8,50 Euro Mindestlohn: Kaufkraft in
Eisenach würde um 14,7 Mio. Euro steigen

Im Job alles geben – und trotzdem wenig dafür bekommen: In Eisenach arbeiten rund 7200 Menschen für einen Niedriglohn. Sie verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Das ist das Ergebnis einer Studie vom Pestel-Institut in Hannover. Die Wissenschaftler haben darüber hinaus untersucht, welche positiven Effekte ein gesetzlicher Mindestlohn für die heimische Wirtschaft hätte: «Die Kaufkraft in Eisenach würde um 14,7 Millionen Euro pro Jahr steigen. Vorausgesetzt, jeder Beschäftigte verdient künftig mindestens 8,50 Euro pro Stunde», sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Der Leiter der Mindestlohn-Studie erwartet, dass der Zuwachs an Kaufkraft nahezu eins zu eins in den Konsum gehen würde.

Für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sind die Ergebnisse der Studie ein klares Argument für die sofortige Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro. Beide Gewerkschaften hatten die Untersuchung in Auftrag gegeben. «Wer den ganzen Tag arbeitet, muss mit dem, was er verdient, auch klarkommen können. Das klappt aber nicht, wenn Dumpinglöhne gezahlt werden. Und ein Dumpinglohn ist alles unter 8,50 Euro pro Stunde», sagt die Geschäftsführerin des ver.di-Bezirks Südthüringen, Martina Koziol.

Niedriglöhner seien gezwungen, kürzer zu treten und Verzicht zu üben. «Sie können am Leben nicht richtig teilnehmen. Das fängt schon beim Bus- und Bahnticket an. Für Ausflüge und selbst für Verwandtenbesuche reicht das Geld oft nicht. Genauso wie fürs Kino oder Schwimmbad», sagt Martina Koziol. Ein Niedriglohn bedeute automatisch «eine Lebensqualität dritter Klasse».

Das zeige sich ganz besonders beim Einkauf: «Wer von einem Niedriglohn lebt, für den sind die Käse- und die Frischfleischtheke im Supermarkt tabu. Bei Lebensmitteln kommen dann nur Sonderangebote und Billigprodukte in Frage. Am besten reduzierte Ware: Zweite-Wahl-Produkte oder Sachen kurz vor dem Ablaufdatum. Geringverdiener sind gezwungen, jeden Cent zweimal umzudrehen», sagt die Geschäftsführerin der NGG-Region Thüringen, Christl Semmisch.

NGG und ver.di werfen Lohndumping-Arbeitgebern vor, sie würden sich ihre «Geiz-Löhne» vom Steuerzahler subventionieren lassen. «Nämlich dann, wenn Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Teilzeit- oder Vollzeitjob haben, aber so wenig verdienen, dass der Staat mit Hartz IV drauflegen muss. Das ist dann quasi staatlich subventioniertes Lohndumping. Solche Arbeitgeber sind schlichtweg unanständig», so Christl Semmisch.

Heftige Kritik üben ver.di und NGG an der schwarz-gelben Bundesregierung: «CDU/CSU und FDP sind die ‚Mindestlohn-Bremsen’. Die Wahrheit ist, beide – Union und Liberale – wollen keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Vor der Bundestagswahl nicht. Und nach der Bundestagswahl erst recht nicht», sagt ver.di-Bezirksgeschäftsführerin Martina Koziol. Das von Teilen der schwarz-gelben Koalition geforderte Modell, für unterschiedliche Regionen und unterschiedliche Branchen unterschiedliche Mindestlöhne einzuführen, sei eine «Farce und von vornherein zum Scheitern verurteilt». Dies komme einem «Lohn-Flickenteppich» gleich und sei «reine Augenwischerei».

«Kein Mensch wird eine ‚Republik der 1000 Mindestlöhne’ je überblicken, geschweige denn kontrollieren können. Ganz abgesehen davon, dass viele Unternehmer nicht einmal bereit sein werden, sich mit den Gewerkschaften an einen regionalen Verhandlungstisch zu setzen», so Christl Semmisch von der NGG-Region Thüringen. Damit sei klar, dass dies sogar zu einem «Mindestlohn-Flickenteppich mit vielen Löchern» führen werde. NGG und ver.di appellieren an alle Beschäftigten, die in Eisenach zu einem Niedriglohn arbeiten, diesen online beim Dumpinglohnmelder (www.dumpinglohnmelder.de) anzuzeigen. Die beiden Gewerkschaften wollen so noch vor der Bundestagswahl die «Deutschland-Billiglohn-Landkarte» vervollständigen.