#Praxenkollaps – Unterfinanzierung: Flächendeckende ambulante Versorgung in Gefahr

Die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten warnen vor den Folgen des enormen Kostendrucks für die wohnortnahe ambulante Versorgung. „Nachdem die Budgetentwicklung mehrere Jahre in Folge hinter der Inflation zurückgeblieben ist, reicht das Geld für die steigende Leistungsnachfrage der gesetzlich krankenversicherten Patienten einfach nicht mehr aus. Die Folge sind immer mehr Versorgungsengpässe, die inzwischen fast alle Fachrichtungen betreffen. Deswegen fordern wir bei den Finanzierungsverhandlungen mit den Krankenkassen in diesem Jahr mehr als den vollen Inflationsausgleich“, sagt Dr. Annette Rommel, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen.

„Wenn die Kosten der Praxisinhaber stetig schneller steigen als Einnahmen, muss sich kein Politiker wundern, dass in immer mehr Regionen Nachfolger ausbleiben. Es ist höchste Zeit, gegenzusteuern. Die Vergütung ärztlicher Leistungen muss entbudgetiert werden, um die Niederlassung wieder attraktiv zu machen“, sagt Dr. Rommel.

Die Begrenzung der Angebotskapazität durch ein Budget sei das Relikt aus einer Zeit der Ärzteschwemme. Dass Ärzte und Psychotherapeuten heute aus ethischen Gründen über die Budgetgrenzen hinaus arbeiten, führe unter anderem dazu, dass ein Teil ihrer Leistungen faktisch nicht vergütet wird.

„Zu dieser Selbstausbeutung sind die Kolleginnen und Kollegen nicht länger bereit.“

Um die Inflation auszugleichen, sind Praxen bereits zum Sparen gezwungen. Patienten müssen in der Folge länger auf Termine warten oder finden keine aufnahmefähige Fachpraxis. Leidtragende sind auch die Fachangestellten in den Praxen, die einerseits bei staatlichen Bonusprogrammen für Pflegepersonal ausgenommen worden sind und andererseits aus den prekären Kassenhonoraren nicht angemessen bezahlt werden können. Zunehmend wandern sie zu Krankenhäusern ab, die bessere Gehälter zahlen können. Milliardenschwere Finanzierungszusagen für den Erhalt von Krankenhäusern bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Austrocknung der ambulanten Versorgung bedrohen die Grundstruktur eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Ein Blick nach Großbritannien zeigt, wohin diese Entwicklung führen kann.

Aktuell gibt es in Thüringen bereits 79 unbesetzte Hausarztstellen. Hinzu kommen 5,5 freie Sitze für Kinder- und Jugendärzte. Für Fachärzte stehen 37,5 Sitze offen, die meisten davon entfallen auf Nervenärzte (10,0) und Augenärzte (9,5). Darüber hinaus haben Praxisinhaber oder Medizinische Versorgungszentren derzeit 195 Stellen für eine Anstellung oder Praxisnachfolger in unserer Praxisbörse ausgeschrieben. Die Kassenärztliche Vereinigung und ihre Partner werben mit einem großen Portfolio an Fördermaßnahmen um Nachfolger. Ohne handfeste Anreize, die eine ambulante ärztliche Tätigkeit in Thüringen dauerhaft wirtschaftlich attraktiv machen, wird sich eine weitere Verschärfung des Kapazitätsmangels aber nicht verhindern lassen.

Kassenärztliche Vereinigung Thüringen