überrollt Angstgegner Concordia Delitzsch

Freudenhaus Werner-Aßmann-Halle: Eisenachs Adrian Wöhler erwischt eine Steilvorlage, bedrängt vom heraus geeilten Delitzscher Keeper und einem Abwehrspieler, im zweiten Zugreifen am Eckpunkt (!) und zirkelt das Leder von der Grundlinie (!!) zum 32:22 (50.) ins Netz. «Das geilste Tor der letzten Jahre. Allein diese Zaubereinlage war das Eintrittsgeld wert», schwärmte ThSV-Coach Hans-Joachim Ursinus. Zweifellos das Sahnehäubchen eines Eisenacher Handballspektakels, einer beeindruckenden Vorstellung.

Mit einer Leistungsexplosion wurde Angstgegner Delitzsch beim 38:28 (20:15) regelrecht demontiert. «Diese Partie hat gezeigt, welch Potential in der Mannschaft steckt», unterstrich Eisenachs Trainer, der mit einer Deckungsumstellung das richtige Gespür bewies. Nach dem 8:10-Rückstand (14.) ordnete er eine defensive 6:0-Variante an. Mit durchschlagendem Erfolg von seinen Mannen praktiziert. Die Eisenacher machten hinten dicht. Da waren auch ihre ehemaligen Mannschaftskollegen in den Reihen der Sachsen, Till Riehn und Philipp Seitle, mit ihrem (Handball-) Latein am Ende. «Flink wie die Hasen eilten wir zurück und standen dann in der Abwehr wie die Bären», befand Eisenachs Trainer Hans-Joachim Ursinus. Mit Radek Musil wussten die Eisenacher erneut einen exzellenten Keeper hinter sich, der 20 Bälle, darunter drei Strafwürfe, parierte. Concordia Delitzsch traf nur selten auf eine ungeordnete Abwehr. Das lag aber auch an der Eisenacher Offensive mit einer Wurfeffizienz von 65 Prozent.
Steile Anspiele auf die Halbpositionen deckten die Schwächen der Gästeabwehr auf. Tomas Sklenak zog immer wieder scharf und platziert, wie bei seinem Treffer zum 18:14 (29.), ab, versenkte 13 (!) Bälle im Delitzscher Gehäuse. Martin Hoffmann (7 Treffer) überzeugte mit Kaltschnäuzigkeit beim Torwurf von Rechtsaußen. «Er hat bewiesen, wie wichtig er für die Mannschaft sein kann», zollte Hans-Joachim Ursinus dem zuletzt in der Kritik stehenden Mann von der Waterkant Anerkennung. Pavel Prokopec startete energisch durch, markierte das vorentscheidende 24:16 (38.). Girts Lilienfelds, erst am Vorabend von Länderspielaufgaben mit Lettland zurückgekehrt, zerrte immer wieder an den Ketten. (Gleich nach dem Abpfiff machte er sich nach Luxemburg auf, wo er am Sonntag erneut für seine Auswahl auflief.) Da wackelte dann auch der Innenblock der Delitzscher Defensive mit dem Abwehrhünen Alexander Pietzsch und Ulrich Streitenberger.
Dass Benjamin Trautvetter mit einem Pferdekuss fast die gesamte zweite Halbzeit pausieren musste, fiel kaum ins Gewicht. «Ersatz» Philipp Emmelmann traf auf Prokopec-Vorlage zum 28:19 (43.). Die Eisenacher öffneten ihre Trickkiste, rissen die über 1550 Zuschauer bei Kempa-Treffern zu Beifallsstürmen hin.
Beim Zaubertreffer von Adrian Wöhler hielt es dann freilich keinen mehr auf den Sitzen. Mit standing ovations begleiteten die Zuschauer die letzten Minuten der Partie. Tolle Geste in den Schlussminuten: Der am Mittwoch seinen 35. Geburtstag feiernde Schlussmann Radek Musil holte den 17-jährigen Julian Krüger ins Eisenacher Gehäuse.
Der ThSV Eisenach entzauberte mit Concordia Delitzsch die Mannschaft der Stunde, den Angstgegner, der die Eisenacher in den letzten beiden Jahren so gedemütigt hatte. «Eine famose Leistung der Eisenacher zu einem auch in dieser Höhe verdienten Sieg», beglückwünschte Uwe Jungandreas, der Coach von Concordia Delitzsch, den ThSV Eisenach. «Wir sind noch eine junge Mannschaft und werden wieder aufstehen», blickte Uwe Jungandreas dennoch keinesfalls ängstlich in die Zukunft.
Für den ThSV Eisenach begann bereits am nächsten Morgen die Vorbereitung auf das am Mittwoch, 05.11.08 um 19.30 Uhr im Erzgebirge steigende Traditionsderby beim EHV Aue.

Erfolgsdruck war gewaltig
Vor der der englischen Woche, mit dem Heimspiel gegen Delitzsch und den beiden Auswärtsaufgaben in Aue (Mittwoch) und bei der SG Wallau (am Samstag in Wiesbaden) hatte der ThSV Eisenach 5:9 Punkte auf dem Konto. Eine bedeutungsvolle Partie gegen den Angstgegner und die Mannschaft der Stunde, auch mit Blick auf die ausgegebene Saisonzielstellung. Während der Woche fanden viele Gespräche statt. Diesen folgten Taten. «Handball ist eine Mannschaftssportart. Nur wenn jeder seine Stärken für den Gesamterfolg einbringt, sind wir als Mannschaft erfolgreich», unterstrich Tomas Sklenak nach dem Abpfiff. Das Rotieren der tschechischen Rückraumspieler Tomas Sklenak und Pavel Prokopec zwischen der Regieposition und dem linken Rückraum verleiht dem Angriffsspiel neue Impulse, könnte das Fehlen eines «klassischen Regisseurs» mehr als nur kompensieren. Die Leistung gegen Delitzsch hat es eindrucksvoll gezeigt.

Deckungsumstellung brachte die Wende zugunsten des ThSV Eisenach
Concordia Delitzsch, mit den Ex-Eisenachern Till Riehn in der Regierolle und Philipp Seitle im rechten Rückraum, begann nach 8:0-Punkten in Folge ausgesprochen selbstbewusst. Zwei Schlagwürfe Marke Philipp Seitle zischten zum 2:3 (6.) ins Netz. Eisenachs Abwehr lud mit großen Räumen die Gäste zu schwungvollen Angriffszügen mit Einlaufen zum Kreis ein. Für Feuer unter dem Hallendach sorgten die jungen Unparteiischen Robert Schulze/Tobias Tönnis (Magdeburg/Dodendorf), die mit unterschiedlichen Auslegungen zu höchst umstrittenen Entscheidungen kamen. Philipp Seitle nutzte zwei Strafwürfe für Delitzsch zum 3:6 (9.). Beim ThSV Eisenach explodierte von Beginn Tomas Sklenak aus dem Rückraum. Kein Halten gab es gegen den Blondschopf (6:8, 11.). Martin Hoffmann behauptete sich trotz Foulspiels von Philipp Seitle im Sprintduell zum 7:8 (12.). Schlag auf Schlag ging es weiter: Neunzehn Treffer bis zur 14. Minute (9:10.). Tomas Sklenak wuchtete zum 10:10 (15.) ein. Die Deckungsumstellung fruchtete beim ThSV Eisenach. Im Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torwart gelangten die Eisenacher mit ihrer 6:0-Variante zu neuer Qualität. Eisenachs Abwehr nun ein Buch mit zu vielen Siegeln ausgerechnet für Till Riehn? Concorden Coach Uwe Jungandreas jedenfalls betraute seinen 37-jährigen Oldie Vladimir Maltsev, der berufsbedingt kaum noch trainieren kann, mit der der Rolle des Spielgestalters. Girts Lilienfelds warf den ThSV Eisenach beim 12:11 (18.) erstmals in Führung. Kurz darauf kochte die Volksseele. Statt einer Entscheidung auf Stürmerfoul zeigten die Referees auf den ominösen Punkt. Siebenmeter für Delitzsch. Doch Eisenachs Keeper Radek Musil kaufte dem Torjäger Nummer 1 der Liga, Martin Hummel, das Leder ab. Das Signal für den ThSV Eisenach zu einer Galavorstellung! Da nutzte es nichts, dass Delitzsch Eisenachs torgefährlichen Kreisspieler Benjamin Trautvetter bestens abschirmte. Pavel Prokopec hat sich an den Kreis «gemogelt» und versenkte zum 13:11 (19.). Keeper Radek Musil roch bei einem Seitle-Trickwurf vom Punkt den Braten (24.). Der gerade auf Linksaußen eingewechselte Adrian Wöhler versenkte zum 17:14 (27.). Auf die Schlagwürfe von Philipp Seitle hatte sich Eisenachs Abwehr längst eingestellt. «Philipp Seitle lebt von seinem Selbstbewusstsein. Zappeln seine Schlagwürfe nicht, rutscht das Selbstbewusstsein in die Knie», so sein Trainer Uwe Jungandreas zum 22-Jährigen, der einst mit der A-Jugend des ThSV Eisenach (gemeinsam mit Trauvetter, Jauernik) im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft nur hauchdünn dem SC Magdeburg den Vortritt lassen musste. Vor Selbstbewusstsein strotzte indes Eisenachs Tomas Sklenak. Beispiel? Thomas Oehlrich markierte sieben Sekunden vor der Halbzeitsirene den 16. Treffer für Delitzsch. Alles bereit zur Pause? Mitnichten! Tomas Sklenak startete durch, schmetterte mit seinem 8. Treffer zum 20:16 noch ein.

Statistik
ThSV Eisenach: Musil, Krüger; Hoffmann (7), Trautvetter (1), Sklenak (13), A. Wöhler (4), Luther, Emmelmann (1), K. Wöhler (5/4), Lilienfelds (1), Weidner, Jauernik, Prokopec (6), Szep-Kis
Concordia Delitzsch: Pulay, Röttig; Löffler (3), Meiner (3), Kählke (1), Streitenberger, Hummel (5), Oehlrich (4), Maltsev (2), Weiß, Jakob (4), Riehn (2), Seitle (4/2), Pietzsch
Siebenmeter: Eisenach 5/4; Delitzsch 6/3
Zeitstrafen: Eisenach 6 x 2 Min.; Delitzsch 5 x 2 Min./ Rot gegen Löffler nach grobem Foul an A. Wöhler, 48.

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