Pogrom-Gedenkaktion in der Eisenacher Karlstraße

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Über 500 Freiwillige gaben heute Vormittag (9. November) in einer Menschenkette insgesamt 240 übergroße Gedenksteine von Hand zu Hand weiter – von der Wartburgallee in die Eisenacher Karlstraße (die früher einmal Judengasse hieß). In der Karlstraße bauten sie die Würfel zu unterschiedlichen Türmen auf und regten so zum Nachdenken und Innehalten an. Einige der goldfarbenen Gedenksteine tragen die Namen der Konzentrationslager, in die Eisenacher Jüdinnen und Juden deportiert wurden. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) verloren insgesamt 240 Eisenacher Juden ihr Leben – durch Selbstmord vor der Deportation, durch Zwangsarbeit, in Gaskammern.

Die Aktion ist Teil eines Kunstprojekts des Künstlers Hans Ferenz, das anlässlich des 80. Jahrestages der Pogromnacht im Rahmen einer stadtweiten Gedenkaktion mit Schülerinnen und Schülern initiiert wurde.

Zwischen den Gedenksteinen in der Karlstraße zeigten Schülerinnen und Schüler sowie junge Schauspieler und Musiker von 11 bis 15 Uhr szenisches Straßentheater. Sie trafen sich zu altbekanntem „Hüpfekästchenspiel“, fanden sich zu kurzen Flashmobs zusammen und sangen mit gelben Sternen in der Hand alte Volkslieder. Musiker spielten an wechselnden Orten „zerrissene Melodien“. Fünf junge Schauspieler eilten in tristem Grau schweigend und mit alten Lederkoffern bepackt an den Menschen vorbei – und erinnerten an Bilder von Deportationen. Das Straßenleben, das zwischen den Geschäften in der Karlstraße auch damals schon lebte, wurde in kleinen Stücken wieder lebendig.

Am Abend des 9. November 1938 gab es auch in Eisenach ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Daran erinnern seit Jahren zahlreiche Vertreter von Vereinen, Verbänden und Institutionen am 9. November.

In diesem Jahr lud die Stadt Eisenach gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen, der katholischen Kirchgemeinde St. Elisabeth und dem Eisenacher Bündnis gegen Rechtsextremismus (BgR), mit Gewerkschaften und weiteren Organisationen an diesem Tag erneut alle Eisenacher Einwohner zu einer Gedenkveranstaltung ein. Gemeinsam mit den Eisenacher Bürgerinnen und Bürgern wollen sie am 80. Jahrestag der Pogromnacht im Rahmen einer stadtweiten Gedenkaktion erinnern und gegen neu aufkommendem Antisemitismus mahnen und ein Zeichen senden.

Die Gedenksteine des Kunstprojektes werden nach dem 9. November in einer Ausstellung in der Stadtverwaltung (Markt 2) präsentiert und sind dort bis Ende Januar 2019 zu sehen.

Pogrom in Eisenach: In der Pogromnacht waren damals viele Eisenacher Juden in der Goethe-Sporthalle neben der heutigen Synagogen-Gedenkstätte zusammengetrieben worden, bevor viele von ihnen nach Buchenwald abtransportiert wurden. Die Eisenacher Synagoge wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938 völlig zerstört. Nachdem Mitglieder der Hitlerjugend und der SA (Sturmabteilung) die Einrichtung mit Äxten zerschlagen hatten, zündeten diese gegen 22.30 Uhr das Gotteshaus an, das bis auf die Grundmauern abbrannte. Alle jüdischen Geschäfte, viele Wohnhäuser und der Friedhof wurden demoliert. Im September 1941 wurde die 145 noch in der Stadt lebenden Juden im Haus Goethestraße 48 eingepfercht und 1942 von dort nach Belzec und Theresienstadt deportiert. Nur wenige der Deportierten überlebten.