BARMER warnt vor Pflegekollaps

Bildquelle: Adobe Stock, Impact Photography: Symbolbild Pflege

Bereits jede elfte Person in Thüringen ist pflegebedürftig

Jede elfte Person in Thüringen ist pflegebedürftig, Tendenz steigend. Die Pflegedauer beträgt mehr als sieben Jahre, Tendenz ebenfalls steigend. Das treibt die Kosten für Betroffene, Angehörige und die Pflegekassen massiv in die Höhe. Diese alarmierenden Ergebnisse zeigt der aktuelle BARMER-Pflegereport. „Pflege droht zum Luxusgut zu werden. Es müssen politische Lösungen her, damit das System leistungsfähig bleibt“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der BARMER Thüringen. Die Belastungsgrenze sei nicht nur erreicht, sie sei bereits überschritten. Die BARMER dringt deshalb auf eine Bundesratsinitiative des Landes, damit versicherungsfremde Leistungen der Pflegeversicherung aus Steuermitteln finanziert werden. Es könne nicht länger hingenommen werden, dass Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige von den Beitragszahlenden der Pflegekassen aufgebracht werden. Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Es ist höchste Zeit zu handeln“, mahnt Birgit Dziuk und warnt, dass eine der tragenden Säulen des deutschen Sozialstaates sonst nachhaltig Schaden nimmt.

Pflege dauert länger und kostet mehr

Laut BARMER Pflegereport wird sich die Pflegedauer erheblich verlängern. Im Jahr 2023 lag sie bei Verstorbenen im Schnitt bei 3,9 Jahren. Die Pflegeversicherung hat für diese Menschen rund 50.000 Euro an Kosten getragen. Bei aktuell Pflegebedürftigen wird die Pflegedauer in Thüringen auf mehr als sieben Jahre steigen, verbunden mit rund 50 Prozent höheren Kosten von etwa 76.000 Euro. „Die längere Pflegedauer liegt weniger am medizinischen Fortschritt, sondern an der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017. Mit Einführung der Pflegegrade anstelle von Pflegestufen wurde der Anspruch auf Pflegeleistungen auf zusätzliche Personengruppen ausgeweitet“, erläutert BARMER-Landeschefin Dziuk. Gleichzeitig seien die Gehälter der Pflegekräfte und die Personalschlüssel in der stationären Pflege verbessert worden. „So sinnvoll diese Maßnahmen auch sind, die logische Konsequenz sind steigende Ausgaben der Pflegeversicherung“, so Dziuk.

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Sozialhilfe bei 45 Prozent der Heimbewohner nötig

Auch der massive Zuwachs bei der Zahl der Pflegebedürftigen ist laut BARMER eine Folge der geänderten Rechtslage. Um 68 Prozent ist die Zahl von 2017 bis 2023 angestiegen, wie aus Daten des statistischen Landesamtes hervorgeht. Mit 194.000 Pflegebedürftigen Ende 2023 machen Thüringens Pflegebedürftige bereits einen Anteil von 9,1 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus. Nur in Sachsen-Anhalt (9,4 Prozent) liegt diese Rate noch höher. „Vor dieser Kulisse und angesichts der demografischen Entwicklung ist Thüringen doppelt belastet. Das unterstreicht den politischen Handlungsdruck zur Daseinsfürsorge“, sagt Birgit Dziuk. Da auch immer mehr Menschen auf stationäre Pflege angewiesen sein werden, müsse das Land für die Investitionskosten aufkommen. Es könne nicht sein, dass diese Kosten auf die Pflegebedürftigen abgewälzt werden. Gleiches gelte für die Ausbildungskosten des Pflegepersonals. Aktuell liegt der durchschnittliche Eigenanteil von stationär Pflegebedürftigen bei rund 2.800 Euro, davon rund 430 Euro für Investitionen. Laut Dziuk drohen Eigenanteile in diesem Umfang die Legitimation der Pflegeversicherung zu zerstören. Diese sei im Jahr 1995 an den Start gegangen, um pflegebedingte Verarmung zu verhindern. In Thüringen sind im Jahr 2023 jedoch bereits rund 45 Prozent der Pflegebedürftigen auf Sozialhilfe angewiesen. Angesichts der Preissteigerungen im vergangenen Jahr dürfte der Anteil mittlerweile deutlich höher liegen.

Pflegezeit nach Modell Elternzeit

Über 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen gepflegt. „Um diese finanziell zu entlasten, muss eine steuerfinanzierte Pflegezeit für Angehörige in Anlehnung an die Elternzeit geprüft werden“, fordert die BARMER-Landeschefin zudem. Die Idee eines Landespflegegeldes für pflegende Angehörige sieht sie allerdings kritisch. Sinnvoller sei es, verstärkt in die hiesige Pflegeinfrastruktur zu investieren und so bspw. die Verhinderungspflege, Wohn- und Versorgungskonzepte, Beratungsangebote und die gezielte Unterstützung von pflegenden Angehörigen zu verbessern.

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