Acht weitere Stolpersteine in Eisenach verlegt

Neue Stolpersteine sind in Eisenach verlegt worden. Am gestrigen Dienstag, 3. Oktober, sind an fünf Orten Stolpersteine für acht Menschen in Gehwegpflaster eingesetzt worden. Die Steine erinnern an die Angehörigen der Familien Maerker, Müller, Meyer, Treu, Gorter, Hattenhauer und Pendrucki.

Seit der ersten Verlegung am 10. August 2009 wurden bis zur zehnten Verlegung am
3. Oktober 2023 insgesamt 136 Stolpersteine in Eisenach eingesetzt.

Im Namen der Stadt begrüßte Ulrike Quentel, Leiterin des Büros für Chancengleichheit und Vielfalt, die Gäste mit einem Zitat von Avital Ben Chorin, Ehrenbürgerin der Stadt Eisenach, “Wir sind nicht schuldig, was damals Schreckliches in unserer Geschichte passiert ist, aber wir sind verantwortlich, dass so etwas nicht wieder passieren darf.“

Am Landestheater erinnerte Schauspieler Christoph Rabeneck an zwei ehemaligen Theaterleiter und las aus deren Biografien.

Zu den Schicksalen der anderen Menschen, an die mit einem Stolperstein erinnert wurde, sprach Frank Rothe vom Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach.

Stolpersteine
Wie es der Name schon sagt, geht es dabei um in Straßenpflaster eingelassene Steine. Die Gedenktafeln sind ein Mahnmal und sollen an das Schicksal der Menschen – Juden, Sozialisten, Kommunisten – erinnern, die von Nationalsozialisten ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Freitod getrieben wurden. Auf der Oberseite der Stolpersteine befindet sich eine beschriftete Messingplatte mit Angaben zu Name, Geburtsdatum, Tag der Deportation und Ort der Ermordung. Der Berliner Künstler Gunther Demnig hatte die Idee zu den Steinen, die seit 2009 fester Bestandteil in Eisenach sind.

Im Einzelnen wird erinnert an:

Fritz-Koch-Straße 2

ALFRED MAERKER

Alfred Maerker wurde im Jahr 1864 in Berlin geboren. Dort gründete er in den 1890er Jahren ein Bankgeschäft, welches jedoch nur wenig Erfolg hatte. Um 1920 kam er mit seiner Mutter Henriette, seiner Schwester Martha und seiner Ehefrau Luise geb. Werner (eine Nicht-Jüdin) nach Eisenach. Er erwarb die Villa in der damaligen Bismarckstraße (heute Fritz-Koch-Straße 2). Aus der im Jahr 1907 eingegangenen Ehe mit Luise, ging Tochter Hertha hervor, welche den Holocaust im Exil überlebte.

Maerker spielte eine wichtige Rolle beim Aufbau der Thüringer Staatsbank in den frühen 1920er Jahren. Außerdem war er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, für die er 1925 bis 1932 im Eisenacher Stadtrat saß. Nach der Machtergreifung durch die NSDAP wurde Maerker, der nicht Mitglied der Eisenacher Jüdischen Gemeinde war, dennoch aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Maerker wurde am 19. September 1942 aus Eisenach nach Theresienstadt deportiert, wo er am 14. Oktober starb.

MARTHA MAERKER

Martha Maerker wurde 1865 in Berlin als Tochter von Henriette, geb. Worrmann, und Moritz Maerker geboren. Der Vater war bereits 1908 in Berlin verstorben. Offenbar blieb sie unverheiratet.

Sie begleitete ihren Bruder Alfred und ihre Mutter Henriette zu Beginn der 1920er Jahre beim Umzug nach Eisenach. Ihre Mutter starb hier 1929. 

Sie selbst lebte bei ihrem Bruder, mit dem sie gemeinsam am 19. September 1942 aus Eisenach deportiert wurde. Martha Maerker starb am 16. Oktober 1942 in Theresienstadt.

Georgenstraße 36

FERDINAND MÜLLER

Ferdinand Müller wurde am 9. Dezember 1869 in Herleshausen geboren. Über ihn ist wenig bekannt.

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Er lebte wohl längere Zeit in Lengsfeld, wo er 1896 Rosa, geb. Löwenstein, geheiratet hatte. Das Paar hatte offenbar keine Kinder. Ferdinand Müller war Viehhändler und kam wohl nach dem Ersten Weltkrieg nach Eisenach, lebte hier zunächst in der Kapellenstraße 4, später in der Georgenstraße 36. Von hieraus wurde er am 20. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 21. April 1944 starb.

Hospitalstraße 1

THEODORE MEYER

Theodore Meyer wurde am 7. November 1863 in Eberfeld als Tochter von David und Karoline Mandelbaum geboren. Sie heiratete den jüdischen Lehrer und Prediger Ernst Meyer, der von 1897 bis zu seinem Tod 1923 als Lehrer der jüdischen Gemeinde in Eisenach tätig war. Das Paar hatte drei Kinder, die durch Emigration den Holocaust überlebten. Verwitwet lebte Theodore Meyer im Haus Hospitalstraße 1, welches die Familie nach dem Ersten Weltkrieg erworben hatte. Sie wurde am 19. September 1942 aus Eisenach nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 29. Januar 1943 starb.

Vor dem Theater

RICHARD TREU

Richard Treu wurde am 16. Februar 1873 geboren und erhielt eine Ausbildung als Schauspieler und Regisseur. Nach Engagement an verschiedenen deutschen Theatern, u.a. Mainz, Elberfeld, Chemnitz, Nürnberg, Erfurt, war er von 1913 bis 1920 Theaterleiter in Eisenach. Er war Mitglied der hiesigen jüdischen Gemeinde.

In seine Zeit als Intendant fiel u.a. die Verpflichtung des aufstrebenden österreichisch-jüdischen Schauspielers Fritz Wisten, geboren als Moritz Weinstein. Seit spätestens 1935 lebte Treu in Berlin.

Von hieraus wurde er im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 14. April 1943 starb.

RICHARD GORTER

Richard Gorter wurde am 20. Juni 1875 in München als Sohn des Kaufmanns Josef Kohn und dessen Ehefrau Lucie, geb. Gutmann, die in zweiter Ehe mit dem nichtjüdischen Kaufmann Onno Gorter verheiratet war, geboren. Gorter war Schauspieler und Regisseur. Aus seinen zwei Ehen ging vier Kinder hervor. Gorter wirkte an verschiedenen Theatern, u.a. in Wiesbaden, Stettin, Graz, Hannover, Breslau und Berlin. Seit 1924 leitete er das Theater in Eisenach, das in dieser Zeit unter starker Finanznot stand, weshalb es zwischen Gorter und dem Stadtvorstand immer wieder zu Streit kam. 1927 verließ er Eisenach. Nach der Machtergreifung durch die NSDAP erhielt Gorter Berufsverbot in Berlin und zog sich mit seiner Familie nach Kochel am See zurück. Er musste Zwangsarbeit leisten.

Im Januar 1943 nahm sich Gorter in Erwartung seiner Deportation das Leben.

Auf dem Markt

HEDWIG HATTENHAUER

Hedwig Dora Hattenhauer ist am 2. Januar 1907 in Bissingen/Enz als Tochter von Franz und Auguste, geb. Hartung, Lucke, genannt Schönberg, geboren. Um 1912 kam die Familie nach Eisenach. Hier heiratete Hedwig 1929 Friedrich Hattenhauer, mit dem sie bereits zwei Kinder hatte. Die Ehe wurde 1931 geschieden. Am 15. November 1940 wurde sie auf dem Eisenach Markt wegen so genannter „Rassenschande“ öffentlich angeprangert, weil sie eine Beziehung mit dem polnischen Arbeiter Eduard Pendrucki eingegangen war. Anschließend lieferte man Hedwig Hattenhauer in die Landesheilanstalt Hildburghausen ein. 1941/42 war sie im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert. Nach ihrer Entlassung heiratete sie in Eisenach und trug fortan den Namen Schmerbach. Hedwig Schmerbach starb 1968 in Eisenach, ohne dass sie jemals rehabilitiert worden wäre.

EDUARD PENDRUCKI

Eduard Pendrucki kam am 13. Juli 1906 in Niemce im Distrikt Lublin zur Welt. Er war von Beruf Maschinist und Zimmermann. Wann er nach Eisenach kam, ist nicht bekannt. Hier arbeitete er als so genannter „Hausbursche“ auf der Wartburg. Wo und wie sich Eduard Pendrucki und Hedwig Hattenhauer kennengelernt haben, ist nicht bekannt. Er wurde am 15. November 1940 gemeinsam mit ihr auf dem Eisenacher Markt öffentlich angeprangert. Am 29. November 1940 wurde er, wie es zynisch hieß, wegen „Verkehr mit deutschem Mädchen“ im Konzentrationslager Buchenwald interniert. Von hier bracht man ihn in das KZ Mauthausen, wenig später in dessen Außenlager KZ Gusen, wo er, wie es in den Quellen heißt, am 3. September 1942 an einer Lungenentzündung verstorben ist.

Finanziert werden die Stolpersteine von Einwohner*innen, Gruppen, Vereinen und Interessengemeinschaften. In diesem Jahr haben acht Paten mit ihrer Spende die Verlegung der acht Stolpersteine ermöglicht. Ein Stein kostet 120 Euro. Wer gerne eine Patenschaft für weitere Stolpersteine übernehmen möchte, meldet sich bitte beim Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach unter der Telefonnummer 0170-5952155 oder per Email an: stolpersteine@bgr-eisenach.de.

Foto: Die beiden neu verlegten Stolpersteine auf dem Eisenacher Marktplatz © Frank Rothe

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