Kontroverse um Neubau im Thälmannviertel

Bildquelle: Werbeagentur Frank Bode | www.werbe-bo.de

Stadtspitze stellt sich hinter das Projekt – sozialer Wohnungsbau dringend gebraucht

Die Debatte um einen Neubau, den die Städtische Wohnungsgesellschaft (SWG) im Thälmannviertel errichten will, dauert an. Geplant ist ein Wohnkomplex mit 66 barrierefreien, altersgerechten und bezahlbaren Wohnungen, die im Viertel dringend benötigt werden. 19 dieser Wohnungen sollen als Wohngruppen angelegt werden. Auf dem Gelände an der Wilhelm-Pieck-Straße befindet sich aktuell ein Spielplatz. Dieser wird in südliche Richtung gegenüber der Wartburgschule verlegt und zum Mehrgenerationen-Spielplatz ausgebaut. Doch einige Anwohner laufen Sturm. Sie befürchten Beeinträchtigungen ihres gewohnten Wohnumfelds.

Wir werten das Viertel nachhaltig auf. Im Abwägungsprozess muss die Stadt zugunsten aller Bürgerinnen und Bürger entscheiden, macht Ingo Wachtmeister, der für Stadtentwicklung zuständige Dezernent, klar.

Wie groß der Bedarf an barrierefreiem Wohnraum gerade in diesem Wohngebiet ist, zeigt die Statistik. Im Planungsraum 4 (Auswertungsgebiet Thälmannstraße) leben insgesamt 4355 Menschen. Fast ein Drittel davon sind Senior*innen: 1407 über 65-Jährigen stehen nur 610 junge Menschen (unter 21 Jahre) gegenüber (Stand Dezember 2020).

Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur im Nordwesten der Stadt. Um auf den demografischen Wandel zu reagieren, beschloss der Stadtrat bereits im Dezember 2019 ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK). Die wichtigsten Ziele: Stabilisierung der demografischen Entwicklung, Qualifizierung des öffentlichen Raums, Verbesserung der Angebote für Senioren und Familien sowie der Erhalt von preiswertem Wohnraum. Für das Thälmannviertel heißt das konkret: Bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum schaffen, damit die Älteren in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Bestandswohnungen werden zugleich modernisiert, um junge Mieter und Familien anzuziehen.

Wohnungsmarktprognose geht von sehr hoher Nachfrage nach altersgerechten Wohnungen aus
Zusätzlich schätzte eine Wohnungsmarktprognose aus dem Jahr 2018 den Bedarf an neuem Wohnraum in Eisenach bis 2035 auf etwa 840 Wohnungen. Rund 240 davon müssten barrierefrei zugänglich und zugleich bezahlbar sein, heißt es in der Untersuchung des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik in Kooperation mit dem Büro TIMOUROU Wohn- und Stadtraumkonzepte. Weil überall in Deutschland bezahlbarer Wohnraum knapp wird, legte der Freistaat Thüringen, unterstützt durch Bundesmittel, zudem großzügige Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau auf. Die Städtische Wohnungsgesellschaft (SWG) reagierte und stieß verschiedene Projekte an – in der Katharinenstraße, der Georgenstraße und Fischerstadt, der Kapellenstraße, der Stedtfelder Straße und im Thälmannviertel.

Im Thälmannviertel allerdings gestaltete sich das Ringen um einen Standort schwierig. Eine erste Bauvoranfrage für eine Bebauung in der Fritz-Heckert-Straße zog die SWG 2017 nach einer Entscheidung des Stadtrats zurück. Die Stadtvertreter*innen wollten, dass auch Standorte untersucht werden, die nicht schon der SWG gehören. Es folgte ein Variantenvergleich, bei dem sich ein Standort in der Clara-Zetkin-Straße durchsetzte. Mit einem hohen Maß an Bürgerbeteiligung wurde dieses Projekt begleitet. Neben einer öffentlichen Informationsveranstaltung der SWG im September 2017, einer Einwohnerversammlung zum Variantenvergleich im Januar 2018 und einem Runden Tisch mit den wichtigsten Akteuren vor Ort im April 2018 wurde die Öffentlichkeit in die Entscheidungsfindung eingebunden.

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Der Bedarf an barrierefreien und bezahlbaren Wohnungen im Thälmannviertel ist weiterhin dringlich. Im Februar 2020 beschäftigte sich der SWG-Aufsichtsrat, in dem mehrere Mitglieder des Stadtrats vertreten sind, mit dem Standort Elefantenspielplatz. Am 14. Juli 2020 stimmte der Stadtrat mit nur einer Enthaltung dem dafür nötigen Grundstückstausch zwischen Stadt und SWG zu. Am 23. November 2020 wurde der Ausschuss für Stadtentwicklung, Klima, Verkehr und Sport über eine entsprechende Bauvoranfrage der SWG informiert. Am 13. April 2021 leitet der Haupt- und Finanzausschuss das Vergabeverfahren für die Planung des Mehrgenerationen-Spielplatzes am neuen Standort in die Wege, bevor am 27. April 2021 Stadt und SWG in einer Pressekonferenz erneut über das Projekt informierten.

Sorge um Fördermittel
Deshalb weist Wachtmeister den Vorwurf, die Stadtverwaltung habe intransparent gehandelt, entschieden zurück.

Am Bedarf und an der Platzsituation hat sich grundsätzlich nichts geändert. Die Argumente sind alle in der Vergangenheit bereits vielfach öffentlich diskutiert worden, betont der Dezernent.

Aufgrund der Gefährdungslage der Pandemie habe die Stadtverwaltung auf eine weitere Bürgerversammlung verzichten müssen. Bei den Plänen für den neuen Spielplatz wurde – nach Ende des Lockdowns – die Öffentlichkeit bereits mehrfach eingebunden, sei es mit einem Aufruf in Eisenacher Schulen, einem Workshop am 15. Juli in der Wartburgschule, der Beteiligung des Jugend- und des Seniorenbeirates oder der Vorstellung des Projekts im Beirat für integrierte Sozialplanung und Stadtentwicklung am 28. Juli.

Inzwischen hat sich eine neue Situation ergeben. Das Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie erwägt, das Thälmannviertel mitsamt Grünanlagen und Freiflächen ins Thüringische Denkmalbuch aufzunehmen. Bereits eingeleitete Planungen wären davon nicht betroffen, allerdings wird aus Teilen des Stadtrats die Überlegung laut, den Flächentausch wieder rückgängig zu machen.

Ich bin in großer Sorge, dass sich die Umsetzung des sozialen Wohnungsbaus in Eisenach weiter verzögert und bereits zugesagte Fördermittel unwiederbringlich verloren gehen, erklärt Oberbürgermeisterin Katja Wolf.

Insgesamt geht es um zwischen vier bis fünf Millionen Euro Zuschüsse und ergänzende Darlehensförderung, die in Aussicht gestellt wurden.

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