Einkaufswelten im Internet gefährden den Einzelhandel

Der Siegeszug des Internets scheint ungebrochen. Seit 15 Jahren wächst auch das Geschäft auf den virtuellen Einkaufsmeilen weltweit kontinuierlich. Parallel dazu stagniert nicht nur in Thüringen der konventionelle Einzelhandel und ansässige Geschäfte haben Zukunftsängste, informiert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt.

Bis 2020 wird erwartet, dass jeder vierte Euro im World Wide Web umgesetzt wird.

Jeder Onlineeinkauf fehlt dem stationären Handel vor Ort, warnt Stefan Fricke, Leiter der Regionalen Service-Center Bad Salzungen und Eisenach der IHK Erfurt.

Fachleute schätzen, dass 40 bis 60 Prozent der klassischen Ladengeschäfte in 10 Jahren nicht mehr existieren. Dabei wären Fachmarktcenter und attraktive Innenstädte, wie die der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt, weniger gefährdet. Unstrittig sei aber, dass kleinere Städte für den Handel künftig an Bedeutung verlieren.

Ob Kunden weiter vor Ort einkaufen, ist vor allem von der Attraktivität und dem Angebot abhängig. Maßgeblichen Einfluss haben auch die Erreichbarkeit mit dem Auto, Parkplätze sowie die Aufenthaltsqualität, so der RSC-Leiter.

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Die Gesamtsituation für den örtlichen Ladenbesitzer werde in Zeiten von „Begegnungszonen“ ohne Autoverkehr nicht einfacher. Des einen Freud ist des anderen Leid: Branchen-Riese Amazon verbuchte im zweiten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorjahr fast eine Verzehnfachung des Gewinns. Im klassischen Einzelhandel rechne hingegen nur ein Drittel mit stabilen Umsätzen, fast jeder Vierte habe eine rückläufige Erwartung. Dabei falle die Einschätzung der Bekleidungs- und Schuhhändler am negativsten aus. Der Frequenzrückgang in vielen Innenstädten sei mittlerweile ein großes Problem, nicht nur für den Handel. Auch die Gastronomie, der Dienstleistungsbereich und die Kommunen insgesamt litten darunter.

War es vor Jahren der so genannte Tante-Emma-Laden im ländlichen Raum, so sind mittlerweile auch Handelsunternehmen in mittleren und größeren Städten gefährdet. Die Hauptursachen dafür sind nach Ansicht der IHK-Experten relativ schnell ausgemacht.

Online-Handel und sinkendende Bevölkerungszahlen sind die Treiber für die Frequenzverluste in den Städten. Rund 73 Prozent der Internetnutzer und erstaunlicherweise sogar 88 Prozent der ab 65-jährigen shoppen im Netz, fasst Stefan Fricke zusammen.

In den Läden der Innenstädte möchte der Kunde überrascht und inspiriert werden. Dass die Qualität und der Preis stimmen, wird zwischenzeitlich vorausgesetzt. Aber gerade mit Wohlfühl- und Erlebnischarakter, Kundenorientierung und Service könne der Händler vor Ort punkten und sich vom virtuellen Wettbewerber absetzen. Die positivste Entwicklung sehen Multichannel-Händler, also jene, die sowohl vor Ort als auch im Netz verkaufen und werben. 69 Prozent dieser Multichannel-Händler rechnen mit steigenden Umsätzen. Die Zukunft wird den Unternehmen gehören, welche die Bedürfnisse der Kunden sowohl online als auch offline bedienen wollen und können. Die geschickte Verknüpfung von stationärem und Online-Handel kann den Kunden das Beste aus beiden Welten geben.

Die Händler und Innenstädte stehen vor riesigen Herausforderungen, die sie nur bewältigen können, wenn sie die Trends als Chance begreifen und diese aktiv, professionell und im Netzwerk in spürbar neue Konzepte und Kundennutzen wandeln, ist sich der RSC-Leiter sicher.

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