Letter of Intent: 500 Jahre Bibelübersetzung als „Festival der Sprache“

Im September 2022 steht ein ganz besonderes Jubiläum an: Luthers Übersetzung des Neuen Testaments, die er auf der Wartburg anfertigte, jährt sich zum fünfhundertsten Mal. Er wollte erstmals eine allgemeinverständliche deutsche Version schaffen, die gleichzeitig so nah wie möglich am griechischen Text bleiben sollte. Am Freitag, 8. Oktober, unterzeichneten die Projektträger im Eisenacher Rathaus einen „Letter of Intent“. Sie bekräftigten damit ihren Willen zur gemeinsamen Umsetzung des vielfältigen Programms anlässlich dieses bedeutsamen Jubiläums. Das Jubiläumsjahr steht unter dem Motto „Welt übersetzen“ und ist als „Festival der Sprache“ konzipiert.

Die Unterzeichner waren: Katja Wolf (Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach), Markus Lewe (Oberbürgermeister der Stadt Münster), Prof. Michael Quante (Prorektor für Internationales und Transfer der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster), Prof. Maik Löbbert (Kunstakademie Münster), Nina Zahl in Vertretung von Prof. Martin Neubert (Kunsthochschule Halle/Burg Giebichenstein), Ralf-Peter Fuchs (Superintendent des Ev.-luth. Kirchenkreises Eisenach-Gerstungen), Dr. Thomas Seidel (Internationale Martin Luther Stiftung und Deutsche Bibelgesellschaft) sowie Reinhard Krebs (Landrat des Wartburgkreises und Repräsentant des Netzwerkes Lutherregion).

Wir stehen 2022 vor der Herausforderung, diesen Teil der Geschichte zu sichten, uns die historische Erzählung wieder neu in die Gegenwart zu holen, betonte Oberbürgermeisterin Katja Wolf in ihrer Begrüßung. Wenn es um Sprache geht, sagte Wolf, dann sind die Wartburg und Eisenach Orte, an denen im 500. Jubiläumsjahr der Bibelübersetzung niemand vorbeikommt: der Sagenkranz des mittelalterlichen Sängerwettstreits auf der Wartburg, die Luthersche Sprachschöpfung von 1522 oder die geniale musikalische Lutherübersetzung Johann Sebastian Bachs. All das, so Wolf, gehört zu jenem kulturellen Fundament, auf dem unsere Gegenwart steht.

„Sprache“ sei Teil der Kultur und der Identität einer Gesellschaft, und so sei „Übersetzung“ von Sprache ein wesentliches Instrument, Gesellschaft zu formen, ergänzte Markus Lewe, Oberbürgermeister der Stadt Münster.

Das führt uns nicht nur der Blick in die Geschichte der Bibelübersetzung durch Luther deutlich vor Augen. Von der Poesie bis hin zu politischer Rhetorik oder der Wucht, die Sprache im digitalen Raum entfalten kann – auch heute tun wir gut daran, unsere Aufmerksamkeit für die Kraft der Sprache zu schärfen, sagte Lewe weiter.

Das Jubiläum vereint drei wesentliche Elemente: Die Wartburg in Eisenach steht für Luthers geniale Übersetzung der Bibel ins Deutsche, das Bibelmuseum der Universität Münster für die bestmögliche wissenschaftliche Rekonstruktion des authentischsten griechischen Originaltextes des Neuen Testaments und Darmstadt mit der Akademie für Sprache und Dichtung für die Pflege und Weiterentwicklung von Luthers deutscher Sprache. Die renommierten Kunsthochschulen Münster und Burg Giebichenstein sorgen 2022 mit ihren Kunstprojekten ÜBERSETZEN für eine Sichtbarmachung des Themas im öffentlichen Raum und zugleich für einen west-östlichen Künstlerdialog.

Der inzwischen verstorbene Stuttgarter Künstler Willy Wiedmann übersetzte zwischen 1984 und 2000 das gesamte Alte und Neue Testament in 3.333 handgemalte Bilder im Stil der Polykon-Malerei. Der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen und die Stadt Eisenach werden dieses Bildwerk 2022 erstmals in seinem gesamten Umfang präsentieren. Zugleich werden diese beiden Partner eine Festwoche unter dem Motto „Kraft der Worte“ gestalten.

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Der Frage „Welche Sprache spricht Gott?“ gehen Prof. Dr. Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, und der evangelische Kirchenhistoriker und der neutestamentliche Textforscher Prof. Dr. Holger Strutwolf in einer öffentlichen Podiumsveranstaltung in Kooperation mit dem Exzellenzcluster „Religion & Politik“ der Universität Münster nach.

Münster und Eisenach, in Kooperation mit der Akademie Franz Hitze Haus Münster, werden 2022 erstmals gemeinsam eine Akademie für Schüler*innen der Oberstufe durchführen, die sich anlässlich des Jubiläums mit Fragen von Sprachgewalt, Gewalt durch Sprache oder Hatespeech beschäftigt. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt wird nicht nur diese Akademie mitgestalten, sondern generell ein kritisches Auge auf die Sprache, die alle Kooperationspartner*innen verwenden, haben. Denn „Dolmetschen“ – also Übersetzen der Bibel ins Heute – ist, wie Luther zurecht in seinem Sendbrief vom Dolmetschen schreibt, harte Arbeit, aber eben auch Kunst und Vergnügen.

Die Internationale Martin Luther Stiftung und die Deutsche Bibelgesellschaft begleiten das Jubiläum mit dem „Wartburg-Experiment – Zwiesprache mit der Lutherbibel“. Die Schriftsteller Uwe Kolbe, Iris Wolff und Senthuran Varatharajah residieren für jeweils einen Monat am geschichtsträchtigen Ort und übersetzen biblische Erzählungen, Themen oder Motive auf literarische Weise.

Der Wartburgkreis und die Lutherregion beherbergen zahlreiche Erinnerungsorte, die mit Luthers Leben und Wirken und damit auch mit seiner Übersetzungsleistung im Zusammenhang stehen. Eisenach und der Wartburgkreis/die Lutherregion werden 2022 gemeinsam in verschiedenen Formaten an die Entführung Luthers und seine Bibelübersetzung erinnern.

Für mich dient Luthers Übersetzungsleistung als Kommunikationsplattform für alle Menschen. Kein anderer Mensch hat unsere Muttersprache mehr geprägt als er. Seine wortgewaltige Übersetzung in einem lebendigen Deutsch ist bis heute die Urquelle unserer Sprache und zugleich auch eine Botschaft des evangelischen Glaubens, die von unserer Wartburg hinaus in die Welt ging, sagt Landrat Reinhard Krebs.

Das dies hier geschah, vor unserer Haustür, sei so spektakulär, dass andere Ereignisse der Geschichte beinahe dagegen verblassten.

Zugleich greifen Geschehnisse in der Gegenwart, vielfach unbewusst, immer wieder auf die Worte und Gedanken, die damals hier geboren wurden, zurück, so der Landrat abschließend.

Mehr Informationen zum Themenjahr „Welt übersetzen“ finden Sie hier.

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