Tätigkeitsbericht der Parlamentarischen Kontrollkommission des Thüringer Landtags

Der stellvertretende Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission, Herr Abgeordneter Heiko Gentzel (SPD), erstattet in der heutigen Sitzung des Thüringer Landtags den Tätigkeitsbericht der Parlamentarischen Kontrollkommission, welcher sich auf den Zeitraum seit Juni 2012 erstreckt. In diesem Zeitraum trat die Kommission zu insgesamt 23 Sitzungen zusammen. Die Parlamentarische Kontrollkommission hat den gesetzlichen Auftrag, die Landesregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz zu kontrollieren. Sie hat sich auch zur Erfüllung der ihr neu zugewiesenen Aufgaben eine neue Geschäftsordnung gegeben und tritt nunmehr in der Regel monatlich statt vierteljährlich zu Sitzungen zusammen.

Schwerpunkte der allgemeinen Kontrolltätigkeit waren einmal mehr die Aktivitäten des NPD-Landesverbandes Thüringen und der NPD-Kreisverbände sowie der sog. freien Kräfte. Daneben standen im Rahmen des ausländerextremistischen Phänomenbereichs der islamistische Terrorismus und salafistische Bestrebungen im Mittelpunkt der Unterrichtung. Weitere Schwerpunkte waren die sogenannte «Operation Rennsteig», der Anwerbeversuch des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz im Umfeld der Abg. König (DIE LINKE) und die näheren Umstände der Tätigkeit eines mutmaßlichen Rechtsextremisten im Wachdienst beim Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Während des genannten Unterrichtungszeitraums ließ sich die Parlamentarische Kontrollkommission regelmäßig auch zu weiteren Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem sogenannten «Nationalsozialistischen Untergrund» unterrichten.

Einen besonderen Schwerpunkt der Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission im Berichtszeitraum bildeten die Umstände der Anwerbung und Führung des Herrn Trinkaus sowie die Nichteinbindung Dritter. Diese standen mit dem Bekannt werden der Zusammenarbeit des Herrn Trinkaus mit dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz durch einen Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks im Dezember 2012 auf der Agenda. Zur Aufklärung der näheren Umstände fand das seit Juli 2012 zur Verfügung stehende Instrument des Sachverständigen erstmals Anwendung. Mit den Aufgaben des Sachverständigen betrauten die Kommissionsmitglieder Herrn Ministerialdirigenten a.D. Dr. Norbert Engel, langjährig Abteilungsleiter in der Landtagsverwaltung und Stellvertreter der Direktorin. Herr Dr. Engel legte seinen Abschlussbericht im Juli 2013 vor.

Auf der Grundlage des Berichts des Sachverständigen kommt die Parlamentarische Kontrollkommission im Ergebnis ihrer Untersuchungen zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:

Erstens: Die Werbung und Verpflichtung von Herrn Trinkaus als Vertrauensmann (VM) stand nicht im Einklang mit dem Sinn der Dienstvorschriften des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz und den Festlegungen des Thüringer Innenministeriums. Sie vermochten auch dem vom Thüringer Verfassungsschutzgesetz vorgegebenen Zwecken des zulässigen Einsatzes von nachrichtendienstlichen Mitteln nicht zu dienen. Sie wurden trotzdem vorgenommen, weil das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz der Auffassung war, seine Zugänge zur NPD in Thüringen seien zu gering. Es wurde nach dem Motto vorgegangen: Lieber ein problematischer Zugang als gar keine Quelle.

Zweitens: Herr Trinkaus war als Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Erfurt-Sömmerda eine aktive Führungsfigur im Bereich Erfurt. Über den damals gegebenen Aufwärtstrend der NPD hinaus konnte er in Erfurt die Aktivitäten dieser Partei und die Mitgliederzahl erheblich steigern. Diese übermäßige Aktivität machte ihn als VM ungeeignet.

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Drittens: Herr Trinkaus hat dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz eine beachtliche Menge an Informationen, vor allem aus dem Raum Erfurt, geliefert. Diese Informationen waren allerdings nicht so wertig, dass sie die Nachteile der Verwendung von Herrn Trinkaus gerechtfertigt hätten. Die für das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz wichtigen Informationen aus dem NPD-Landesverband konnte Herr Trinkaus nicht beibringen.

Viertens: Die Führung der Quelle Trinkaus entsprach nicht den Dienstvorschriften des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz. Es ist davon auszugehen, dass die entscheidenden Mitarbeiter verhindern wollten, dass die gerade gewonnene Quelle sofort wieder abgeschaltet wurde. Deshalb wurden auch mangelhafte Informationen und die Gefahr selektiver Informationen zu lange hingenommen. Trotz der eignen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Quelle wurde den finanziellen Wünschen von Herrn Trinkaus im erheblichen Umfang entsprochen.

Fünftens: Herr Trinkaus versuchte im Rahmen der «Wortergreifungsstrategie» der NPD bei Veranstaltungen demokratischer Parteien und Organisationen diese Veranstaltungen für die NPD auszunutzen. Die geplanten Maßnahmen gab er dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz im Vorhinein nur in allgemeiner Form bekannt, sodass dieses nicht reagieren konnte. Die Aufforderung des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, solche Aktionen zu unterlassen, ignorierte Herr Trinkaus. Die Konsequenz einer Abschaltung wurde trotzdem nicht gezogen.

Sechstens: Als ehemaliges Mitglied der PDS versuchte Herr Trinkaus insbesondere Mitglieder dieser Partei zu kompromittieren. Diese Aktionen verschwieg er dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz oder räumte sie nur nebenbei ein. Die Recherchen des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, mit denen dieses die geplanten Maßnahmen eventuell im Vorfeld hätte erkennen können und die tatsächlichen Versuche, ihn davon abzubringen, waren unzureichend. Für eine vorherige Kenntnis oder gar eine Unterstützung dieser Aktionen durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz sind keine Anhaltspunkte gegeben.

Siebtens: Gesprächsvermerke des damaligen Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz legen nahe, dass die Hausleitung des Thüringer Innenministeriums durch den Präsidenten über die V-Mann-Eigenschaft des Herrn Trinkaus unterrichtet worden war.

Achtens: Die Parlamentarische Kontrollkommission wurde über den gesamten Anwerbungsvorgang bzw. die Führung des VM nicht oder nur sehr unvollständig informiert. Einige Informationen wurden wohl bewusst verschleiert, so dass die Parlamentarische Kontrollkommission die Tragweite der Handlungsweise des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz nicht erkennen konnte. Die Parlamentarische Kontrollkommission begrüßt, dass auch als Folge dieser Ereignisse eine größere Offenheit beim Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln gegenüber der Kommission Einzug gehalten hat. Sie mahnt eine neue, strukturierte und an den Erfordernissen der parlamentarischen Kontrolle orientierte Unterrichtungspraxis an.

Die Parlamentarische Kontrollkommission dankt Herrn Dr. Engel und seinen Mitarbeitern ausdrücklich für ihre Tätigkeit und ihre geleistete Arbeit. Der vorgelegte Bericht enthält eine umfassende und fundierte Aufarbeitung sowie eine Analyse und entsprechende Bewertung des Sachverhalts. Herrn Dr. Engel als Sachverständigen ist es gelungen, die grundlegenden Tatsachen schnell zu ermitteln und einer eingehenden Bewertung zu unterziehen. Die generierten Untersuchungsergebnisse basieren auf einer tiefgründigen Aktenrecherche sowie auf ausführlichen Befragungen der an diesem Sachkomplex damals auf den jeweiligen Verantwortungsebenen beteiligten Personen. Der Sachverständige hat die grundlegenden Tatsachen präzise ermittelt und bewertet sowie die Entwicklung des Geschehens rund um die Forschung und Werbung des Herrn Trinkaus als Vertrauensperson des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz und seine anschließende kurzzeitige Führung als Vertrauensperson nachgezeichnet.

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