Ein früherer Innenminister vor Gericht

Erneut hat das Stadtarchiv Eisenach einen wertvollen Nachlass erhalten. Die Nachkommen des früheren Eisenacher Oberbürgermeisters Karl Hermann übergaben das noch vorhandene Material, das sein Leben dokumentiert.

Wer war Karl Hermann? Er wurde 1885 in Unkeroda geboren und starb 1973 in Eisenach. Nach der Volksschule absolvierte er eine Maurerlehre und war dann Geschäftsführer des Bauarbeiterverbandes in Eisenach. Aus dem Krieg zurückgekehrt, avancierte Hermann zu einem der führenden Köpfe der linken Sozialdemokratie, die 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet hatte. Zwischen 1921 und 1924 amtierte er als Innenminister in Thüringen. Die politische Rechte versuchte, ihn nachträglich zu diffamieren, indem sie ihm diverse Dienstvergehen unterstellte. Alle diesbezüglichen Prozesse gewann Hermann jedoch, der unter anderem von dem jüdischen Eisenacher Rechtsanwalt Dr. Julius Blüth vertreten wurde.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt, war er in verschiedenen Bereichen tätig und zugleich Landtags- und Reichstagsabgeordneter. Seine politischen Ideale machten Hermann naturgemäß zu einem Gegner der Nationalsozialisten, die ihn verfolgten. Gewarnt durch seinen Parteifreund Louis Brill konnte er sich 1938 der Verhaftung noch entziehen. «Aus Sicherheitsgründen hat er damals große Teile seines Schriftwechsels selbst vernichtet, so dass der Nachlass dementsprechend rudimentär ist», sagt Dr. Reinhold Brunner, Leiter des Stadtarchivs.
1944 erfolgte dennoch seine Verhaftung, die sich in seinem fortgesetzten Widerstand gegen das NS-Regime begründete. Im Sommer des folgenden Jahres kehrte er aus dem Konzentrationslager Ravensbrück zurück und wurde Oberbürgermeister in Eisenach. Ein Jahr später wechselte er in das Thüringer Innenministerium, von 1948 bis 1951 war er Oberbürgermeister in Mühlhausen.

Nach seinem Ausscheiden wurde ihm seitens der Parteiführung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) lange Zeit die Anerkennung seiner politischen Verdienste verweigert. Er blieb im Herzen wohl immer Sozialdemokrat und begegnete der SED-Politik mit Skepsis. Zum Ende seines Lebens ehrte man ihn schließlich dennoch. Sowohl vom Staat als auch von der Partei wurde er mit Ehrungen überhäuft, unter anderem mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold, Silber und Bronze. Hermann wurde 1966 Ehrenbürger von Eisenach.

Der Nachlass enthält viele interessante Informationen zur persönlichen und beruflichen Biographie Hermanns. Urkunden, Orden und die zugehörigen Glückwunschadressen, unter anderem von Walter Ulbricht, sind ebenso überliefert wie die Prozessakten aus den Jahren 1924 bis 1926. Wertvoll sind außerdem seine Briefwechsel, die er während seiner Zeit als Eisenacher Oberbürgermeister geführt hat.

Reichhaltig ist das Bildmaterial. «Bisher waren Bilder Hermanns aus der Zeit vor 1945 nicht bekannt», sagt Dr. Reinhold Brunner. Der Nachlass enthält aber auch seinen Wehrpass von 1944 mit einem entsprechenden Porträt. Teilweise lässt sich anhand der überlieferten Dokumente nun auch sein politisches Wirken im Thüringer Landtag sowie im Reichstag genauer rekonstruieren. Auch ein großformatiges Porträtbild Hermanns aus dem Jahr 1946 gehört zu den Materialien, die nun die Sammlung des Archivs bereichern.

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