Lutherhaus Eisenach eröffnet Impulsausstellung „Jugend, Gott und FDJ“

Bildquelle: © Stiftung Lutherhaus Eisenach
Eisenacher Museum macht persönliche Schicksale von jungen Christ:innen in der frühen DDR sichtbar
Das Lutherhaus Eisenach eröffnet am Freitag, den 31. Januar 2025, seine Impulsausstellung „Jugend, Gott und FDJ. Der Kampf gegen die Kirchen in der frühen DDR“. Die feierliche Eröffnung findet um 18 Uhr im Beisein des Regionalbischofs Tobias Schüfer im Foyer des Museums statt.
„Jugend, Gott und FDJ“ zeigt das Verhältnis der evangelischen Kirche zum sozialistischen Staat zwischen der Gründung der DDR und dem Bau der Mauer und ist eine zeitgeschichtliche Ergänzung zur Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“. Die neue Impulsausstellung ist im Lutherhaus ab 01. Februar für die Öffentlichkeit geöffnet. Sie ist im Eintrittspreis des Museums enthalten und wird bis 23. Dezember 2025 sowie voraussichtlich zum Jahreswechsel 2025/26 während der regulären Öffnungszeiten (dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr) zu sehen sein.

Kuratoren-Interview:
Hintergründe zur Impulsausstellung „Jugend, Gott und FDJ“ im Lutherhaus Eisenach: Interview mit den Kuratoren Dr. Jochen Birkenmeier und Michael Weise
„Jugend, Gott und FDJ“ – Warum ist es Ihnen wichtig, über das Thema „Kirche im Sozia lismus“ auszustellen?
Dr. Jochen Birkenmeier: „Die Erinnerung an die DDR verblasst langsam und wird nicht selten durch nostalgische, einseitige und weichgezeichnete Bilder verdrängt. Die oftmals brutale Realität in der stalinistisch geprägten Frühzeit der DDR ist in der breiten Bevölkerung häufig unbekannt. Bald wird es keine Zeitzeuginnen und -zeugen mehr geben, die die 1950er Jahre noch bewusst erlebt haben und Auskunft über die kirchenfeindlichen Maßnahmen des SED-Regimes geben können. Die multimediale Impulsausstellung „Jugend, Gott und FDJ“ stellt deshalb gezielt Zeitzeugen-Interviews in den Mittelpunkt, die eigens für die Ausstellung geführt wurden – und ergänzt sie durch eine Vielzahl von historischen Objekten, Original-Quellen, Bildern, Infographiken, Filmen und Hördokumenten, die es den Besuchern ermöglichen, sich ein eigenes Bild zu machen.“
Michael Weise: „Die Kirchen spielten eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Friedlichen Revolution von 1989/90. Das komplizierte Verhältnis von Staat und Kirche wird aber nur verständlich, wenn man in die Anfangsjahre der DDR zurückgeht und begreift, mit welchen Methoden die Partei- und Staatsführung ursprünglich versuchte, Religion und Kirchen zum ‚Absterben‘ zu bringen. Dem ‚Kampf um die Jugend‘ kam damals eine besondere Bedeutung zu, da man Kinder und Jugendliche notfalls unter Anwendung von Zwang zu „aufrechten Kämpfern für den Sozialismus“ machen wollte – und die Kirchen dabei im Wege standen.“
Worin liegt der Schwerpunkt der Ausstellung?
Michael Weise: „Kirche und Sozialismus“ oder „Kirche und Diktatur“: Darüber könnte man sehr viele, sehr ausführliche Ausstellungen machen. Wir haben uns bei „Jugend, Gott und FDJ“ auf die Drangsalierung und Verfolgung von jungen Christinnen und Christen durch den SED Staat konzentriert. Die Junge Gemeinde der evangelischen Kirchen steht dabei ebenso im Mittelpunkt wie der staatliche Versuch, Konfirmation und Erstkommunion durch die „Jugendweihe“ zu verdrängen.
Dr. Jochen Birkenmeier: „Wir erläutern aber auch den Kontext des Konflikts zwischen Staat und Kirche, also unter anderem die Religionsfeindlichkeit des Marxismus-Leninismus, die Rolle von Stasi und FDJ, die staatliche Hetze gegen die angebliche „NATO-Kirche“ und die Versuche, christliche Traditionen durch sozialistische Rituale zu ersetzen. Wir beleuchten auch das kirchliche Leben in den 1950er Jahren und die unterschiedlichen Versuche der Kirchen, mit dem staatlichen Druck umzugehen.“
Was kann man in der Gegenwart aus den damaligen Geschehnissen lernen?
Dr. Jochen Birkenmeier: „Die Geschehnisse in der DDR der 1950er Jahre zeigen, dass man sich nicht auf scheinbar selbstverständliche, auch in der Verfassung garantierte Grundrechte – wie die freie Religionsausübung – verlassen kann. Rechte sind nicht einfach da, sie müssen genutzt und auch verteidigt werden. Unsere Ausstellung konzentriert sich insbesondere auf Jugendliche und junge Erwachsene – insofern können gerade junge Besucher hier am Beispiel junger Leute in den 1950er Jahren viel über Zivilcourage und die Verteidigung der eigenen Überzeugung lernen.“
Michael Weise: „Bemerkenswert ist übrigens auch, dass die deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts zielgerichtet versucht haben, christliche Werte und das christliche Menschenbild aus der Gesellschaft zu verdrängen. Die Rolle der Religionsfreiheit für eine freie, demokratische Gesellschaft wird heute häufig übersehen; auch hier kann die Impulsausstellung wichtige Anstöße liefern.“
Der Reformator Martin Luther und drangsalierte und verfolgte junge Christinnen und Christen: Gibt es da Gemeinsamkeiten?
Dr. Jochen Birkenmeier: „Die Impulsausstellung greift unter anderem auch Martin Luthers Frage nach der „Freiheit eines Christenmenschen“ auf, die auch Ai Weiweis bekannte Skulptur „man in a cube“ im Innenhof des Lutherhauses inspiriert hat. Wie sollen Christinnen und Christen auf staatliche Obrigkeiten reagieren, die verbrecherisch sind, den Glauben verfälschen oder die Kirche abschaffen wollen?“
Was bedeutet ‚Impulsausstellung‘ konkret? Und wie passt das Thema „Kirche im Sozialismus“ zu den Kernthemen Ihres Museums?
Michael Weise: „Der Begriff ‚Impuls‘ soll darauf hinweisen, dass es sich nicht um eine große Ausstellung handelt, in der alle Facetten eines Themas erschöpfend behandelt werden, sondern dass es sich hier vielmehr um eine kleine, kompakte Präsentation handelt, die ein Thema auf den Punkt bringt und wichtige Impulse gibt – Impulse zum Nachdenken und Diskutieren.
Die Themen des Lutherhauses: Reformation, NS-Zeit und die Auseinandersetzung mit kommunistischen Regimen werden durch die neue Ausstellung zusammengeführt und verleihen ihnen einen frischen Impuls. Die Ausstellung steht am Ende des Rundgangs durch die Dauerausstellung. Sie bietet damit die Chance, die dort und in der Sonderausstellung angesprochenen Themen zu ergänzen, zu vertiefen und zu aktualisieren. „Jugend, Gott und FDJ“ knüpft zum Beispiel zeitlich an unsere Sonderausstellung „Erforschung und Beseitigung“ zum ‚Entjudungsinstitut‘ der evangelischen Kirchen an, die jetzt dauerhaft im Lutherhaus zu sehen ist.“