Nachhaltige Mobilität für alle

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„Nachhaltigen Verkehr fördern – Verkehrssysteme der Zukunft entwickeln – Investitionsoffensive von Bund und Ländern notwendig“

Wie kann in den Städten eine Verkehrswende hin zu nachhaltiger Mobilität mit leistungsfähigem ÖPNV, Elektromobilität, Rad- und Fußverkehr gelingen, in der die Zahl der Autos mit Ver­brennungsmotoren deutlich reduziert ist? Wie lässt sich in städtischen Ballungszentren ein umweltfreundlicher und zugleich leistungsfähiger Waren- und Güterverkehr organisieren? Wie lassen sich Lärm- und Schadstoffbelastungen wirksam verringern? Mit dem heute veröffentlichten Positionspapier „Nachhaltige Mobilität für alle – Agenda für eine Verkehrswende aus kommunaler Sicht“ möchte der Deutsche Städtetag solche Debatten um den Verkehr der Zukunft bereichern. Dafür enthält das Papier zahlreiche Anregungen, wie steigende Anforderungen an die Mobilität mit der Umwelt- und Lebensqualität in den Städten besser in Einklang gebracht werden können und welche Weichenstellungen der Politik für die Zeit bis 2030 nötig wären.

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, erklärte:

Mobilität in den Städten nachhaltig zu gestalten, ist eine der zentralen Zukunftsaufgaben. Ansprüche der Menschen und der Wirtschaft an die Mobilität steigen und Verkehrsaufkommen und Pendlerzahlen nehmen zu. Gleichzeitig wünschen sich viele Bürgerinnen und Bürger attraktive Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Radfahrer und Fußgänger fordern mehr Anteile an vorhandenen Verkehrsflächen. Und die Städte wollen und müssen Umweltschutzvorgaben und Klimaschutzziele beachten. Das alles gilt es, mit klugen zukunftsgerechten Konzepten zusammenzubringen.

Damit in und mit den Städten eine Verkehrswende gelingen kann, sind gemeinsame Kraftanstrengungen aller beteiligten Akteure unabdingbar. Lewe:

Um eine nachhaltige Mobilität für alle zu erreichen, brauchen wir einen breiten Konsens aller politischen Ebenen. Die Städte wollen weiterhin ihren Beitrag leisten, die Lebens- und Umweltqualität zu erhöhen. Nötig ist dafür aber auch eine konsistente Politik des Bundes und der Länder. Unabhängig vom Dieselskandal und dem Sofortprogramm „Saubere Luft“ müssen langfristige Perspektiven für eine nachhaltige Mobilität entwickelt werden, deutlich über eine Legislaturperiode hinaus.

Außerdem müssten Bund und Länder weiterhin Verantwortung für wichtige Verkehrsinfra­struktur in den Städten und Regionen übernehmen und eine bedarfsgerechte Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sichern. Dort fehle seit Jahren Geld, die kommunale Verkehrsinfrastruktur sei dramatisch unterfinanziert. Laut dem in dieser Woche veröffentlichten KfW-Kommunalpanel 2018 hat sich für Erhalt, Ausbau und Erneuerung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur ein Investitionsrückstand von über 38 Milliarden Euro aufgestaut. Lewe:

Akut notwendig ist zunächst eine Investitionsoffensive von Bund und Ländern mit zusätzlichen Mitteln von 20 Milliarden Euro für mindestens zehn Jahre, also 2 Milliarden jährlich, um den Wandel zu nachhaltiger und umweltgerechter Mobilität in den Städten und Regionen zu ermöglichen. Die Städte sind bereit, an dieser Offensive nach ihren finanziellen Möglichkeiten mitzu­wirken. Und die bisher für den Stadtverkehr zweckgebundenen sogenannten Entflech­tungsmittel müssen auch nach 2019 von den Ländern an die Kommunen fließen.

Die Städte sehen den Bund gefordert, ressortübergreifend die nötigen Rahmenbedingungen für eine Verkehrswende zu schaffen, diesen Prozess wirksam zu koordinieren und auch regulativ zu begleiten.

Wir können viele neue Technologien und Verkehrsarten in den Städten nur dann erproben, wenn der Bund uns die dafür nötigen rechtlichen Entscheidungsspielräume verschafft und uns auch effiziente Steuerungsinstrumente an die Hand gibt, sagt Lewe.

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Viele Städte bemühen sich seit Jahren aktiv um eine nachhaltige Verkehrspolitik. Sie stärken den ÖPNV, bauen Rad- und Fußwege aus, erleichtern den Umstieg zwischen Verkehrsmitteln, fördern die digitale Information der Fahrgäste und Car-Sharing und erproben neue vernetzte Verkehrsangebote. Das kommunale Engagement stoße aber immer häufiger auch an rechtliche Grenzen, bedauert Lewe:

Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam Lösungen entwickeln können. Deshalb wollen die Städte auch in die Arbeit der vom Bund ange­kündigten Kommission zur „Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität“ und bei Initiativen zur Digitalisierung des Verkehrs einbezogen werden.

In vielen Großstädten steigt die Anzahl der Pendler rasant. Über 10 Milliarden Fahrgäste nutzen jährlich den ÖPNV in Deutschland, Tendenz steigend. Busse und Bahnen ersetzen jeden Tag 20 Millionen Autofahrten auf deutschen Straßen. Der ÖPNV steht allerdings in einem Preis- und Qualitätswettbewerb mit dem PKW. Deshalb dürfen Investitionskosten in den Städten nicht zu einem Anstieg der Fahrpreise führen, erläutert der Städtetagspräsident:

Der Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr ist für die künftige Mobilität so wichtig, dass ihn Bund und Länder noch entschiedener fördern müssen. Ein gut erreichbarer und beschleunigter ÖPNV, gute Fußwege und sicherer Radverkehr sind in den Städten das Rückgrat nachhaltiger Mobilität und unverzichtbar. Der ÖPNV der Zukunft wird sich aber stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen einstellen und nachfrageorientierter angelegt sein müssen. Für den Individualverkehr braucht es ebenfalls neue Regelungen, um Raumbedarf zu reduzieren, stadtverträgliche Carsharing-Systeme zu unterstützen und bei autonomen Fahrzeugen zusätzlichen Verkehr zu verhindern.

Außerdem müssten der Lieferverkehr und die Warenlogistik in Innenstadtbereichen auf der letzten Meile umorganisiert werden. Nötig seien vor allem leise, saubere und sichere Leichtfahrzeuge mit alternativen Antrieben oder auch Lastenfahrräder. Denn der Wirtschaftsverkehr ist unverzichtbar, damit Städte funktionieren und sich weiter entwickeln können.

Dedy: Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselautos sind unumgänglich
Beim Kampf gegen zu hohe Stickoxidwerte in Städten plädiert Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, dafür, das Verursacherprinzip durchzusetzen:

Mit jedem weiteren Gerichtsurteil wird klarer, dass Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselautos unumgänglich sind, um Fahrverbote zu vermeiden. Die Bundesregierung muss die Automobilindustrie zu Hardware-Nachrüstungen verpflichten, damit die Stickoxide in den Städten deutlich sinken. Und finanzieren müssen das die Autohersteller als Verur­sacher. Denn die Menschen, die in gutem Glauben Dieselfahrzeuge gekauft haben, dürfen nicht kalt enteignet werden. Die Nachrüstung wäre auch ein klares Signal an die Gerichte, dass endlich das Problem an der Wurzel behandelt wird. Die bisherigen Urteile sollten ein Weckruf für alle sein, die meinen, man könne Fahrverbote per politischer Erklärung ausschließen.

Im Verkehr in der Stadt verursachen Diesel-PKW bis zu drei Viertel der Stickoxid-Emissionen.

Die Städte selbst tun alles, um Fahrverbote zu vermeiden: Sie bauen beispielsweise den Radverkehr weiter aus, modernisieren den ÖPNV und digitalisieren die Verkehrslenkung, so Dedy.

In den nächsten Monaten stehen weitere Urteile zu Luftreinhalte­plänen für Städte an. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes müssen alle betroffenen Luftreinhaltepläne fortgeschrieben werden. Fahrverbote sind nach dem Urteil nur vermeidbar, wenn alternative Maßnahmen ebenso wirksam erscheinen.

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