Leserbrief: Genug mit dem Anbiedern an den Wartburgkreis

Nur mal zur Erinnerung: Mitte der 90er Jahre  gab es in allen Landtagsfraktionen eine starke Lobby aus dem Raum Bad Salzungen. Diese wollte die kleine Kurstadt unbedingt aufwerten, sie zur „Hauptstadt“ eines Wartburgkreises machen. (Die altehrwürdige Wartburg lag schon damals nicht in den Kreisgrenzen!) Als „Ausgleich“ sollte Eisenach kreisfrei werden. Diese Veränderungen waren nicht das Bestreben der Stadt Eisenach, sondern allein der Bad Salzunger Lobby in der Thüringer Landesregierung und im Thüringer Landtag geschuldet. Kreisfreiheit für Eisenach, wohlwissend, das dies mit ca. 45.000 Einwohnern eigentlich nicht umsetzbar ist. Nach den Vorstellungen aus der Landeshauptstadt sollte Wutha-Farnroda eingemeindet werden, um die Einwohnerzahl von Eisenach aufzustocken.  Bis dahin sollte Eisenach regelmäßig Bedarfszuweisungen erhalten, um die Aufgaben einer kreisfreien Stadt – mit einer hierfür viel zu geringen Einwohnerzahl – erfüllen zu können. Wutha-Farnroda, mit Bürgermeister Ernst Kranz an der Spitze, „wehrte sich mit Händen und Füßen“. Schließlich wurde auf dem Gerichtsweg ein formeller Fehler festgestellt. Die Eingemeindung war vom Tisch. Doch Bad Salzungen war die Kreisstadt des Wartburgkreises, der Kreissitz mit dem Bau eines Landratsamtes betoniert und Eisenach blieb kreisfrei. Eisenach wurde mit seinen vielfältigen Aufgaben, auch vielen Funktionen für das Umland,  alleine gelassen. Haushaltskonsolidierungs-Konzepte mit schmerzhaften Einschnitten standen jährlich auf der Tagesordnung. Die Oberbürgermeister Gerhard Schneider und Matthias Doht mussten sich täglich damit beschäftigen, weil das Land den Strick immer enger zog. Das strukturelle Problem Eisenach, unverschuldet, wurde zwar anerkannt, aber keine Schlussfolgerungen gezogen.

Was nicht zusammengehört, wuchs auch nicht zusammen
Was blieb  – trotz aller Beteuerungen – der Rennsteig als natürliche Grenze des Gebildes Wartburgkreis. Was nicht zusammengehört, wuchs auch nicht zusammen! Der Nordkreis fand kaum Bindung zum Wartburgkreis. Vielleicht sollte man dem „Volk mal aufs Maul schauen“. Bereits ab Barchfeld über Bad Salzungen, Stadtlengsfeld, Kaltennordheim bis nach Geisa hegen die Menschen wenig Sympathie für einen gemeinsamen Kreis mit der Stadt Eisenach. Schlecht informiert sprechen sie von der „Eisenacher Großmannsucht“ und einer „bankrotten Stadt, die durch sie aufgepäppelt werden soll“. Die Abneigung ist offensichtlich. Diese ist ebenso bei den Menschen in der Stadt Eisenach spürbar. Ihnen fehlt mehrfach jegliche Beziehung zum Wartburgkreis. Was nicht gegen eine beiderseits fruchtbringende Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen spricht!

Wie tief die Kluft ist, gerade in punkto Kreisstadt, zeigte sich erst kürzlich auf dem Parteitag „Die Linke“. Die anderen demokratischen Parteien klammern dieses heikle Thema aus, versuchen nach außen Einmütigkeit zu zeigen. Doch hinter der Fassade brennt es…! Und was die „Zuneigung“ der Mandatsträger des Wartburgkreises belegt, ihre jüngst getroffene Entscheidung zum finanziellen Beitrag für das Eisenacher Landestheater. Selbst die Zeitungslandschaft blieb getrennt: hier die Thüringer Allgemeine und die Thüringische Landeszeitung, dort das Freie Wort und die Südthüringer Zeitung.

Rückkreisung löst die finanziellen Probleme nicht
Aufgeräumt werden muss auch mit dem Irrtum, eine Rückkreisung Eisenachs löse deren finanzielle Probleme. Eisenachs Stadtratsmitglied  Dieter Suck machte das jüngst deutlich. „Der Glaube, dass mit dem Ende der Kreisfreiheit, die finanziellen Probleme gelöst sind, ist falsch“, sagte der CDU-Politiker.  Eisenach muss dann – entsprechend seiner Einwohnerzahl – eine deftige Kreisumlage zahlen, verliert das Sagen über Schulen, Jugendclubs,  und Sportstätten. Bleiben zwei für die Stadt Eisenach so wichtigen, weil unterschiedlich ausgerichteten staatlichen Gymnasien, das Abbe-Gymnasium und das Elisabeth-Gymnasium? Die Entscheidung darüber fällt dann im Kreistag in Bad Salzungen. „Wir haben viel zu wenig für die Stadt und ihre Kreisfreiheit gekämpft“, sprach Harald Lieske, Stadtratsmitglied „Bürger für Eisenach“, vielen Einwohnern der Wartburgstadt aus dem Herzen. „Eine freiwillige Rückkreisung einfach so finde ich falsch“, unterstrich Eisenachs ehemaliger Oberbürgermeister Dr. Hans-Peter Brodhun. Er argumentiert: „Die Stadt hätte die Kreisfreiheit als Faustpfand für den künftigen Kreissitz nutzen müssen! Die Stadt Eisenach darf nicht schlechter gestellt werden als andere, vielleicht rückgekreiste Städte oder Große kreisangehörige Städte.“ Die Frage, was denn so problematisch sei, wenn Eisenach wieder zum Kreis gehört, beantwortete er so: „Dann entscheidet der Kreistag über wesentliche Dinge der Stadt wie Teile der Schulnetzkonzeption, Fragen der Jugend- und Sozialpolitik und vieles andere, was für Eisenach von immenser Bedeutung ist. Und ermuss sie auch finanzieren. Die Kreisumlage wird nicht so niedrig bleiben. Das wird Diskussionen geben, und ich fürchte, dass die Schuldzuweisungen dafür in Richtung Eisenach gehen. Die Stadt Eisenach wird als Kreisangehörige Stadt deutlich weniger Einfluss in der Region und im Freistaat haben.“  Ob  seine die Rückkreisung immer wieder fordernde Parteifreunde in Eisenach das auch mal bedenken?

Thomas Levknecht, Eisenach

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