„Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst…“

Am Freitagabend feiert mit „Luther – der Reformator zwischen Liebe und Hass“ die neue Inszenierung von „Lutherfest“-Urgestein Jethro D. Gründer auf dem Festspielgelände auf dem „Alten Friedhof“ in Eisenach ihre Welturaufführung. Neben den beiden Hauptdarstellern Marcus Coenen und Jenny König werden bei den drei Aufführungen am Freitag, 20. August, bis Sonntag, 22. August, wieder etwa 100 Mitwirkende in das turbulente Spektakel eingebunden, das in den letzten Jahren bereits für überregionales Aufsehen gesorgt hatte.

Das diesjährige „Lutherschauspiel“ heißt „Luther – der Reformator zwischen Liebe und Hass“. Handelt es sich dabei um eine neue literarische Vorlage…?
Jethro D. Gründer: Nein, nicht um ein komplett neues Stück, sondern vielmehr um eine Überarbeitung der vorjährigen Inszenierung „Luthers Teufel“. Einige wenige Zuschauer hatten damals wohl Probleme, zu rezipieren, was wir mit dem Stück zum Ausdruck bringen wollten. Deswegen wurde der Titel geändert und inhaltliche Aspekte noch einmal deutlicher herausgestellt, was letztendlich auch mit den Veränderungen bei den Hauptrollen zusammenhängt.

In welcher Form gab es da Veränderungen?
Jethro D. Gründer: Wir haben jetzt quasi zwei „Luthers“, und zwar ihn selbst und sein Alter Ego, um beide Seiten von Luther zu zeigen. Da den zweiten Luther eine Frau spielt, und zwar Jenny König, ergeben sich naturgemäß Änderungen – sowohl inhaltlicher Art als auch in der Darstellungsweise.

Das heißt, die Zuschauer dürfen sich auf ein deutlich verändertes Stück freuen – mit einer weiblichen Version des Martin Luther an der Seite von Marcus Coenen?
Jethro D. Gründer: Genau. So wie jeder Mensch zwei Seiten und jeder Mann auch irgendwie eine weibliche Seite hat, soll Jenny König die weibliche, antreibende und progressive Seite des Reformators verdeutlichen. Das wird bestimmt sehr spannend.

Wo bleibt da noch Platz für André Kaczmarczyk, den gefeierten Darsteller des Teufels in der Inszenierung des letzten Jahres?
Jethro D. Gründer: André musste leider relativ kurzfristig absagen, weil er von einem bekannten Regisseur ein großartiges Kinoangebot bekommen hat, das man einfach nicht ablehnen darf! Es ist klar, dass er da andere Prioritäten setzen musste. Aber für Jenny König ist es gleichzeitig auch eine ganz neue Herausforderung. Die Absage von André Kaczmarczyk ist daher auf einer Seite zwar schade, auf der anderen Seite aber auch ein Gewinn, um das Stück neu aufzubrechen.

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Durch die Neubesetzung mit Jenny König als der weiblichen Seite von Martin Luther anstelle des Teufels vom vergangenen Jahr entsteht natürlich unterschwellig der Eindruck, als wäre die Frau an sich der Teufel. Das klingt ziemlich provokant und könnte erneut für reichlich Diskussionsstoff wirken. Ist das so gewollt?
Jethro D. Gründer: Jein. Wenn man mitdenkt, ist das sicher nicht falsch. Aber es steht nicht so im Stück.

Was auf den ersten Blick auffällt, ist die „Faust“-Konstellation, die sich wie ein roter Faden durch die Lutherschauspiel-Inszenierungen der letzten beiden Jahre zu ziehen scheint – auf der einen Seite der agile, treibende Teufel und auf der anderen der nach Erleuchtung strebende Wissenschaftler, der sich dem Satan verschreibt und zum Spielball des Geschehens wird…
Jethro D. Gründer: Was im vergangenen Jahr von einem kleinen Teil der Zuschauer missverstanden wurde, war ja, dass man den Teufel plakativ immer als das „Negative“ sieht. Dabei habe ich einfach nur darzustellen versucht, dass der Teufel – in welcher Form auch immer – ein Teil von uns ist, dass jeder Mensch seine beiden Seiten hat, eine helle und eine dunklere. Nur darum ging es mir. Und dass die „dunklere“ Seite nicht immer die negative sein muss, sondern auch eine progressive Komponente haben kann. Insofern ist das Stück in diesem Jahr eigentlich genauso, denn ob Martin Luther selbst oder sein Alter Ego agieren, es streiten immer zwei Seiten in einem selbst – die hasenfüßige und die mutige zum Beispiel. Sich damit auseinanderzusetzen und diese andere Seite auch zu sehen und anzuerkennen, und dadurch auch als Mensch zu reifen und vorwärts zu schreiten, das ist eigentlich der Sinn der Sache. Insofern geht das Stück letztlich, wie schon im Vorjahr, über das eigentliche Lutherthema hinaus…auf eine philosophische Ebene der Auseinandersetzung eines Menschen mit sich selbst.

Wird es wieder so eine opulente Inszenierung wie in den letzten Jahren geben?
Jethro D. Gründer: Sicher. Es wird wieder etwa einhundert Mitwirkende geben, neben den knapp 15 Schauspielern auch 70 bis 80 Statisten, zehn Ritter und etwa ebenso viele Reiter. Es gibt übrigens noch mehr Umbesetzungen: Die Rolle der Katharina von Bora, die Jenny König früher gespielt hat, übernimmt jetzt Maria Kankelfitz. Thomas Müntzer ist nicht Frank Roder, der leider auch absagen musste, weil er in Wittenberg spielt, sondern Lutz Leyh. Den ebenfalls von Frank Roder gespielten Staupitz spielt jetzt Tobias Bernhardt. Also alles bekannte Darsteller, die schon in den letzten Jahren mitgespielt und nur neue oder weitere Rollen übernommen haben.

Wir danken für das Gespräch.

Die Fotos stammen von der Probe am Mittwochabend auf dem Alten Friedhof.

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