Eisenach erinnert mit stadtweiter Gedenkaktion an das Pogrom gegen die jüdischen Einwohner vor 80 Jahren

Bildquelle: Werbeagentur Frank Bode | www.werbe-bo.de

Am Abend des 9. November 1938 gab es auch in Eisenach ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Daran erinnern seit Jahren zahlreiche Vertreter von Vereinen, Verbänden und Institutionen am 9. November.

In diesem Jahr lädt die Stadt Eisenach gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen, der katholischen Kirchgemeinde St. Elisabeth und dem Eisenacher Bündnis gegen Rechtsextremismus (BgR), mit Gewerkschaften und weiteren Organisationen an diesem Tag erneut alle Eisenacher Einwohner zu einer Gedenkveranstaltung ein. Gemeinsam mit den Eisenacher Bürgerinnen und Bürgern wollen sie am 80. Jahrestag der Pogromnacht im Rahmen einer stadtweiten Gedenkaktion erinnern und gegen neu aufkommendem Antisemitismus mahnen und ein Zeichen senden. Schülerinnen und Schüler unter anderem der Staatlichen Regelschule „Johann Wolfgang von Goethe“, der Thüringer Gemeinschaftsschule „Oststadtschule“ und die Waldorfschule Eisenach gestalten das Gedenken mit.

Bereichert wird die Gedenkveranstaltung erstmals von einem Kunstprojekt des Künstlers Hans Ferenz. In einer „Offenen Werkstatt“ entstehen mit Hilfe vieler freiwilliger Helfer ab 30. Oktober im KunstPavillon an der Wartburgallee 240 übergroße Gedenksteine. Die Seiten der Quader sind 50 Zentimeter lang. Einige der messingfarbenen Gedenksteine werden mit Namen der Konzentrationslager beschriftet, in die Eisenacher Jüdinnen und Juden deportiert wurden. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945) verloren insgesamt 240 Eisenacher Juden ihr Leben – durch Selbstmord vor der Deportation, durch Zwangsarbeit, in Gaskammern.

Am Freitag, 9. November, werden ab 10 Uhr die etwa zwei Kilogramm schweren Gedenksteine von der „Offenen Werkstatt“ aus über eine Menschenkette in die rund 700 Meter entfernte Karlstraße (die früher einmal Judengasse hieß), Kreuzung Querstraße von Hand zu Hand weitergereicht. Dort werden sie gemeinsam ausgelegt. Wer sich an dieser Menschenkette beteiligen möchte, ist herzlich eingeladen.

Zwischen den Gedenksteinen in der Karlstraße gibt es von 11 bis 15 Uhr Straßentheater zu sehen und zu hören. Schülerinnen und Schüler aus Schmalkalden führen nachdenklich stimmende Theaterszenen auf und Musiker spielen an wechselnden Orten „zerrissene Melodien“.

Anschließend, gegen 15.15 Uhr, wird im Landestheater Eisenach das Stück „Zigeuner-Boxer“ aufgeführt.

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Am späten Nachmittag des 9. November, um 17 Uhr, beginnt in der Halle des Eisenacher Hauptbahnhofes, an der Tafel zum Gedenken an die von hier Deportierten, die zentrale Gedenkveranstaltung. Dazu können Teilnehmer die Gedenksteine aus der Karlstraße in die Bahnhofshalle (mit)bringen. Der Künstler Hans Ferenz wird dort anschließend sein Kunstprojekt vorstellen. Schülerinnen und Schüler der Waldorfschule stimmen musikalisch auf das Gedenken ein. Nach einem Versöhnungsgebet mit Pfarrer Hans Christian Beer (Evangelische Kirchgemeinde Eisenach) in der Bahnhofshalle machen sich die Teilnehmenden gemeinsam auf den „Weg des Gedenkens“ zur dem Ort in der Karl-Marx-Straße, wo bis 1938 die Eisenacher Synagoge stand. Auf diesem Weg sollen auch die Gedenksteine des Kunstprojektes mitgenommen und an der Synagogen-Gedenkstätte abgelegt werden. Symbolisch wird damit jüdisches Leben zurück in die Stadt getragen.

An der Synagogen-Gedenkstätte wird der Hauptamtliche Beigeordnete Ingo Wachtmeister in seiner Rede an die Ereignisse vor 80 Jahren erinnern. Anschließend wird Pfarrer Bernhard Wehner von der Katholischen Kirchgemeinde St. Elisabeth mit einem Gebet der Opfer des Pogroms gedenken. Der Eisenacher Posaunenchor wird das Gedenken musikalisch begleiten.

Anschließend wird zu zwanglosen Gesprächen bei Tee und Gebäck an der Synagogen-Gedenkstätte eingeladen.

Abends ist im Filmtheater Capitol (Alexanderstraße) der Film „Wir Juden aus Breslau“ zu sehen, zu der auch der Regisseur Dirk Szuszies erwartet wird. Beginn der Vorführung ist 19 Uhr. Veranstalter sind die Evangelische Akademie Thüringen und die Jugendbildungsstätte Junker Jörg.

Die Gedenksteine des Kunstprojektes werden nach dem 9. November in einer Ausstellung in der Stadtverwaltung präsentiert und sind dort bis Ende Januar 2019 zu sehen.

Pogrom in Eisenach:
In der Pogromnacht waren damals viele Eisenacher Juden in der Goethe-Sporthalle neben der heutigen Synagogen-Gedenkstätte zusammengetrieben worden, bevor viele von ihnen nach Buchenwald abtransportiert wurden. Die Eisenacher Synagoge wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938 völlig zerstört. Nachdem Mitglieder der Hitlerjugend und der SA (Sturmabteilung) die Einrichtung mit Äxten zerschlagen hatten, zündeten diese gegen 22.30 Uhr das Gotteshaus an, das bis auf die Grundmauern abbrannte. Alle jüdischen Geschäfte, viele Wohnhäuser und der Friedhof wurden demoliert. Im September 1941 wurde die 145 noch in der Stadt lebenden Juden im Haus Goethestraße 48 eingepfercht und 1942 von dort nach Belzec und Theresienstadt deportiert. Nur wenige der Deportierten überlebten.

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