Sichtbares Zeichen gegen das Vergessen

Gedenkort in der Goetheschule erinnert an Eisenacher Ehrenbürgerin

Ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen und für die Erinnerung setzte heute (19. September) die Stadt Eisenach in der Goetheschule. Dort präsentierten Schüler gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Katja Wolf und Bildungsamtsleiter Dr. Reinhold Brunner der aus Israel angereisten Ariela Kimchi einen neu eingerichteten Gedenkort. In einer Vitrine im Erdgeschoss der Schule sind mehrere Erinnerungsstücke von Kimchis Mutter, Avital Ben-Chorin, ausgestellt. Die 2017 verstorbene Ehrenbürgerin der Wartburgstadt war Schülerin der damals Charlottenschule genannten Bildungseinrichtung, bevor sie 1936 vor den Nationalsozialisten nach Palästina geflohen war.

Es ist ein emotionaler Ort und ein emotionaler Moment, der mir Gänsehaut macht, sagte Katja Wolf zuvor in der Aula der Schule.

Dort hatten sich einige Schüler zusammen mit den aus Israel angereisten Familienangehörigen Avital Ben-Chorins versammelt, um der Verstorbenen zu gedenken und an ihr Leben und Wirken zu erinnern.

Aus der Verantwortung für die Zukunft erwächst heute ein Platz für die Erinnerung, betonte Katja Wolf.

Diese Erinnerung ließen Schülerinnen der Klassenstufen 7 und 9 real werden. Sie hatten sich im Rahmen eines Schulprojektes mit Avital Ben-Chorins Leben an der damaligen Charlottenschule befasst. Layla und Laurin aus der 7b trugen fiktive, selbst verfasste Tagebucheinträge eines jüdischen Mädchens vor. Sie zogen damit eine Parallele zu Avital Ben-Chorins Erfahrungen an der damaligen Charlottenschule – Ausgrenzung, Beschimpfungen, das Gefühl des Allein-Seins, des Hasses. Ergänzt wurde das durch selbst verfasste Aufsätze, die die Neuntklässlerinnen Simaran Jashir, Sadaisan Jashir und Letizia Denise Landsiedel vorlasen. Sie hatten aus der Sicht der damals jungen Schülerin Avital Ben-Chorin Erlebnisse in der Schule zusammengetragen und berichteten ebenfalls von Beschimpfungen, Judenhass, Ausgrenzung sowie der anschließenden Flucht aus Eisenach. Sichtlich bewegt hörte Ariela Kimchi gemeinsam mit ihrem Mann Nissim Kimchi und Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin sowie dessen Frau Adina Ben-Chorin die vorgetragenen Schilderungen.

Es hat mich heute berührt, weil Ihr ein Stück Geschichte mitgenommen habt, fasste abschließend Dr. Reinhold Brunner zusammen, bevor alle die neu eingerichtete Vitrine mit den ausgestellten Erinnerungsstücken anschauten.

Darin stehen unter anderem das Poesiealbum der als Erika Fackenheim geborenen Avital Ben-Chorin, ein Aufsatzheft der Klasse IV der Charlottenschule sowie „Peterchens Mondfahrt“, dem Lieblingsbuch Erika Fackenheims. Zu sehen ist auch ein Kartenspiel, das Erika Fackenheim bei ihrer Emigration nach Palästina mitgenommen hatte.

Es war so echt, so ein berührender und besonderer Tag für unsere Familie, bedankte sich Ariela Kimchi bei den Schülern. Ihr Halbbruder, Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin ergänzte: Was Ihr heute gemacht habt, ist ein Zeichen des Vertrauens. Das ist der richtige Weg, um an die Vergangenheit zu erinnern.

Ein großes Dankeschön der Stadt Eisenach geht an die Nachkommen Avital Ben-Chorins. Trotz mancher Bedenken haben sie sich entschlossen, den Nachlass an die Stadt zu übergeben. Damit bekommt Geschichte ein Gesicht. Für Zwecke der wissenschaftlichen Nutzung wird der Nachlass im Stadtarchiv aufbewahrt, erschlossen, digitalisiert und der Forschung zur Verfügung gestellt. Damit wird es möglich sein, das Leben und Wirken Avital Ben-Chorins detailreich zu erforschen. Oberbürgermeisterin Katja Wolf dankte der Goetheschule für ihr Engagement. Diese pflegt schon seit Jahren die Erinnerung an ihre ehemalige Mitschülerin.

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