Bachs Anwalt

Das Bachhaus hat im Januar 2015 das Amtssiegel von Johann Sebastian Bachs Freund Johann Abraham Birnbaum (1702– 1748) erworben. Birnbaum war Jurist, Magister der Philosophie und ein Liebhaber der Musik. Als „Bachs Anwalt“ verteidigte er in der Zeit von 1737 bis 1739 den Thomaskantor gegen üble Nachreden seines früheren Schülers Johann Adolph Scheibe.
Johann Abraham Birnbaum hatte 1721 in Leipzig nach seinem juristischen Abschluss als „iuris utriusque cultor“ (IuC) auch den Abschluss als Magister der Philosophie erlangt und hielt danach an der Universität Vorlesungen in Philosophie, Rhetorik und Jura. Wohnhaft im Brühl führte er daneben das Notariat seines 1722 verstorbenen Vaters fort, des Leipziger Ratsherrn Johann Siegmund Birnbaum. Im Adressbuch von 1732 und 1747 ist er als Notar verzeichnet. Er war Mitglied der Leipziger „Deutschen Redner-Gesellschaft“, der Freunde Bachs wie Johann Christoph Gottsched oder Andreas Florens Rivinus angehörten. Vielleicht machten diese ihn mit Bach bekannt, vielleicht war es aber auch – wie der Bach-Biograph Philipp Spitta vermutete – die Musikliebe, denn Birnbaum „spielte selber hübsch Clavier“.

Als Bach 1737 von seinem ehemaligen Schüler Johann Adolph Scheibe in der Zeitschrift „Critischer Musikus“ angegriffen und verunglimpft wurde, wandte er sich an Birnbaum, damit dieser ihn schriftlich verteidige. Scheibe hatte Bach vorgeworfen, dass er „seinen Stücken durch ein schwülstiges und verworrenes Wesen das Natürliche entzöge“ und „ihre Schönheit durch allzu große Kunst verdunkelte“, und ließ Bach, der wenige Monate zuvor zum „Königlich-Polnischen Kurfürstlich-Sächsischen Hof-Compositeur“ ernannt worden war, nur als „Vornehmster unter den Musicanten“ gelten – wegen seiner behenden Finger und Füße. Birnbaum verteidigte „den Herrn Hof-Compositeur“ dagegen mit einer 28seitigen Abhandlung im Januar 1738 und erneut – nach Erwiderung Scheibes – in einer 40seitigen Replik vom März 1739. Diese Schriften enthalten wertvolle biographische Zeugnisse, so den frühesten Bericht über Bachs Klavierwettstreit mit dem Pariser Organisten Louis Marchand in Dresden, und musikästhetische Aussagen, etwa dass es zu einer „guten Schreibart“ gehöre, „das Prächtige, Erhabene und Nachdrückliche in der Musik“ auszudrücken, oder: „die Harmonie wird weit vollkommener, wenn alle Stimmen miteinander arbeiten“, die nur auf vorherige Informationen und Besprechungen mit Bach zurückgehen können.

Birnbaums Verteidigungsschriften sind so für die Bach-Forschung von größter Bedeutung, aber von ihm selbst ist darüber hinaus wenig erhalten. Porträts und Kupferstiche fehlen. Das jetzt erworbene Siegel weist Birnbaum als „not. publ. caes.“ aus, als öffentlich bestellten kaiserlichen Notar, ein Titel, der in Leipzig vom Stadtrat verliehen wurde. In der Mitte ist das Wahrzeichen der Familie abgebildet, ein Birnbaum, darüber steht der Spruch „ex duris grata“ („aus harter Arbeit folgt die Anerkennung“). Das Eisenacher Bach-Museum hatte 2010 ein Original des „Critischen Musikus“ mit den Streitschriften von Scheibe und Birnbaum erworben. Nun kann es Birnbaums Rolle auch mit einem persönlichen Objekt illustrieren.

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