Torchancen waren genug da

Der ThSV Eisenach vermochte nicht, sich selbst zu belohnen. Mit mehr Kaltschnäuzigkeit im Abschluss wäre gegen den TuS Nettelstedt-Lübbecke, einem renommierten Team aus dem Handballoberhaus, das im 24. Jahr seiner Erstligazugehörigkeit in Eisenach sein 704. Erstligapunktspiel absolvierte, durchaus Zählbares möglich gewesen. «Wir haben zu viele klare Torchancen ausgelassen», benannte Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson die Hauptursache für die 29:32 (14:17)-Niederlage. Seine Schützlinge erarbeiteten sich mit verbessertem Tempogegenstoßspiel viele hochkarätige Torchancen, doch im Abschluss haperte. Zu oft blieb U-23-Auswahlkeeper Malte Semisch im Tor der Ostwestfalen Sieger. Eisenachs schneller Linksaußen Bjarki Elisson hätte seinen sieben Treffen durchaus weitere hinzufügen können. «Malte Semisch war zweifellos einer unserer Besten», bekam der 21-jährige Schlussmann auch Lob von seinem Trainer Dirk Beuchler.

Das Angriffsspiel der Wartburgstädter stimmte. Sie erarbeiteten sich viele Torchancen. 29 Bälle zappelten im Netz. Zehn weitere hochkarätige Torchancen, darunter fünf per Tempogegenstoß und ein Siebenmeter, blieben ungenutzt. «Wir müssen cleverer werden», betonte Adalsteinn Eyjolfsson. Dem Eisenacher Coach fehlten weiterhin die langzeitverletzten Girts Lilienfelds, Branimir Koloper und Nicolai Hansen. Linksaußen Adrian Wöhler stand verletzungsbedingt nur für einen Kurzeinsatz zur Verfügung. Der im Laufe der Woche Trainings-Sonderschichten schiebende Kapitän Benjamin Trautvetter ist nach verletzungsbedingter längerer Pause von alter Qualität noch ein Stück entfernt. «Ich musste viel improvisieren, um meinen Spielern Pausen zu verschaffen», erklärte Adalsteinn Eyjolfsson.

Fiebriger Aivis Jurdzs bester Eisenacher
Die Partie war von rasantem Tempo geprägt. Aivis Jurdzs, durch eine fiebrige Erkrankung gehandicapt, lief zu großer Form auf. «Er stellte sich in den Dienst der Mannschaft, machte sein bestes Spiel im Eisenacher Trikot», bekam der Rückraumspieler, der acht Treffer markierte, ein dickes Kompliment seines Trainers. In punkto Torgefahr aus der zweiten Reihe lastete allerdings zu viel auf den Schultern des 30-jährigen Letten. Dener Jaanimaa zerrte zwar unaufhörlich an den Ketten, scheute keinen Zweikampf, fand mit seinen Würfen zu selten das Ziel. Der einen Tag zuvor verpflichtete bosnische Nationalspieler Faruk Vrazalic feierte seinen Einstand mit drei Treffern. «Ich bin mir sicher, ist er weiter integriert, wird er uns ein gehöriges Stück helfen», so Adalsteinn Eyjolfsson zum Debüt des Linkshänders. Er ist inzwischen die sechste Neuverpflichtung des ThSV Eisenach nach dem Aufstieg in die DKB Handball-Bundesliga.
Die von beiden Seiten ausgesprochen fair geführte Partie hatte in Sebastian Grobe und Adrian Kinzel zwei unauffällige sichere Referees.

Eisenacher Durststrecke kurz vor der Halbzeitpause
Beide Teams suchten von Beginn den schnellen Abschluss. Zwölf Treffer binnen sieben Minuten führten zum 6:6 (7.). Die Eisenacher operierten zunächst mit einem doppelten Angriffs- und Deckungswechsel. Tomas Sklenak und Daniel Luther lösten in der Abwehr Hannes Jon Jonsson und Dener Jaanimaa ab. «Wir agierten in der Deckung zu brav, kassierten nach dem eigenen Torerfolg zu schnelle Gegentore, oftmals über die Mitte», befand Adalsteinn Eyjolfsson. «Wir haben in der Deckung nicht richtig aufgepasst», kritisierte auch TuS-Trainer Dirk Beuchler seine Defensivleistung und reagierte. Er stellte frühzeitig im Deckungsinnenblock um, beorderte zudem den jungen Malte Semisch für Routinier Nikola Blazicko ins Tor. Zwei Maßnahmen, die sich über die Distanz auszahlen sollten. Im nur bei eigenem Ballbesitz auf das Parkett kommenden 186-fachen norwegischen Nationalspieler Frank Löke hatten die Ostwestfalen einen vorzüglichen Kreisläufer. «Vielleicht der beste Angriffskreisspieler Europas», hatte Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson dem 33-jährigen Norweger schon im Vorfeld ein besonders Qualitätssiegel zugedacht. Dank der Treffsicherheit von Aivis Jurdzs bekamen die Eisenacher leichtes Oberwasser. Aus der Bewegung kommend zog er zum 8:7 ab (11.). Eisenachs Abwehr stabilisierte sich im Zentrum. Die Gäste griffen zu Ballstafetten zu den Außenpositionen. Mit seinem fünften Treffer glich Aivis Jurdzs zum 10:10 aus (17.). Bjarki Elisson brachte den ThSV Eisenach von Linksaußen mit 11:10 in Führung, hatte wenige Sekunden später das 12:10 auf der Hand, brachte aber das Leder nach einem Tempogegenstoß nicht an TuS-Schlussmann Malte Semisch vorbei (18.). Mit verschiedenen personellen Wechseln, Tomas Sklenak löste Dener Jaanimaa im rechten Rückraum ab, Benjamin Trautvetter kam im Angriff für Peter Pucelj am Kreis, versuchte Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson Einfluss zu nehmen. Daniel Luther zog erfolgreich zum 13:12 ab (24.). Tomas Sklenak versenkte per Tempogegenstoß zum 14:13 (25.), wurde dafür und sein 284. Pflichtspiel, das ihn zum Rekordspieler des ThSV Eisenach werden ließ, kräftig mit Beifall bedacht. Doch es folgte ein fünfminütiger Hänger, den die Gäste zu einer Weichenstellung nutzten. Die Thüringer fabrizierten überhastete Würfe, die Ostwestfalen zogen ihr kreuzgefährliches Konterspiel zum 14:17-Halbzeitstand auf.

Endstation: TuS-Keeper Malte Semisch
Der ThSV Eisenach blies mit Wiederanpfiff zur Aufholjagd. Nach Regelwidrigkeit an Aivis Jurdzs verwandelte Nick Heinemann den fälligen Siebenmeter schnörkellos, trafen Bjarki Elission von Linksaußen und Aivis Jurdzs energisch aus dem Rückraum marschierend zum 17:18 (35.). Dann scheiterte Bjarki Elisson nach Tempogegenstoß und Nick Heinemann von der Siebenmeterlinie an TuS Keeper Malte Semisch. Im zweiten Abschnitt profitierten die Gäste auch von ihren körperlichen Vorteilen. In der Rückraumbesetzung mit Drago Vukovic, Jens Schöngarth und Arne Niemeyer setzten die Gäste die Hausherren unter Druck. «Wir bekamen das Spiel unter Kontrolle, hatten es im Griff», reflektierte TuS-Trainer Dirk Beuchler die Etappe vom 18:20 (38.) zum 18:25 (42.). Die Abwehr der Gäste blockte die Eisenacher Wurfversuche oder spätestens beim Torhüter war Endstation. Die Gastgeber stellten auf eine offensiv ausgerichtete jugoslawische 3:2:1-Abwehrvariante um. «Wir wollten das Spiel beschleunigen», begründete Adalsteinn Eyjolfsson diese Maßnahme. Im Zusammenspiel mit einem sich steigernden Rene Villadsen im Tor kamen die Wartburgstädter bis auf drei Treffer heran (23:26, 50.). «Doch wir behielten die Ruhe. Ich kenne noch aus meiner eigenen aktiven Zeit die besondere Atmosphäre in Eisenach. Wir erarbeiteten uns Torchancen und vollendeten», freute sich TuS-Trainer Dirk Beuchler, der die vorzeitige Anreise nach Eisenach mit der Inanspruchnahme eines Stundenhotels als unterstützende Maßnahme würdigte. Frank Löke und Tim Remer versenkten zum 26:31 (58.). Die Vergabe der Punkte war entschieden.

«Ein sehr, sehr wichtiger Sieg für uns», unterstrich Dirk Beuchler. Dessen Team und die mitgereisten Fans tanzten ausgelassen nach dem Abpfiff. Gabor Langhans, der Ex-Eisenacher im Trikot des TuS Nettelstedt-Lübbecke, verfolgte die Partie nur von der Wechselbank. «Gabor hatte im Vorjahr eine ausgezeichnete Saison beim Zweitligisten Rostock gespielt. Er integriert sich gut, trainiert gut. Er muss allerdings noch mutiger werden, im Angriff zulegen, dann wird er auch seine Einsatzzeiten bekommen», erläuterte Dirk Beuchler.
«Wenn wir unsere herausgespielten Tormöglichkeiten nutzen, haben wir auch gegen ein etabliertes Team wie den TuS Nettelstedt-Lübbecke Chancen. Wir sind Aufsteiger und halten gut mit. Wir steigern uns Woche für Woche, müssen cleverer und abgeklärter werden», fasste Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson das Geschehen zusammen.

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Statistik

ThSV Eisenach: Villadsen (12 Paraden/ 28 Gegentore), Gorobtschuk (0 Paraden/ 4 Gegentore); Trautvetter, Elisson (7), Sklenak (2), Wöhler, Jurdzs (8), Jonsson (3/1), Luther (2), Pucelj (1), Jaanimaa (1), Vrazalic (3), Heinemann (2/2)

TuS Nettelstedt-Lübbecke: Blazicko (3 Paraden/ 9 Gegentore), Semisch (13 Paraden/ 20 Gegentore); Gustafsson (2), Loke (6), Vukovic (2), Wilke (7/2), Langhans, Tauabo, Pajovic (3), Niewrzawa. Schubert (2), Niemeyer (2), Schöngarth (6), Remer (2)

Siebenmeter: ThSV Eisenach 4/3 (Heinemann verwandelt 1 x gegen Blazicko und 1 x gegen Semisch und scheitert 1 x an Semisch; Jonsson verwandelt 1 x gegen Semisch)
TuS Nettelstedt-Lübbecke 2/2 (Wilke verwandelt 2 x gegen Villadsen)

Zeitstrafen: ThSV Eisenach 2 x 2 Min. (Luther und Vrazalic je 2 Min.) TuS Nettelstedt-Lübbecke 2 Min. (Schöngarth)

Zuschauer: 2320

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