Gedenken Außenlager Emma

Am 11. April 2020 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald zum 75igsten Mal. Das Datum 11. April ist in Eisenach auch das Datum, an dem traditionell der Opfer von Zwangsarbeit und Inhaftierung im Außenlager Emma gedacht wird.

In diesem Jahr kann wegen der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie keine Gedenkveranstaltung an der Stele in der Dürrerhofer Allee stattfinden. Bündnis gegen Rechts, Kirche, BMW und Stadt Eisenach legen im stillen Gedenken dennoch Blumen und Gestecke an der Stele nieder.

Die am 11. April 2020 ungehaltenen Reden sind Bestandteil dieser Presseinformation.

Vor 75 Jahren beendeten die Alliierten Truppen den zweiten Weltkrieg und damit die Herrschaft der Nationalsozialisten.
In Eisenach gedenken wir am 11. April besonders der Opfer des KZ-Außenlagers Emma sowie der Opfer von Zwangsarbeit und Internierung in Eisenach. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurden Menschen aus ideologischen oder Gründen der nationalsozialistischen Rassenhygiene verfolgt, verhaftet, gequält und ermordet. Viele Opfer wurden über die Internierung in Konzentrationslagern zur Zwangsarbeit herangezogen, um den Kriegsbedingten Arbeitskräftemangel auszugleichen. Ab 1940 sind in Eisenach große Zahlen Kriegsgefangener dokumentiert. Im Kohlehandel, im Forst, im Gas- und Wasserwerk oder der Friedhofsverwaltung, aber vor allem im BMW Flugmotorenwerk Eisenach wurden tausende Zwangsarbeiter in der Produktion eingesetzt, die in Barackenlagern im gesamten Stadtgebiet untergebracht waren.

Ab April 1944 kamen dazu Häftlinge aus dem KZ Allach und später aus dem KZ Buchenwald, die im Außenlager mit dem Decknamen Emma direkt im Werksgelände des Flugmotorenwerkes am Dürrerhof in einer Fabriketage untergebracht und dort auch eingesetzt wurden. Die durchschnittlich 300 bis 500 Menschen wurden hier von SS-Angehörigen und Luftwaffensoldaten streng bewacht und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen.

Nach dem letzten Alliierten Luftangriff auf Eisenach wurde das KZ Emma am 16. Februar evakuiert. Alle noch inhaftierten 383 Häftlinge wurden zunächst nach Buchenwald gebracht, wo jedoch für viele ihre Odyssee noch nicht zu Ende war. Viele von ihnen wurden noch weiter in andere Lager geschickt.

Die Gedenk-Stele am ehemaligen Eingang zum Werksgelände auf dem Dürrerhof erinnert seit 2006 an den Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen insbesondere im BMW Flugmotorenwerk. Dank der Eisenacherin Jessica Elsner, die die Ereignisse wissenschaftlich erforscht hat, liegen heute umfangreiche Erkenntnisse zu Zwangsarbeit unter dem Naziregime in und um Eisenach vor.

Oberbürgermeisterin Katja Wolf erinnert anlässlich des 11. April 2020 an die menschenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus und mahnt, sensibel gegenüber vergleichbaren Strömungen in unserer heutigen Zeit zu sein. Eine zunehmende Verrohung im zwischenmenschlichen Miteinander und vor allem in den „sozialen“ Netzwerken lasse oft die Achtung, den Respekt und das Mitgefühl für das Gegenüber und dessen Lebenswelt vermissen. Die Abwertung von Personen und von deren Handeln dürfe sich nicht noch mehr als Normalität in unserer Gesellschaft einschleichen. Eine solche Normalisierung sei unter Umständen ein Nährboden für die Akzeptanz von menschenverachtender Ideologie, wie sie letztlich auch hinter jedem System von Zwangsarbeit und Unterdrückung steckt.

Der erst seit kurzer Zeit in Eisenach ansässige Pfarrer Armin Pöhlmann zeigt sich erschüttert, darüber dass „mein ganzer Pfarrbezirk (Petersberg, Karolinenstraße, Schlachthof) damals von Zwangsarbeiterlagern geprägt war. Die ganze Kriegswirtschaft, nicht nur das Flugzeugmotorenwerk, funktionierte dadurch, dass Menschen zur Arbeit gezwungen, versklavt, ihre Lebenskraft ausgebeutet wurden, bis zur tödlichen Erschöpfung – und die Menschen in Eisenach wussten das natürlich. Sie konnten es ja sehen, wenn die Kolonnen zur Arbeit marschierten, und die anderen, die in der Fabrik arbeiteten, wussten, woher ihre Hilfskräfte kamen. Wahrscheinlich war es normal, dass in der Fabrik

am Ende schon mehr gezwungene Menschen als freiwillige arbeiteten. Ich erschrecke nicht nur über das, was sich Menschen gegenseitig antun können, sondern noch viel mehr darüber, dass sie sich daran gewöhnen, dass Menschen so etwas angetan wird. Sie werden sich ihre Begründungen gestrickt haben, warum das schon „in Ordnung“ ist.“

Pfarrer Pöhlmann stimmt darin mit Oberbürgermeisterin Wolf überein, dass die Erklärung der Menschenrechte und die Grundrechte im Grundgesetz als fest ausformulierte Prinzipien auch in Zukunft die Leitlinien sein müssen, mit denen das persönliche Rechtsempfinden immer wieder neu abgeglichen werden sollte. „Wir brauchen klare Regeln, was geht, und was nicht geht. Regeln, die nicht verhandelbar sind, und die wir allen entgegenhalten können, die an Grundprinzipien unserer Gesellschaft kratzen möchten und hoffen, dass wir uns schon daran gewöhnen.“, so Pöhlmann. Katja Wolf weist darauf hin, dass das heute verbreitete ‚Das wird man ja noch sagen können …‘ allzu oft zu weitgehender Anstandslosigkeit bis hin zu menschen- und demokratieverachtenden Äußerungen verleitet. Eine solche Entwicklung gefährde unsere Gesellschaft und öffne Demokratiefeinden Tür und Tor.

Auch Jörg Rumpf argumentiert für das Bündnis gegen Rechts in einer ähnlichen Richtung. Er zitiert das Gedicht „Unaufhaltsam“ von Hilde Demin, in dem es darum geht, wie Worte verletzen und unfehlbar das Herz eines Gegenübers treffen können. Worte, die schärfer sind als jede Waffe und die, einmal gesagt, nicht zurück genommen werden können. „Immer öfter erlebe ich diese Worte. Bewusste Grenzüberschreitungen. Sie wollen / sollen verharmlosen und neue Deutungen schaffen. Oder sie dienen der Einschüchterung.“ sagt Jörg Rumpf und fragt weiter: „Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt? Leider sind die Messer nicht stumpf geworden. Und nach den Worten folgen die Taten.“

Rumpf verweist darauf, dass das Gedenken am 11.4. immer wieder eine Mahnung ist an die menschenverachtenden Machenschaften der Nationalfaschisten, an den Krieg und das Leid mit dem sie Europa und die Welt überzogen. Er hofft gemeinsam mit Pöhlmann und Wolf, dass die mahnenden Worte hoffentlich mehr nach hallen: Nie wieder Faschismus, nie wieder Gewaltherrschaft, nie wieder Krieg.

Unaufhaltsam

Das eigene Wort, wer holt es zurück,
das lebendige – eben noch ungesprochene Wort? Wo das Wort vorbei fliegt, verdorren die Gräser, werden die Blätter gelb, fällt Schnee.
Ein Vogel käme dir wieder
nicht dein Wort,
das eben noch ungesagte,
in deinen Mund.
Du schickst andere Worte hinterdrein,
Worte mit bunten, weichen Federn.
Das Wort ist schneller,
das schwarze Wort.
Es kommt immer an,
es hört nicht auf, an zu kommen.
Besser ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein.
Ein Messer trifft oft
am Herzen vorbei.
Nicht das Wort.

Am Ende ist das Wort, immer
am Ende
das Wort.

von Hilde Domin

Anzeige