Die Lust der Außerirdischen

„Sex sells“ – dieses Motto ist in der Werbebranche eine der absoluten Grundlagen der PR-Arbeit und gilt eigentlich seit Menschengedenken. Doch Sex verkauft nicht nur. Er zieht auch an (und aus). Er erweckt in den Menschen eine Begier und sorgt nicht selten dafür, dass die niedersten Triebe nach außen gekehrt werden.

Anders verhält sich das auf dem Planeten Transsexual in der fernen Galaxie Transylvania. Hier sind die Lebewesen bis auf´s Höchste entwickelt. Emotionen und Lust entsprechen einem reinen Freizeitvergnügen und haben kaum noch etwas mit der Fortpflanzung zu tun. Auch nicht für Frank N. Furter, welcher mit seinem Raumschiff die eigene Galaxie verließ und in unserem Sonnensystem auf dem Planeten Erde eine neue Heimat fand. Zusammen mit mehr als willigen Sklaven in Mieder und Strapsen obliegt es ihm, auch auf der Erde durch das geschickte Zusammenspiel von Maschinen gänzlich neues Leben zu erschaffen und dies dann zu seinem Vorteil sexuell auszubeuten.
Für Brad und Janet eine gänzlich beklemmende Atmosphäre, in welche die Beiden nach einer Reifenpanne im Regen geraten und der sie nie wieder entfliehen können. Eben noch das brave und biedere Paar, geraten sie sprichwörtlich in eine Welt voller Penisse, Strapse und Geschlechtsverkehr in der sie beide den reichhaltigen Versuchungen  nicht zu widerstehen vermögen. Und genau damit nimmt das Unheil seinen Lauf.

Doch das Unheil ist wahrlich nur der Inhalt der Rocky Horror Show, welche am gestrigen Samstagabend im Landestheater Eisenach ihre Premiere feierte. Denn die Inszenierung, eine Koproduktion des Meininger Staatstheaters und des Eisenacher Hauses, treibt das Musical in Eisenach bis zur Perfektion. Schon vor der Vorstellung besteht für die Zuschauer im Foyer die Möglichkeit, für den geringen Betrag von vier Euro ein „First Aid Kit“ für die Show, die ihren Namen wahrlich verdient, zu erwerben. Darin: verschiedene Requisiten, die in den diversen Szenen des rund zweieinhalbstündigen Stücks vorkommen. Vom Toilettenpapier über die Wasserspritzpistole bis hin zu einem Beutel mit Reis zum Werfen.

Doch nicht nur die kleinen Requisiten in den Plastiktütchen sind ein Hingucker, auch die Kostüme lassen das Herz so manchen Zuschauers ein wenig stärker schlagen. Denn es ist bewundernswert, wie Kostümbildnerin Danielle Jost es schafft, mit Unmengen an Stoff erstaunlich tiefe Einblicke zu geben.

Eine sprichwörtliche Lust sind dabei vor allem die Tänzer und Tänzerinnen des Balletts des Eisenacher Landestheaters. Unter der choreographischen Leitung von Andris Plucis und Julia Grunwald verstehen sie es, der Sinnlichkeit aber auch dem harten kalten Sex einen Ausdruck zu verleihen. Doch auch die Schauspieler überzeugen in Richard O´Brians Musical auf Eisenacher Bühne vollkommen. Allen voran Hagen Bähr, der den künstlich erschaffenen Rocky mimt. Aber auch sein Schöpfer, Frank N. Furter (alias Sven Zinkan) beherrscht das Wechselspiel zwischen feurigem Liebhaber und wütenden Tyrann perfekt. In ihrer Rolle überzeugend ist aber auch Julia Steingaß als Janet.
Ein wenig zu bemitleiden sind wiederum „Rudi and the Martians“. Die vier Jungs von der Liveband machen zwar im Hintergrund der Bühne eine äußerst gute, auch musikalisch genussvolle, Figur doch in ihren abenteuerlichen und außerirdischen Kostümen möchten wohl die Wenigsten der Theaterbesucher stecken.

Abschließend kann man also Regisseur Lars Wernecke zu seinem Werk nur gratulieren. Denn die Inszenierung ist ansehnlich und lusterweckend gleichermaßen. Und damit eine Empfehlung für Jung und Alt wert.

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