Ein Ende und ein Anfang

Elisabeth-Gymnasium: Feierliche Übergabe der Abitur-Zeugnisse im Palas der Wartburg

Die Aufregung der 56 Schüler und Schülerinnen des Elisabeth-Gymnasiums war groß. Ein Ende und ein Anfang ließ sie zusammenkommen. Das Ende einer 12-jährigen Schulzeit, der Anfang ins eigenständige Leben. „Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit ihrer Träume glauben“, dieser Satz von Eleanor Roosevelt diente als Überschrift für den Abend. Festlich gekleidet waren sie mit ihren Eltern zur Wartburg gekommen, um im einzigartigen Ambiente des Palas ihre Zeugnisse der allgemeinen Hochschulreife zu erhalten. Der Wettergott hatte ein Einsehen, schloss seine Schleusen, sodass die verschiedenen Fotos mit Blick zur Wartburg entstehen konnten. Ein besonderes war dabei. Die einstigen Grundschüler der Jacobschule unter den Abiturienten wurden von ihrer ehemaligen Grundschullehrerin Diana Brückner überrascht. Das wurde natürlich fotografisch festgehalten.

Trotz einer Stellprobe zwei Tage zuvor, beim Einnehmen der Plätze im Palas gab es einige Schwierigkeiten. Andreas Knoll, amtierender stellvertretender Schulleiter, begrüßte als Gäste die ehemaligen Schulleiter Gerhard Sippel, Roswitha Becker und Tino Nazareth. Der Chor des Elisabeth-Gymnasiums unter Leitung von Susan Unger, die – wie Anne-Sophie Matthiesen – am Klavier begleitete, umrahmte den festlichen Abend. Sarah Löbel sorgte am Violoncello für einen besonderen musikalischen Farbtupfer. Marlene Schuldes und Louis Guillaume zeigten ihr rezitatorisches Können.

Gebrauche deinen (!) Verstand
Tino Nazareth, bis zu Beginn dieses Kalenderjahres Schulleiter am Elisabeth-Gymnasium, hielt die Festrede. Einem Exkurs in die Geschichte, zu Imanuel Kant „Sapere aude“ („Gebrauche deinen Verstand.“), folgten Gedanken zum 1991 veröffentlichten Albun „Nevermind“ der US-amerikanischen Rockband Nirvana. Der Leitspruch von Imanuel Kant möge, so Tino Nazareth, den Einzelnen ermutigen, unabhängig zu denken, eigene Schlussfolgerungen zu ziehen und sich von fremder Autorität zu befreien.

Kants Konzept ist ein Aufruf zur intellektuellen Selbstbestimmung und zum eigenständigen Denken. Es ermutigt die Menschen, kritisch zu hinterfragen, ihre eigenen Überzeugungen zu prüfen, nach Wahrheit und moralischer Verantwortung zu streben. Indem wir unseren Verstand nutzen, können wir uns von Vorurteilen befreien, zu einem tieferen Verständnis der Welt gelangen und zu einer aufgeklärten und ethischen Gesellschaft beitragen, erklärte Tino Nazareth.

Es lohne sich auch, der Welt einen neuen Spirit einzuhauchen, damit diese Welt die Welt derer bleibt, die in ihr leben werden. Der 1991 veröffentlichte Musiktitel „Smells Like Teen Spirit“, insbesondere die Lyrics von Kurt Cobain, stehe für dir Rebellion, den Ausdruck der eigenen Identität und den Kampf gegen gesellschaftliche Konventionen. Er habe sich zu einem zeitlosen Klassiker entwickelt.

In diesem Titel wird der Gedanke ausgedrückt, dass es einfacher ist, sich zu verlieren und eine Fassade aufrechtzuerhalten, als sich den Herausforderungen des echten Lebens zu stellen, so Tino Nazareth. Was möchte Ihnen nun mit Kant und Cobain auf Ihren weiteren Lebensweg geben, fragte der ehemalige Schulleiter in die Runde. Kant glaubte fest daran, dass Bildung der Schlüssel zur Aufklärung und zur Befreiung des Verstandes ist. Er forderte uns auf, aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit auszubrechen und den Mut zu haben, unser Denken zu entwickeln.

Und weiter an die Abiturienten gerichtet:

Schauen Sie mit klarem Verstand, kritischem Blick und mit einer gesunden Portion Zweifel auf Ihre Umwelt. Hinterfragen Sie auf Ihrem Lebensweg das, was Sie vorfinden. Prüfen Sie, behalten Sie, was gut ist, verändern Sie, was geändert werden muss. Seien Sie dabei auch provokativ, lassen Sie sich nicht verbiegen, bleiben Sie authentisch. Denken Sie aber auch an die Gemeinschaft, die Sie umgibt, wirken Sie für das Gemeinwohl und letztlich zum Nutzen aller. Sie haben in Ihren Jahren an Grundschule und dem Gymnasium eine Menge an Wissen angehäuft. Nehmen Sie dieses Wissen mit, nehmen Sie stets neues Wissen auf, werfen Sie aber auch überflüssigen Ballast ab. Verändern Sie die Welt mit Ihrer Vernunft, Ihrer kritischen Sicht auf die Dinge und mit Entschlossenheit. Mit dem Verlassen des Elternhauses und der Schule wird es nun an Ihnen liegen, zu wissen, wann es Zeit ist, einen Roboter für sich arbeiten zu lassen und wann man selbst bereit sein muss, sich anzustrengen und sich einzubringen. Wenn wir als Menschen weiterleben wollen, dann müssen wir Kants „Sapere Aude“ mit der Forderung Cobains nach notwendiger Veränderung der Welt stetig verbinden.

Dass Tino Nazareth den Nerv der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrer, Eltern und Gäste getroffen hatte, belegte der lang anhaltende Applaus.

Preisverleihungen
Nach der Übergabe der Reifezeugnisse durften sich einige Schüler (und zumeist) Schülerinnen über besondere Ehrungen freuen. Luise Unger erhielt den Kulturpreis der Peter-Mädler Stiftung, Laura Nowatzky und Helene Gorf den Preis des Fördervereins für soziales Engagement, Naomi Eckert und Sarah Elena Gründl (Notendurchschnitt 1,0) den Preis der Hirschvogel-Stiftung für das beste Abitur, Daniel Kynast den Preis der Stadt Eisenach für die beste Abiturleistung, Sarah Elena Gründl den Mathematik-Preis, Naomi Eckert und Nathalie Klepl den Chemie-Preis.

Paulo Zoe Henkel mit dem Preis der Goethe-Gesellschaft Eisenach geehrt
Die Goethe-Gesellschaft Eisenach vergibt seit dem Jahr 2014 mit Unterstützung der Wartburg-Sparkasse einen ganz besonderen Preis. Besonders gern natürlich auf jener Burg, in deren Mauern Martin Luther, alias Junker Jörg, die Bibel vor ziemlich genau 500 Jahren in eine für viele Menschen verständliche Fassung der deutschen Sprache übersetzte. Über diesen Preis durfte sich Paula Zoe Henkel freuen.

Wie vereinen sich Wissen und eigene Gedanken mit der Gabe, in virtuoser Weise mit unserer deutschen Sprache umzugehen zu einem besonderen Text. Wie halten die Schüler es mit dem Lesen und Schreiben, mit Stilistik und Ausdruck, mit inhaltlicher Tiefe und auch mit den Regeln einer richtigen Schreibung, erläuterte Gerhard Lorenz, Vorsitzender der Goethegesellschaft, die Kriterien.

Die Goethe-Gesellschaft Eisenach ehrt in diesem Jahr, so Gerhard Lorenz,

eine Abiturientin, die in besonderem Maße den Beweis der Reife in Gestalt des Reifeprüfungsaufsatzes erbracht hat.

Der einstige Schulleiter weiter:

Die Auswahl zum besten Aufsatz fiel am Elisabeth-Gymnasium Eisenach auf eine Schülerin, die in ihren Ausführungen zeigte, dass auch junge Menschen mit der deutschen Sprache durchaus reflektiert und bewusst umgehen können. Er begründete das detailliert: Besonders überzeugend war die sprachlich-stilistische Gestaltung des Textes, der sich analytisch und wertend mit einer Rede von Heinrich Detering aus dem Jahre 2014 befasst. Dieser war zu dieser Zeit Professor für Neuere deutsche Literatur und vergleichende Literaturwissenschaft sowie Präsident der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Detering setzt sich in seiner Rede mit dem Zustand der deutschen Sprache auseinander. Seine Intention ist es, das Vertrauen in das deutsche Sprachsystem zu stärken und den beständigen Sprachwandel als natürlichen Prozess anzusehen. Deterings Hauptthese zufolge komme `…überhaupt niemandem in unserem demokratischen Gemeinwesen unserer lebendigen Sprachgemeinschaft eine sprachpolizeiliche Autorität` zu. Dessen Rede habe Paulo Zoe Henkel sehr umfangreich und tiefgründig analysiert. Noch mehr habe die Schülerin, so Gerhard Lorenz, mit ihrer Argumentation zu Detrings Hauptthese überzeugt, die da lautet: Nicht irgendeine Autorität von oben legt fest, wie wir Menschen uns auszudrücken haben, sondern wir selbst.

Abiturzeugnisse auch für die Schüler der Waldorfschule
Schon traditionell, auch die Abiturienten der Walldorfschule, in diesem Jahr 4 Schülerinnen und Schüler, erhielten an diesem Tag ihre Reifezeugnisse.

Emotionaler Schlusspunkt
Mit den Gedanken der Abiturienten, die die Schulzeit noch einmal humoristisch und mit dankbaren Worten Revue passieren ließen, dem gemeinsamen Gesang von Chor und Abiturienten sowie einer Gratulation endete die Festveranstaltung. Heike Apel-Spengler vom Förderverein des Elisabeth-Gymnasium wurde wenige Tage zuvor die Verdienstmedaille des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Gerhard Sippel, ehemaliger Schulleiter des Elisabeth-Gymnasiums, gratulierte – von ganz viel Beifall begleitet – mit Worten und einem Blumenstrauß der sichtlich gerührten ehrenamtlichen Beigeordneten der Stadt Eisenach.

Th. Levknecht

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