Vergangenheit und Gegenwart sind eng miteinander verflochten 

Bildquelle: F. Arnold – Oberbürgermeister Christoph Ihling zog Parallelen in die Gegenwart

Mahnende Worte von Pfarrer Armin Pöhlmann beim Gedenken an die Befreiung des KZ-Außenlagers Emma bei Eisenach 

Vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Buchenwald befreit. Zu ihm gehörte auch das Außenlager Emma, zwischen Eisenach und Hötzelsroda gelegen. Das Außenlager Emma existierte ab April 1944 bis zur Evakuierung der verbliebenen 382 Menschen. Viele Zwangsarbeiter starben unter den unmenschlichen Bedingungen. Die Stadt Eisenach vertreten durch Oberbürgermeister Christoph Ihling, das Bündnis gegen Rechtsextremismus, Pfarrer Armin Pöhlmann vom Nikolai-& Petersbezirk in Eisenach, Mitglieder des Stadtrates und etliche Bürger erinnerten an die Gräueltaten  der Nazis und gedachten gemeinsam mit etlichen Bürgern vergangenen Freitag der Befreiung des Außenlager Emma. 

Oberbürgermeister Christoph Ihling und Jörg Rumpf als Vertreter des Bündnisses gegen Rechts erinnerten an die grausame Zeit des Nationalsozialismus, warnten eindringlich vor dem Erstarken rechten Gedankengutes in der heutigen Zeit. „Nie wieder ist jetzt!“ Chris Schütze und Mirita Krasnici lasen aus Schilderungen von Häftlingen über die Befreiung des KZ Buchenwald. 

F. Arnold – Pfarrer Armin Pöhlmann mit eindringlichen Worten

Armin Pöhlmann, Pfarrer des Nikolai-& Petersbezirk in Eisenach, formulierte: 

„Wir gedenken der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald hier am ehemaligen Außenlager. Gedenken heißt: Den Blick in die Vergangenheit richten. Welchen Sinn mag das haben in dieser Zeit, die uns so in Atem hält? Sollten wir uns nicht der Gegenwart widmen? Vergangenheit und Gegenwart sind eng miteinander verflochten. Wir können es mit der einen nicht aufnehmen, wenn wir die andere nicht kennen.

Eine Kette der runden Gedenktage reiht sich hintereinander. Wir haben an die Bombardierungen Eisenachs gedacht im letzten Jahr, bald feiern wir 80 Jahre Kriegsende und Befreiung. Am Mittwoch hat die Evangelische Kirche an den Tod Dietrich Bonhoeffers gedacht. Am 9. April 1945 wurde er in Flossenbürg ermordet. 

Bei der Vorbereitung einer Andacht zu Bonhoeffers Tod bin ich in dieser Woche auf eine Sache gestoßen, die mir bisher unbekannt war. Noch in den 90ern habe ich eine Bonhoeffer-Biografie gekauft, und darin ist ein Augenzeugenbericht des KZ-Lagerarztes Fischer abgedruckt, der beschreibt, wie Bonhoeffer gefasst und im Gebet die Stufen zum Galgen hochgegangen ist und dass er ganz schnell gestorben sei. „Ich habe in meiner 50jährigen ärztlichen Tätigkeit kaum je einen Menschen so gottergeben sterben sehen“. So hat Fischer in den 50er Jahren die Begegnung mit Bonhoeffer berichtet, und so wurde es weiter erzählt. So und ähnlich sieht man es auch in Verfilmungen von Bonhoeffers Leben. 

F. Arnold – Blumengebinde an der Stelle zum Gedenken
Anzeige

Beim Lesen habe ich schon immer kurz überlegt, ob ein KZ-Lagerarzt ein zu verlässiger Zeuge ist. Tatsächlich haben sich in den letzten 20 Jahren Zweifel erhärtet. Der Galgen in Flossenbürg hatte keine Stufen. Die Verurteilten wurden langsam und qualvoll erhängt durch Erdrosseln. Sie waren nackt ausgezogen, und der sogenannte Lagerarzt hatte die Aufgabe, sie immer wieder aufzuwecken, wenn sie bewusstlos wurden, damit die Qual verlängert würde. Das Erhängen von Bonhoeffer und seinen Leidensgenossen dauert von 6 Uhr bis Mittag. So ist die neue Forschungslage. Wie kann es sein, dass ein SS-Mann mit so einer Lüge jahrzehntelang das kollektive Gedächtnis prägen konnte?  

Die Antwort ist einfach: Mit dem Kriegsende begann sofort etwas, was bis heute Wirkung zeigt: Spuren wurden verwischt, Lügen wurden verbreitet, Verbrechen verdeckt und schöngefärbt. Zum KZ-Außenlager Emma ist die Quellenlage ebenfalls dünn. Zuviel verwischt, vergessen, beiseite geräumt. Jessica Elsner, die über das Lager geforscht hat, hat betont, wie schwierig es war, an die Fakten ranzukommen, bei wegsterbenden Augenzeigen. Man wollte nicht wissen, wie tief Staat, Gesellschaft, Wirtschaft durchdrungen waren von den mörderischen Verbrechen. 

Das ist der Boden, auf dem heute wieder Lügen wachsen können. Es waren ja nicht alle SS-Männer Verbrecher, sagt man, und fährt ein 27-prozentiges Wahlergebnis in Eisenach ein. Ein Leitmotiv in der Bibel und im christlichen Glauben ist die Suche nach der Wahrheit. Das ist die göttliche Wahrheit, aber es ist auch die Wahrheit über uns Menschen. Wir können nicht leben, ohne unsere eigene Vergangenheit zu reflektieren, zu bedenken, uns vor Augen zu führen. Gegenwart und Vergangenheit sind miteinander verflochten uns untrennbar. Deshalb sind wir hier.“

F. Arnold – Jörg Rumpf sprach für das Bündnis gegen Rechtsextremismus

Zwangsarbeiter in Eisenach 

In Eisenach wird am 11. April eines jeden Jahres besonders der Opfer des KZ-Außenlagers Emma sowie der Opfer von Zwangsarbeit und Internierung in Eisenach gedacht. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurden Menschen aus ideologischen oder Gründen der nationalsozialistischen Rassenhygiene verfolgt, verhaftet, gequält und ermordet. Viele Opfer wurden über die Internierung in Konzentrationslagern zur Zwangsarbeit herangezogen, um den Kriegsbedingten Arbeitskräftemangel auszugleichen. Ab 1940 sind in Eisenach große Zahlen Kriegsgefangener dokumentiert. Im Kohlehandel, im Forst, im Gas- und Wasserwerk oder der Friedhofsverwaltung, aber vor allem im BMW Flugmotorenwerk Eisenach wurden tausende Zwangsarbeiter in der Produktion eingesetzt, die in Barackenlagern im gesamten Stadtgebiet untergebracht waren.

Später kamen auch Häftlinge aus dem KZ Allach und aus dem KZ Buchenwald, die im Außenlager mit dem Decknamen Emma direkt im Werksgelände des Flugmotorenwerkes am Dürrerhof in einer Fabriketage untergebracht und dort auch eingesetzt wurden. Die durchschnittlich 300 bis 800 Menschen wurden hier von SS-Angehörigen und Luftwaffensoldaten streng bewacht und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Das Barackenlager reichte von der ehemaligen Fliegerschule bis zur heutigen K2-Straße. 

Die Gedenk-Stelle am ehemaligen Eingang zum Werksgelände auf dem Dürrerhof erinnert seit 2006 an den Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen insbesondere im BMW Flugmotorenwerk. Dank der Eisenacherin Jessica Elsner, die die Ereignisse wissenschaftlich erforscht hat, liegen heute umfangreiche Erkenntnisse zu Zwangsarbeit unter dem Naziregime in und um Eisenach vor.

F. Arnold- Innschrift

Th. Levknecht

Anzeige