Die DDR-Führung mauerte ihr eigenes Volk ein

Gedenken in Eisenach-Göringen an den Mauerbau vor 59 Jahren                                                                              

An einen Ort, wo die Menschen die Teilung Deutschlands viele Jahre hautnah erlebten, im Eisenacher Ortsteil Göringen, unmittelbar an der ehemals innerdeutschen Grenze mit Stacheldraht und Todesschüssen, hatten SPD und CDU der Wartburgstadt zum Gedenken des Mauerbaus vor 59 Jahren eingeladen. Vielleicht lag es auch am Ort der Gedenkveranstaltung, dass mehr Menschen als in den letzten Jahren gekommen waren.

Der Posaunenchor der Wartburgstadt um Professor Dr. Jürgen Stückrad umrahmte die Wortbeiträge vortrefflich. Heidrun Sachse, Vorsitzende der Eisenacher SPD, eröffnete die Veranstaltung. Thüringens ehemalige Staatssekretärin Dr. Babette Winter (SPD) erinnerte an die Gräueltaten des DDR-Regimes an der Mauer. Die SED-Führung habe mit ihrem „antifaschistischen Schutzwall“ das eigene Volk eingemauert. Noch wenige Tage vor dem 13. August 1961 hatte SED- und Staatschef Walter Ulbricht den in die Geschichte eingehenden Satz verkündet, dass man keinesfalls den Bau einer Mauer plane. Mit ganz persönlichen Erinnerungen bereicherten Eisenachs Bürgermeister Dr. Uwe Möller  und der Herleshäuser Allgemeinmediziner Dr. Hans-Peter Marsch die Gedenkfeier. Dr. Uwe Möller, einst Schüler am Ernst-Abbe-Gymnasium, berichtete davon, dass er seine Schulkameraden im Grenzgebiet nie besuchen durfte. Einige Teilnehmer der Veranstaltung dachten dabei sicherlich auch an das menschenerniedrigende Vorsprechen und Beantragen eines Bewilligungsscheines im Volkspolizeikreisamt Eisenach zum Einreisen in das Grenzgebiet zu Geburtstagen naher Verwandter oder auch, um als aktiver Fußballer mit seiner Mannschaft zum Punktspiel fahren zu können. Was flossen da auch für Tränen, wenn Besuche zu engsten Familienangehörigen „im Westen“, in der Bundesrepublik Deutschland, abgelehnt wurden! Erst Bundeskanzler Willv Brandt hatte mit dem Grundlagenvertrag Reiseerleichterungen für die DDR-Bürger erreicht. Dr. Uwe Möller erinnerte sich aber auch daran, dass in Eisenach über das hier zu empfangende „Westfernsehen“ der Blick in das andere Deutschland, in die „freie Welt“, möglich war. Während des Studiums in Dresden, „im Tal der Ahnungslosen“, habe er dies sehr vermisst.  Der Eisenacher Bürgermeister erinnerte zugleich daran, dass die Zeit der Mauer auch den nach der Wende geborenen Menschen vermittelt werden müsse. Was junge Menschen davon wissen, schilderte er anhand der Befragung einer Auszubildenden im Eisenacher Rathaus.

Dr. Hans-Peter Marsch, Jahrgang 1943, noch immer praktizierender Arzt in Herleshausen, schilderte die Zeit der Teilung Deutschlands aus „westlicher Sicht“, direkt an der Mauer, an der viele Menschen ihr Leben ließen, verletzt oder schon zuvor verhaftet und eingekerkert wurden. Er hatte selbst beobachtet, wie ein Mensch, der vom einen in den anderen Teil Deutschlands wollte, an den Grenzanlagen niedergeschossen und dort längere Zeit liegengelassen wurde. Er berichtete aber auch von der überschäumenden Freude in Herleshausen, als 1989 die Mauer durch die friedliche Revolution der Menschen in der DDR fiel, die „Trabbis“ und „Wartburgs“ in Herleshausen einfuhren.  Als Arzt wurde er am Tag der Grenzöffnung zu einem im Auto aus der DDR einen Herzanfall erleidenden Menschen gerufen. Dieser konnte die Freiheit nur kurz erleben. Dr. Peter Marsch konnte nur noch dessen Tod feststellen. Innerlich ließ mancher der Teilnehmer der Veranstaltung seine erste Reise in den westlichen Teil Deutschlands nach dem Mauerfall Revue passieren.

Raymond Walk, Vorsitzender der Eisenacher CDU und Landtagsabgeordneter, erinnerte daran, dass demokratische Grundrechte in der DDR mit Füßen getreten, Andersdenkende verhaftet und ins Gefängnis geworfen wurden. Oftmals ohne Prozess. Unsere Demokratie, die gerade in diesen Tagen wieder vieles auszuhalten habe, dürfe nicht als selbstverständlich hingenommen werden. Er forderte auch, das größere Teile, mehr als vorgesehen, vom einstigen SED-Vermögen, in Erinnerungsstätten der SED-Diktatur fließen. Das Geschehene, die Stasi-Machenschaften, dürfe nicht vergessen werden!

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