Ausstellung Nikolaikirche

Die Ausstellung »Großer Gott wir loben dich – Eine Relektüre« präsentiert die künstlerische Forschung von Sven Bergelt, die sich kritisch mit dem von 1939-1945 in Eisenach angesiedelten Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben auseinandersetzt. Im Fokus steht das von dem Institut publizierte Gesangbuch »Großer Gott wir loben dich«. 

Das 1939 von elf Landeskirchen gegründete Institut stand der Ideologie und dem Rassismus des Nationalsozialismus nah und beteiligte sich an der antisemitischen Hetze. Organisiert in Arbeitskreisen wurden durch die Beteiligten in oftmals ehrenamtlichem ›Engagement‹ Schriften erstellt, die vor allem das Ziel verfolgten, Bezüge zum Jüdischen zu entfernen. 

Unter anderem erfolgte 1941 gemeinsam mit der Nationalkirchlichen Bewegung Deutsche Christen die Veröffentlichung eines stark überarbeiteten Gesangbuches. So wurden nur wenige Lieder unverändert aus den bis dahin verwendeten Gesangbüchern übernommen. Eine Vielzahl von etablierten Liedern wurde entfernt und neue in Auftrag gegeben, wobei ein Teil der neuen Stücke NS-Kampflieder sind. Die aus bereits vorhandenen Gesangbüchern übernommen Lieder wurden teils erheblich verändert. Bei der Auswahl der Lieder war der Arbeitskreis Gesangbuch von folgende Prämissen geleitet: »Auszuscheiden sind die Lieder bzw. Liedstrophen, 1. die jüdisch sind in Wort und Denken, 2. die von ausgesprochenen dogmatischer Erhaltung sind, [und] 3. die süßlich, geschmacklos, selbst entwürdigend oder dichterisch unmöglich sind«. Das Entfernen von Liedern und Worten mit hebräischen Wurzeln sowie das Einfügen von Worten mit völkischer Ideologie wurden mit dem Argument legitimiert, dass der gesellschaftliche Umbruch im Zuge von Hitlers Machtergreifung auch in der Kirche vollzogen werden müsse. Viele der an dem Institut Beteiligten waren auch nach 1945 im Kirchendienst beschäftigt. Eine Aufarbeitung der Kooperation zwischen Nationalsozialismus und Kirche fand nur sehr zögerlich statt.

Mit seiner Installation eröffnet Sven Bergelt einen Einblick in die Vorgehensweisen des Eisenacher Instituts und ermöglicht eine kritische Relektüre des Gesangbuches »Großer Gott wir loben dich«. Typografisch analytisch macht er die im Gesangbuch vorgenommenen Änderungen sichtbar und ermöglicht es, die Arbeitsweise des Institut nachzuvollziehen. Damit sensibilisiert die Installation Bergelts für die Wirkmacht von Sprache. Die präsentierten Zitatfragmente aus den Akten des Landeskirchenarchivs eröffnen zudem einen Einblick in die politische Dimension des Instituts, zeigen die Versuche der Beteiligten nach 1945, ihr Handeln während der NS-Zeit nachträglich zu rechtfertigen und zu legitimieren und macht den internen Diskurs in den 1990er Jahren sichtbar, in dem die Kirche mit einem Schuldeingeständnis für die Beteiligung am Nationalsozialismus haderte. 

Die Kirchengemeinde Eisenach hat sich mit ihrer Aufnahme in die Nagelkreuzgemeinschaft darauf verpflichtet, sich den Wunden der Geschichte zu widmen, und damit auch der weiteren Aufarbeitung der Geschichte des »Entjudungsinstituts«. Sie möchte mit dieser Installation im Zusammenhang der Jubiläumsfeiern zu „500 Jahren Bibelübersetzung“ durch Luther einen Blick auf eine irregeleitete und entstellende »Übersetzung« lenken, nämlich auf die »Übersetzung« des christlichen Glaubens in den Nationalsozialismus.

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