500 Jahre Bibelübersetzung: zwei Jubiläumsjahre rückten Kraft der Worte in den Fokus

Folgeprojekt geplant

Nach zwei Jahren und einem vielfältigen Programm rund um die Wirkmacht der Sprache ziehen die Stadt Eisenach sowie die Partner*innen des Luther-Netzwerkes eine positive Bilanz des Jubiläums „500 Jahre Bibelübersetzung“ auf der Wartburg.

Es ist uns gelungen, ein vorrangig als theologisch empfundenes Jubiläum als Ereignis zu würdigen, das bis heute Relevanz hat. Dazu trug erheblich bei, dass der Freistaat Thüringen sein touristisches Themenjahr 2022 unter das Motto ,Welt Übersetzen‘ stellte und sich so dem Fokus anschloss, die Kraft der Worte in den Mittelpunkt zu stellen, sagte Oberbürgermeisterin Katja Wolf bei einem Pressegespräch im Eisenacher Rathaus.

Ralf-Peter Fuchs, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Eisenach-Gerstungen, ergänzte:

Aus Sicht des Kirchenkreises ist es gelungen, den Anspruch, den Luthers Bibelübersetzung an die verbindende ,Kraft der Worte‘ stellt, fröhlich, vielfältig und in allen Veranstaltungen inhaltsstark auf heutige Herausforderungen auszurichten. Wir haben dabei ein gutes Miteinander in der Gesellschaft nicht nur angemahnt, sondern in Vorbereitung und Durchführung mit vorzüglicher Resonanz gelebt.

Die Veranstaltungen waren durchweg sehr gut besucht. Ebenfalls ist es gelungen, verschiedene Zielgruppen anzusprechen und miteinander ins Gespräch zu bringen – sei es mit der Etablierung von modernen Kunstausstellungen im Stadtraum, einem Schulaktionstag im Rahmen der Festwoche „Kraft der Worte“, einer Schülerakademie mit Prof. Dr. Norbert Lammert oder der Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster Religion und Politik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Insbesondere die „Eisenacher Pilgerbibel – die längste Bibel der Welt“ zog überregional Aufmerksamkeit auf sich und wurde im europäischen Ausland – so beispielsweise in den Niederlanden und Spanien – wahrgenommen.

Dass unser Kernanliegen, die Beschäftigung mit der Wirkmacht von Sprache, durch den Ausbruch des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine traurige Aktualität erlangt hat, war uns allen während der Planung nicht bewusst. Das krachende Scheitern von Dialog und Diplomatie hat uns zutiefst erschüttert, so die Oberbürgermeisterin.

Nicht zufällig lag ein Schwerpunkt des Jubiläumsprogramms wiederholt auf dem Umgang mit Hate Speech, Fake News und der zunehmenden Aggressivität scheinbar anonymer Kommunikation in sozialen Medien.

STATEMENTS DES LUTHER-NETZWERKES

Als enge Partner haben die Internationale Martin Luther Stiftung (IMLS) und die Deutsche Bibelgesellschaft (DBG) das Jubiläum begleitet. Sie trugen das Projekt „Wartburg-Experiment – Zwiesprache mit der Lutherbibel 2021-2022“ bei. Mit Uwe Kolbe, Iris Wolff und Senthuran Varatharajah residierten im Herbst 2021 drei preisgekrönte zeitgenössische Autoren jeweils einen Monat am authentischen Ort, unmittelbar neben der Lutherstube der Wartburg. Sie „über-setzten“ biblische Themen oder Motive und Inspirationen des genius loci auf literarische Weise. „Das Experiment ist gelungen“, sind Dr. Thomas A. Seidel (IMLS) und Michael Jahnke (DBG) sowohl von den Begegnungen und Veranstaltungen während der Präsenzzeit der drei Autoren vor Ort in Eisenach und Erfurt wie auch vom literarischen Ergebnis in Buchform begeistert. Alle drei hätten sich von der bildhaften Sprache Luthers und der spirituellen Kraft seiner Texte inspirieren lassen, „mit großer Konzentration, Ernsthaftigkeit und Intensität“, so Seidel. Die im Rahmen des Wartburg-Experiments entstandenen Texte wurden im August 2022 unter dem Titel „Der Augenblick nennt seinen Namen nicht. Wartburg-Tagebücher“ (Otto-Müller-Verlag Salzburg, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, unterstützt durch den Wartburg-Verlag Weimar) publiziert.

Die Wartburg zieht ein positives Fazit aus den Jubiläumsaktivitäten zur Bibelübersetzung ins Deutsche durch Martin Luther vor 500 Jahren. In gemeinsamer Arbeit haben die Stadt Eisenach, die Akteure des Luther-Netzwerkes und die Wartburg-Stiftung vielfältige und thematisch vielfarbige Akzente setzen können. Sie strahlen weit über Eisenach und Thüringen hinaus und regen auch weiterhin zur Auseinandersetzung mit dem Wirken Martin Luthers und zugleich der ,Macht der Worte‘ in unserer heutigen Zeit an, sagte Frau Dr. Franziska Nentwig, Burghauptmann und Vorstand der Wartburg-Stiftung.

Die gleichnamige Sonderausstellung der Wartburg-Stiftung, ein Kernbeitrag zum Thüringer Themenjahr 2022 „Welt übersetzen“, wurde am 4. Mai 2022 eröffnet und aufgrund des hohen Publikumsinteresses bis zum 6. Januar 2023 verlängert.

Die Stiftung Lutherhaus Eisenach aktualisierte anlässlich des Jubiläums ihre seit 2015 bestehende Dauerausstellung „Luther und die Bibel“ und erweiterte diese mit drei interaktiven Multimedia-Terminals thematisch um die überraschende Wirkungsgeschichte von Luthers berühmtestem Kirchenlied „Ein feste Burg ist unser Gott“, den Einfluss von Luthers Bibelübersetzung auf andere volkssprachliche Bibelübersetzungen in ganz Europa und die Versuche späterer Übersetzer*innen, den Bibeltext an die Vorstellungen, Bedürfnisse und Ideologien ihrer Zeit anzupassen.

Wir freuen uns, dass wir unseren Gästen im Jubiläum ,500 Jahre Bibelübersetzung‘ ein einzigartiges und umfangreiches Ausstellungsangebot präsentieren konnten, das die Entstehung und Wirkung von Luthers welthistorischer Bibelübersetzung in all ihren Facetten fundiert, innovativ und unterhaltsam vermittelt, sagte Dr. Jochen Birkenmeier, Direktor des Museums.

Mit vielen Mitmachangeboten und neu konzipierten Familienführungen ermöglichte das Museum vielen Gästen verschiedener Altersstufen einen spannenden Zugang zum Thema Bibelübersetzung.

Im Wartburgkreis und seinen Luther-Orten Möhra und Steinbach wurde das Jubiläum in der mittlerweile bereits tradierten Saison zwischen dem 4. Mai und dem Reformationstag gefeiert: Großen Zuspruch hatte die Event-Wanderung der Bad Liebenstein GmbH, die „die erste Kriminalgeschichte der Neuzeit“, Luthers Entführung im Glasbachgrund und seine Verbringung auf die Wartburg, mit Szenen aus dem gleichnamigen Volksstück an originalen Schauplätzen nachstellte. Hinter den Kulissen ertüchtigte der Regionalentwicklungsverein Werra-Wartburgregion e. V. im Jubiläumszeitraum den Thüringer Abschnitt des Lutherwegs 1521. Die Eröffnungswandergruppe wurde nach ihrer Tour von Oberellen über die Wartburg am 17. September 2022 feierlich auf der Eisenacher Bühne zur Festwoche „Kraft der Worte“ empfangen. Zum Reformationstag kamen Hunderte Gäste zum Reformationsmarkt in den Lutherstammort Möhra. Landrat Reinhard Krebs zieht eine durchweg positive Bilanz des Jubiläums:

Die ,Kraft der Worte‘ hat nicht nur in die Welt gewirkt, sondern unser Luther-Netzwerk hier vor Ort gestärkt. Mir war es wichtig, den Dialog zwischen den Akteuren zu fördern und damit den Zusammenhalt zu stärken. Persönlich haben mich die Predigtreihen besonders berührt, die das Vertrauen in die Macht des Wortes angesichts der epochalen gesellschaftlichen Umbrüche stärken konnten.

Wesentliche Impulse für den Tourismus gesetzt

Gefeiert wurde das Jubiläum „500 Jahre Bibelübersetzung“ vom 4. Mai 2021 – exakt 500 Jahre nach der Ankunft des Reformators Martin Luther auf der Wartburg – bis in den Herbst 2022 hinein. Denn im September 1522 erschien die Erstausgabe des auf der Wartburg übersetzten Neuen Testaments erstmals auf Deutsch. Die Corona-Pandemie und damit verbundene Einschränkungen, unter anderem die Schließung von Kulturinstitutionen und Hotels während des Lockdowns sowie die 2G- bzw. 3G-Beschränkungen bis zum Frühjahr, erschwerten den Start. Trotzdem registrierte die Eisenach-Wartburgregion Touristik GmbH von Januar bis August 2022 bereits 207.902 Übernachtungen.

Dank der zahlreichen Veranstaltungen im September, beispielsweise der Festwoche „Kraft der Worte“ vom 11. bis 18. September mit großem Schulaktionstag, Konzerten, Ständen und Kreativangeboten überall in der Innenstadt, dem ACHAVA-Festival und Gottesdiensten sowie weiteren Veranstaltungen bis zum Reformationstag, dürfte diese Zahl noch weiter gestiegen sein.

Ich freue mich außerordentlich darüber, dass unser Jubiläum dazu beigetragen hat, wichtige Impulse zur Wiederbelebung des noch immer von den Corona-Folgen geprägten Tourismus in Eisenach und der Region zu setzen, so Oberbürgermeisterin Katja Wolf.

Folgeprojekt im Februar geplant

Ein Folgeprojekt ist im Februar 2023 geplant. Mit der zeitweisen Installation eines mehrere Meter langen Albatros aus einer Stahlkonstruktion auf dem Dach des Thüringer Landestheaters Eisenach verwirklicht die Kunststudentin Pascale Feitner ihr Projekt „Albatros oder Gedanken sind frei“. Die Idee hierfür wurde bereits während der Kunstausstellung „Übersetzen“ der Kunstakademie Münster im Mai und Juni 2022 präsentiert. Das Theater sei von jeher die erste Instanz, wo Kritik geübt und neue Wertvorstellungen geboren und verbreitet werden, so die Künstlerin. Anknüpfend an Martin Luther führt sie die Freiheit eigener Gedanken und persönlichen Überzeugung weiter bis zu Meinungs- und Glaubensfreiheit, die es immer wieder zu verteidigen gilt.

Durch großzügige finanzielle Unterstützung wurde das Jubiläum erst möglich. So förderte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien die einzelnen Aktionen in Eisenach mit insgesamt 330.000 Euro. Der Freistaat Thüringen trug 200.000 Euro zur Finanzierung bei. Die Wartburg-Sparkasse und ihre Partner, Sparkassenstiftung der Wartburgregion, Sparkassen Versicherung und Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, unterstützten das Bibeljubiläum mit 64.000 Euro – allein davon 10.000 Euro für die Eisenacher Pilgerbibel. Die Evangelische Kirche Mitteldeutschland hat ebenfalls erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, sowohl für die Pilgerbibel, als auch für die Ausrichtung der Festwoche „Kraft der Worte“. Einen Überblick über das gesamte Jubiläumsprogramm sowie Rückblicke auf einzelne Projekte finden Sie hier: https://www.eisenach.de/kultur/welt-uebersetzen-2022/