Offener Brief von Mitgliedern der Bürgerinitiative „Freundeskreis Karlsplatz schaffen“

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
der Heidelberger Architekt und Stadtplaner, Herr Diethelm Fichtner, (vormals Leiter des Stadtplanungsamtes von Marburg und bis zur Pensionierung von Heidelberg), Sachverständiger und Mitglied des „Förderkreis zur Erhaltung Eisenachs“ e.V. (FzEE), Initiator und Leiter des Workshops Karlsplatz 2004, rief im Februar 2013 den „Freundeskreis Karlsplatz schaffen“ ins Leben.
Im Sinne der Fortführung und Beendigung des Bürgerbeteiligungsverfahrens wollte der Freundeskreis helfen, das seit 2007 vorliegende Projekt (Kosten 100.000,– €) einer Neugestaltung des Karlsplatzes, ganz besonders auch im Hinblick auf das Lutherjubiläum 2017, zu realisieren. Mitglieder des FzEE setzten sich mit anderen Eisenacher Bürgern das Ziel, für das vom Land förderfähige Projekt Mittel für den fehlenden finanziellen Eigenanteil der Stadt einzuwerben – keine leichte Aufgabe. Gleichzeitig verpflichtete sich die Verwaltung unter Ihrer Leitung, sich intensiv um Fördermöglichkeiten verschiedener Art beim Land, u.a. für Vorhaben das Lutherjubiläum betreffend, zu bemühen sowie alle anderen Voraussetzungen für eine schnellstmögliche Umsetzung des Projekts zu schaffen. Mit dem vom Freundeskreis gesammelten Geld konnte schließlich im Herbst 2015 eine Ausschreibung in Höhe von ca. 16.000,– € finanziert werden.
Ein dekorierter Bauwagen (KARL.i) dient auf dem Karlsplatz der Information und Werbung mit einer Ausstellung der Baupläne, Ansichten und einer Serie historischer Postkarten zur Geschichte des schönsten Eisenacher Platzes mit dem Lutherdenkmal, das erst druch das Engagement des Eisenacher Verkehrsvereins restauriert werden konnte. Mitglieder der Initiative erarbeiteten umfangreiche Bewerbungsunterlagen für eine mögliche Prämierung des Vorhabens als Thüringer Bürgerprojekt, auch Benefizveranstaltungen fanden statt. Zuletzt gab es am Info-Wagen KARL.i eine Versteigerung von Sachspenden von Gewerbetreibenden.

In Ihrer Neujahrsansprache wurde dieses seit drei Jahren andauernde wichtige Engagement von Eisenacher Bürgern für ein so bedeutendes Bauvorhaben mit keinem Wort erwähnt, Stattdessen werden Bürger, die sich in „Debatten um städtische Themen“ kritisch zu Wort melden anlässlich des Neujahrsempfangs von Stadt und Gewerbeverein von Ihnen der „Respektlosigkeit, der Rechthaberei und der Lüge“ bezichtigt. Ja, Sie Frau Oberbürgermeisterin gingen dabei soweit zu behaupten, Bürger unserer Stadt würden „die Atmosphäre in Eisenach vergiften“, weil sie „Hass und negative Energien“ verbreiten. Sie rufen in diesem großen Auditorium dazu auf, dem entgegenzuwirken! Dass diese von Ihnen nicht namentlich genannten Personen „der Stadt Schaden zufügen, da sie andere Bürger abschrecken, sich zu engagieren“, ist absurd (siehe Presseberichte der TLZ vom 27.01.2016 und TA vom 28.01.2016).

Solche demokratiefeindlichen Äußerungen sind nach unserer Auffassung gefährlich. Sie schaffen ein Klima, das Menschen in unserer Stadt tatsächlich abhalten wird, sich mit Problemen in Eisenach kritisch auseinanderzusetzen und sich zur Lösung derselben im Sinne einer tatsächlichen Bürgerbeteiligung einzubringen. Das Mittel der öffentlichen Diffamierung ist untauglich, ein demokratisches Miteinander in der Stadt zu schaffen bzw. zu erhalten. Es dient ausschließlich dazu, Menschen mit anderer Meinung auszugrenzen. Solche Verhältnisse hatten wir lange genug.
Herr Joachim West, Vorsitzender des Eisenacher Gewerbevereins, wurde im Pressebericht der TA zum Neujahrsempfang mit folgender Aussage zitiert:

Lasst uns alle Energien in den Karlsplatz stecken und lasst uns Thüringens längste und schönste Einkaufsstraße schaffen.

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Sie, Frau Oberbürgermeisterin, sprechen häufig in Bildern. Aktuell ist die Rede von der Weitergabe des Staffelstabs an die Bürger. Wäre es damit nicht an der Zeit, den Staffelstab für die Neugestaltung des Karlsplatzes an den Gewerbeverein sowie an Bürger, die bisher von einem Engagement für Eisenach durch die von Ihnen genannten unbotmäßigen Personen abgehalten wurden, zu übergeben?

Nach Informationen aus dem Rathaus in der TA und TLZ vom 01.02.2016 wird das Projekt „Neugestaltung Karlsplatz“ nicht mit Mitteln des Lutherjubiläums vom Land gefördert, da es nicht bis 2017 abgeschlossen werden könne.
Das fertige Projekt liegt seit 2007 in der Schublade der Verwaltung und seit drei Jahren engagiert sich der Freundeskreis für seine Realisierung. Dass von Anfang an seitens der Stadt nur spärliche Informationen an die Initiative gelangten, letzter Stand betrifft die Ausschreibung 2015, aber nicht deren Ergebnisse, ist nicht nachvollziehbar.
Durch Prioritätensetzung und vorausschauendes Planen der Verwaltung im Hinblick auf das Lutherjubiläum wäre nach unserer Auffassung eine 100%ige Förderung durch das Land also durchaus möglich gewesen. Wie andere Vorhaben der Stadt beweisen.

Für das Einwerben von Spenden war bisher das „Zugpferd Lutherjubiläum“ ausschlaggebend, auch, wenn der Freundeskreis davon ausging, dass der Platz bis 2017 nur teilweise erneuert werden kann. Durch Abkoppelung dieses Zugpferdes und die Aussage in der lokalen Presse, dass die „Sanierung des Karlsplatzes offen“ und eine „Finanzierung des Projektes noch unklar“ sei, wird es auf lange Sicht kaum möglich sein, Bürger unserer Stadt zu animieren, für dieses Vorhaben Geld zur Verfügung zu stellen.
Bemühte man sich bis 2012 unzureichend um geeignete Finanzierungsmöglichkeiten zur Realisierung des Vorhabens, so wurde unter Ihrer Leitung durch zögerliches Agieren bzw. zu geringem Einsatz aller zuständigen Behörden eine große und einmalige Chance für unsere Stadt vertan, auch im Hinblick darauf, dass die Städtebauförderprogramme in den kommenden Jahren auslaufen werden. Ganz offensichtlich fehlte über die Jahre der politische Wille der Verantwortlichen zur Realisierung des für unsere Stadt so bedeutenden Projekts.

Wir, die Unterzeichner dieses Schreibens, beabsichtigen aus diesen genannten Gründen, zukünftig nicht mehr im „Freundeskreis Karlsplatz schaffen“ mitzuarbeiten.

gez.: Johanna Bauer, Dr. Beate Böhmel, Karl-Heinz Güth, Otto Mayer, Guido Mitzenheim, Gabriele Petronella Motzheim, Ingrid Pfeiffer, Dr. Manfred Pfeiffer, Rosemarie Teuber

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