Jubiläumskonzert in der Burgkirche

Anfangs waren sich die Zuhörer noch unsicher: applaudieren oder einfach still genießen. Die im festlichen Ambiente der Burgkirche durchaus angebrachte Zurückhaltung der gut 300 Zuschauer legte sich dann aber recht bald. Das Gebotene forderte einfach den Beifall. Mit einem abwechs-lungsreichen Programm feierte der Posaunenchor der Evan-gelischen Kirchengemeinde am vergangenen Wochenende sein 75-jähriges Jubiläum. Nach der «Festlichen Eröffnung» (Walther Haffner) mit Kesselpauken – hatte direkt majes-tätischen Charakter – spannte sich der Bogen vom Barock (Telemann, Bach, Vivaldi) über die Romantik – mit dem achtstimmigen Satz «Denn er hat seinen Engeln befohlen» aus «Elias» von Felix Mendelsohn Bartholdy – bis zu populärem Swing zeitgenössischer Komponisten. Dabei überzeugte der Jubiläumschor mit einem versierten Vortrag, der einmal mehr unter Beweis stellte, auf welch hohem Niveau sich das Ensemble in den verschiedenen Stilrichtungen bewegt, auch über die eigentliche Kirchenmusik hinaus.
Sieben Musikerinnen und acht Musiker gehören derzeit zum Chor, der altersmäßig bestimmt zu einem der jüngsten seiner Zunft zählen dürfte – bis auf einen (siehe unten) sind noch alle Mitglieder unter 40. Andreas Aßmann (38) hält bereits seit 1985 den Dirigentenstab in der Hand und hat maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Gruppe.
Fürs Jubiläumskonzert verstärkte man sich mit Andreas Deist am Schlagzeug und Bassist Klaus Reinhardt, die bei einigen Stücken mitwirkten. Die Gemeindelieder begleitete Mareike Dach an der Orgel. Antje Schwertzel und Ramona Brenk beleuchteten zwischendurch mit einem kurzen Vortrag das aktuelle Chorleben, bevor einige alte Fotos, begleitet von musikalischen Klängen, an die Vergangenheit erinnerten.
«Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.»
Mit dem Gedicht «Stufen» aus Hermann Hesses «Glasper-lenspiel» leitete Pfarrer Dr. Bernd Jaspert zu einer Meditation über, ganz auf den Anlass des Abends abgestimmt. Auch die 75-jährige Geschichte des Posaunenchores ist von Wandel, Abschied und Neubeginn geprägt. Beim Erntedankfest 1927 kam der Gedanke an die Gründung eines Posaunenchores auf. Allerdings stellten die hohen Anschaffungskosten von 935,40 Reichsmark für die insgesamt neun Instrumente jene Pioniere der kirchlichen Blasmusik vor ein echtes Problem. Am Neujahrstag 1928 zog man von Haus zu Haus, sammelte das fehlende Geld, und nach wenigen Übungseinheiten konnte man schon den Ostergottesdienst musikalisch umrahmen. Die erste Stufe war erklommen. Eine abwechslungsreiche Geschichte nahm ihren Lauf, unterbrochen vom Kriegsgeschehen und später durch viele Impulse immer wieder neu belebt. Ein solcher war sicherlich auch der Eintritt zahlreicher junger Musiker aus der Bläsergruppe der Südringgauschule, die den Kern der heutigen Gemeinschaft bilden und im Laufe des Festkonzerts von Dekan Dr. Martin Arnold und Dr. Friedbert Ruff, Kreisbeauftragter der Posaunenchöre, für ihr Engagement geehrt wurden. Hervorzuheben ist dabei sicherlich Peter Pflanzner. Mit 78 Jahren ist der humorvolle Posaunist vom Goldberg nicht nur der Senior im Chor, sondern mit 55 (!) Dienstjahren natürlich auch der Erfahrenste.
In einer ansprechend aufgemachten Festschrift – von einigen Mitgliedern selbst ausgearbeitet und gestaltet – kann man die Geschichte nachlesen. Das vollkommen werbefreie Heftchen wurde im Anschluss an das Konzert kostenlos verteilt.
Viele Gäste, darunter auch das ehemalige Herleshäuser Pfarrerehepaar Härlin und Musiker aus vergangenen Tagen, nutzten die Gelegenheit, den weiteren Abend in einer zwanglosen Feierrunde im Gemeindesaal zu verbringen. In ihren Grußworten betonten die Redner die Wichtigkeit des Chores in der dörflichen Gemeinschaft – «ihr seid nicht mehr wegzudenken» – und lobten einhellig die große Klasse des an diesem Tage gebotenen musikalischen Vortrags. Die Kirchenchöre aus Herleshausen, Wommen und Willershausen bedankten sich für die gute Zusammenarbeit. Beim an-schließenden Zusammensein orientierte man sich an dem am Abend vorgetragenen neunstimmigen Bläsersatz «Friends For Life» – schließlich will die eingeschworene Gemeinschaft diesen Titel durchaus wörtlich verstanden wissen. Dem Vernehmen nach soll sich die Feierlichkeit bis in die frühen Morgenstunden hingezogen haben. Recht so, denn 75 ist ja auch ein stolzes Alter.

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