Rechtsgutachten zum Straßenausbaubeitragsrecht liegt vor

«Die Landesregierung will die kommunalen Spitzenverbände und Bürgerinitiativen bei der Weiterentwicklung des Straßenausbaubeitragsrechts intensiv einbeziehen.» Dies erklärte Innenminister Prof. Dr. Peter M. Huber im Rahmen der Regierungsmedienkonferenz in Erfurt. «Das Gutachten von Professor Michael Brenner zur Weiterentwicklung des Straßenausbaubeitragsrechts kann auf der Homepage des Innenministeriums eingesehen werden und ist somit für jedermann zugänglich», betonte der Minister. «Am Freitag werde ich den Innenausschuss des Landtags über das Gutachten informieren», kündigte Huber an. Darüber hinaus sei das Gutachten an die kommunalen Spitzenverbände, an die Bürgerinitiativen, sowie an die Handwerks- und Industrie- und Handelskammern mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 31. März 2010 versendet worden.

Zum weiteren Vorgehen erklärte der Innenminister, dass sich Ende März 2010 unter Führung des Innenministeriums eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung oberster Landesbehörden und von Professor Brenner konstituieren werde, um im Zeitraum April/Mai eine Bewertung der eingegangenen Stellungnahmen vorzunehmen. Daran anschließend werden mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Koalitionsfraktionen die möglichen Lösungsansätze diskutiert. Im Sommer dieses Jahres soll schließlich der Referentenentwurf ausgearbeitet werden, damit sich das Kabinett im Herbst damit befassen könne. Als inhaltliche Zielsetzung dafür gelte die im Koalitionsvertrag getroffene Festlegung, wonach das neue Straßenausbaubeitragsrecht bürgerfreundlich, juristisch einwandfrei und für das Land finanzierbar sein müsse, bekräftigte der Minister.
«Bezüglich der Rechtsaufsichtsbehörden hat das Kabinett heute beschlossen, dass bis zu einer abschließenden Entscheidung der Landesregierung über eine Gesetzesinitiative kommunalaufsichtliche Eingriffe gegenüber den betroffenen Gemeinden zum Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung unterbleiben sollen», sagte der Innenminister und kündigte einen entsprechenden Erlass des Innenministeriums dazu an.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen des Gutachtens:

Rechtsgutachten zur Weiterentwicklung des Straßenausbaubeitragsrechts im Freistaat Thüringen

1.
In seinem Benshausen-Urteil vom 31.5.2005 hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass für die Verbesserung und Erweiterung von Ortsstraßen im Freistaat Thüringen Straßenausbaubeiträge zu erheben sind.

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2.
Aufgrund dieses Urteils wie auch aufgrund der Vorgabe des § 7 Abs. 1 Satz 3 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes (ThürKAG) sowie der in § 54 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) niedergelegten Grundsätze der Einnahmebeschaffung sind auch die nach letztem Kenntnisstand rd. 20 % der Gemeinden, die bislang für in der Vergangenheit durchgeführte Ausbaumaßnahmen nicht die erforderlichen Straßenausbaubeitragssatzungen zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen erlassen haben, verpflichtet, dieser ihnen obliegenden Verpflichtung nachzukommen.

3.
Ein Absehen von der gesetzlich verankerten Pflicht zum Satzungserlass und zur Beitragserhebung kommt aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen nicht in Betracht, auch dann nicht, wenn sich die finanzielle Lage einzelner Gemeinden als solide darstellt. Dies folgt nicht nur aus dem Gleichheitssatz, sondern insbesondere aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip; letzteres verpflichtet die Gemeinden zur Gesetzestreue und schließt zugleich aus, dass einzelne Gemeinden die Freiheit zukommt, darüber befinden, ob sie einem Parlamentsgesetz Folge leisten oder nicht.

4.
Insbesondere lässt die als Sollbestimmung formulierte Vorgabe des § 7 Abs. 1 S. 3 ThürKAG Ausnahmen von der – letztlich auch aufsichtsrechtlich durchzusetzenden – Verpflichtung, Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen und Straßenausbaubeiträge zu erheben, selbst dann nicht zu, wenn die Ausbaumaßnahmen schon lange zurückliegen. V. a. konnte aufgrund des z. T. langjährigen Nichtstuns der betreffenden Gemeinden bei den Gemeindebürgern ein Vertrauen darauf, dass auch in Zukunft Ausbaubeiträge nicht erhoben werden würden, nicht entstehen. Davon abgesehen, wäre es aber auch gegenüber den rd. 80 % der Thüringer Gemeinden, die sich in der Vergangenheit gesetzeskonform verhalten haben, neben verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Gründen auch politisch nicht vermittelbar, wenn das rechtswidrige Verhalten der ca. 160 Gemeinden – was 20 % der Thüringer Gemeinden entspricht – nachträglich gewissermaßen geheilt werden würde.

5.
Angesichts der zumindest in der Vergangenheit unsicheren Rechtslage wird man derzeit noch davon ausgehen können, dass die Gemeindevertreter der betreffenden Gemeinden durch ihr Verhalten nicht in die strafrechtlich relevante Sphäre vorgedrungen sind; man wird zu ihren Gunsten einen Verbotsirrtum annehmen können, da der Irrtum über die Widerrechtlichkeit ihres Tun aus verschiedenen Gründen wohl unvermeidbar war. Dies gilt auch im Hinblick auf die Annahme einer Amtspflichtverletzung.

6.
Mit Blick auf die Zukunft bieten sich dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten einer partiellen Neujustierung des Straßenausbaubeitragsrechts an. Dabei wäre – ggf. auch mit Blick auf in der Vergangenheit getroffene Maßnahmen – nicht zuletzt unter dem Blickwinkel der Bürgerfreundlichkeit zu überlegen, zukünftig gesetzliche Konkretisierungen zur Begrenzung der Beitragshöhe im Gesetz zu verankern, um im Einzelfall zu gewährleisten, dass unverhältnismäßige Belastungen einzelner Bürger durch Straßenausbaubeiträge vermieden werden. Eine solche Ausgestaltung wird zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts flankiert. Im Übrigen vermögen bereits nach geltender Rechtslage die Härtefallregelungen des ThürKAG i. V. m. der Abgabenordnung im Einzelfall unverhältnismäßige Belastungen von Grundstückseigentümern abzufedern.

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