Gespräche mit Zeitzeugen fortgesetzt

Die Archivleiterin Dr. des. Jessica Linder-Elsner und Kuratoriumsvorsitzender Lars Leonhardt setzten die Zeitzeugengespräche mit zwei ehemaligen Mitarbeitern des VEB Automobilwerk Eisenach in Zusammenarbeit mit dem Wartburg-Radio 96,5 fort.

Den Anfang machte Christian Tautz, ehemaliger Kundendienstleiter im Betrieb. Nach seiner Ausbildung in den Leunawerken Buna und einem anschließenden Studium in Leipzig kam Tautz mit seiner Frau 1960 nach Eisenach und blieb im Dienst des Automobilwerks bis 1990. Auch er schilderte die schlechte Wohnraumsituation in Eisenach bei ihrer Ankunft, denn sie mussten sich zunächst ein kleines Zimmer teilen eh sie eine eigene Wohnung beziehen konnten. Der Arbeitsbeginn gestaltete sich unterdessen ähnlich schwierig, denn Christian Tautz musste die ersten vier Wochen „sozialistische Hilfe“ in der Landwirtschaft leisten, bevor er dann seine Stelle im neu aufzubauenden Sachgebiet „Marktforschung“ antrat. Nur sieben Jahre später wurde er dann Kundendienstleiter und blieb auf diesem Posten bis zum Schluss. Zu seinen Aufgaben gehörten dabei die Betreuung des gesamten Service- und Werkstattnetzes im In- und Ausland, das Erstellen von Katalogen, Lehrfilmen, Verzeichnissen und Handbüchern sowie die Kooperation mit Werkstätten. Er schilderte, dass bis zuletzt ein ständiger Mangel und Kampf um Ressourcen im Betrieb bestand – er selbst erhielt sein erstes eigenes Auto mit 40 Jahren. Mit dem absehbaren Ende des AWE entschloss sich Tautz, zu VW zu gehen. Dort wurde er Außendienstverantwortlicher und blieb dies bis 1995. Bis zum Renteneintritt im Jahr 2003 war Christian Tautz bei einer Firma in Düsseldorf beschäftigt.

Als zweiter Gesprächspartner stand der ehemalige Rallyefahrer Egon Culmbacher Rede und Antwort. Seine Bewerbung im Betrieb wurden zunächst abgelehnt – Grund hierfür war der Wohnraummangel in Eisenach. Culmbacher war der letzte Lehrling im Rennkollektiv und konnte sein Hobby zum Beruf machen. Er war begeisterter Motorradfahrer, durch gute Kontakte bei der Gesellschaft für Sport- und Technik (GST) hatte er auch während seines Wehrdienstes in Gotha die Möglichkeit weiter zu trainieren. Nach dem Ende seiner Wehrpflicht bei der NVA kam er zunächst in die Versuchsabteilung des AWE und danach in die Sportabteilung. Dort bestieg er 1964 den Beifahrersitz im Wartburg 311 und blieb Copilot bis 1967, zum Beispiel bei Paul Thiel. 1967 wechselte Culmbacher dann in die Rallye-Gruppe und fuhr nun auch selbst Rallyeeinsätze, zum Beispiel mit Werksleiter Martin Zimmermann auf dem Copilotensitz. Aktiven Rallyesport betrieb Culmbacher  bis 1976 und blieb danach weiter in der Rallyegruppe und übernahm bei den Rennveranstaltungen die Betreuung der Fahrzeuge (Service). Sein größter Rallyeerfolg war 1973 der 2. Platz beim Weltmeisterschaftslauf zur Polski Rallye. Von 68 gestarteten Fahrzeugen erreichten aufgrund schlechter Witterung nur 3 Fahrzeuge das Ziel. Egon Culmbacher schilderte in unserem Gespräch aber nicht nur die schönen Seiten seiner Arbeit, sondern auch die Erschwernisse und Probleme. Dazu gehörte zum Beispiel die beschwerliche Anreise zu den Rennveranstaltungen, die bis 1979 in der Regel auf Achse – also mit dem Rennfahrzeug – erfolgte. Bis zur Rallye in Griechenland oder Finnland hatte das Team also schon mehr als tausend Kilometer hinter sich. Problematisch gestaltete sich auch das Training für bestimmte Rennen, denn in Eisenach gab es die geografischen Gegebenheiten wie in Finnland mit seinen großen Sprüngen eben nicht. Culmacher absolvierte insgesamt 109 Rallyes, fuhr dabei vier Mal den Gesamtsieg ein, verbuchte 34 Klassensiege und erhielt 58 Gold-, 28 Silber- und fünf Bronzemedaillen. Die erfolgreiche Rallyeabteilung wurde im Zuge der Umstrukturierung des Betriebes 1990 aufgelöst – Egon Culmbacher war da gerade 50 Jahre alt. Er fand zunächst eine Anstellung als Testfahrer bei Opel, wechselt dann jedoch zu EDAG, die damals die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des AWE übernommen hatten.

 

Jessica Lindner-Elsner

 

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