Eine lange, kurze Zeit

Wie ist das, dauerhaft unterm Damoklesschwert arbeiten zu müssen?

Oliver Nedelmann: Anstrengend!
Friederike Zebunke: Nervig!
Jethro D. Gründer: Man verliert irgendwann die Lust.

Auch die Lust am Spielen?

Jethro D. Gründer: Ne, ne.
Marion Helbing: Daran, irgendetwas aufzubauen, was dann vielleicht nicht klappt.

Vergebene Mühen?

Friederike Zebunke: Das sind eigentlich immer unterschiedliche Momente. Es gibt die, in denen es mir sehr bewusst ist, wie beschissen es eigentlich ist. Und dann die, in denen das völlig weg ist, genau dann, wenn ich in der Arbeit richtig drin bin. Aber es sind auch die Momente, wie beispielsweise im Februar, wo sich herausstellte, das Geld reicht nicht mehr, da fing Lutz an zu heulen, ich fing an zu heulen, aber eigentlich sollten wir singen. Da kann man gut drauf verzichten, das braucht man nicht.

Gehört demnach die Schauspielerei und das ständige Schweben im Scheitern unzertrennbar zusammen?

Jethro D. Gründer: Ich glaube, darauf kann man als Schauspieler gut verzichten.
Lutz Schwarze: Es ist ein Auf und Ab.
Oliver Nedelmann: Es gehört schon ein Energiepotential dazu, einfach bei Laune zu bleiben.

Haltet Ihr Euch gegenseitig bei Laune?

Friederike Zebunke: Manchmal.

Anfang 2003 fehlten 16000 Euro. Für die Spielmonate Oktober und November drohte die Schließung. Hegt Ihr noch Hoffnungen für die neue Spielzeit 2003/04?

Oliver Nedelmann: Erst einmal sind wir ganz froh darüber, dass wir finanziell bis Ende 2003 durch sind, sofern die Einnahmesituation so bleibt wie im ersten Halbjahr. Das ist überhaupt die Voraussetzung, um in das Jahr 2004 hineinzugehen. Das bedeutet natürlich wieder: Neues Spiel, neues Glück. Die Situation ist aber noch mal anders als in den Vorjahren, da nämlich grundsätzlich klar ist, dass die Finanzierung der Arbeitsplätze von Jethro D. Gründer und Sina Solaß im nächsten Jahr nicht funktioniert. Deren Stellen laufen aus. Insofern steht eine neue Konstruktion an.

Wurden die schon gefunden?

Oliver Nedelmann: Da der Gedanke ansteht, dass irgendetwas mit Meiningen geschieht, sei es, dass das feb zwangsintegriert, angeschlossen oder beitreten wird, wird es so sein, dass es einen Wechsel innerhalb des febs geben wird. Konkret bedeutet das: Friederike und ich werden das burgtheater verlassen.
Werden durch Euren Weggang die Stellen von Jethro D. Gründer und Sina Solaß gesichert?
Oliver Nedelmann: Kann man im Moment so noch nicht richtig sagen. Im Moment suchen wir nach einer neuen Form, über Personalien wird später zu reden sein.

Gibt es für Euch neben dem Konstruktionskomplikationen andere Beweggründe zu gehen?

Friederike Zebunke: Ab nächsten Sommer sind es 11 Jahre burgtheater und das ist eine lange Frist. Es sind überwiegend private Entscheidungen.

Bärenanteil am Fortbestand hatte die gelungene Spendenaktion, an der sich etliche Theaterfreunde beteiligten?

Oliver Nedelmann: Die Aktion, um Hilfe zu bitten, hat auf verschiedenen Ebenen, Spenden und Sachkostenhilfe, aber auch Spielplanumstellung, dazu geführt, dass wir auf einen guten Wege sind. Ausruhen gibt’s aber nicht, es geht darum, Stücke weiter an Schulen zu vermitteln «Born in the GDR», «Michel», «Faust eins (zu zweit)» und dass unser Publikum weiterhin kommt. Die Unterstützung im ersten Halbjahr war sehr spürbar.

Wie geht es kurzfristig weiter?

Oliver Nedelmann: Im Moment sind wir mit Stadt, Kreis und Land, auch mit dem Theater Eisenach in den Anfangsgesprächen, wie eine Konstruktion über den Sommer 2004 hinaus aussehen kann. Dass kurzfristig nicht mit einer Aufstockung der Mittel gerechnet werden kann, ist ziemlich klar. Eine Reduzierung um weitere Schauspielstellen aber ist bei derzeit vier nicht möglich, darum muss eine Lösung anderweitig gefunden werden, beispielsweise durch zeitliche Befristungen.

Wann fanden die eine mögliche Zukunft klärenden Gespräche mit dem Landestheater statt?

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Oliver Nedelmann: Die haben vor dem Sommer angefangen, sind aber durch die Theaterferien nicht weitergeführt worden. Da wird man in drei Wochen mehr wissen.

Wann sind erste Entscheidungen zu erwarten?

Oliver Nedelmann: Wahrscheinlich bis Mitte Oktober.

Wie fandet Ihr in dem Zusammenhang die Gesprächsbereitschaft von Seiten der Stadt und des Theaters?

Oliver Nedelmann: Die Gesprächsatmosphäre mit dem Theater Eisenach ist seit Dieter Reuscher sehr angenehm.
Was die Kommunikationsbereitschaft der Stadt angeht, war sie zu uns gegenüber genauso gut wie zum Theater Eisenach.

Das Theater wird die kommenden Spielzeit Räume des burgtheaters nutzen. Ein erster Schritt in Richtung Zusammenarbeit wird begangen. Was wird das feb vom Landestheater nutzen dürfen?

Oliver Nedelmann: Kammerkonzerte und die Van Gogh-Mono-Oper des Theaters werden im feb stattfinden. Umgekehrt ist angedacht, ob Stücke des febs vom Landestheater angeboten werden können. Inwieweit wir von bestimmten Abteilungen des Theaters beispielsweise der Werkstätten oder der Öffentlichkeitsarbeit profitieren können, ist noch nicht spruchreif. Die Entscheidungsstruktur bei uns ist einfacher als beim Theater Eisenach.

Wird die zukünftige Eigenständigkeit des febs mit fortschreitender Kooperation, gar Integration erhalten werden können?

Oliver Nedelmann: Die Frage ist genauso an das Theater Eisenach zu stellen, im Bezug auf die Kooperation mit Meiningen. Niemand weiß genau, wie das aussehen wird. Wenn in der Endkonstruktion das feb Kinder- und Jugendtheater / Werkstattbühne als eigenständige Sparte stellt, mit einem erweiterten Personalstamm und so weiter, dann hat das feb vielleicht seine juristische Eigenständigkeit verloren, könnte aber einigermaßen künstlerisch eigenständig arbeiten. Das feb wäre in dieser Konstruktion der Gewinner. Wenn aber irgendwann den verbliebenen Schauspielern das Angebot gemacht wird: «Hier ist ein NV-Solo-Vertrag. Wollt Ihr das haben? Nein? Danke.» Dann ist das eine klare Verlierergeschichte. Irgendwo in der Spanne wird sich das bewegen.

Wird es wie bisher Jugendarbeit des febs geben?

Oliver Nedelmann: Nein. Das Theater Eisenach wird einen Jugendklub anbieten. Wir müssen so viel spielen, um uns über Wasser zu halten, dass wir diese Arbeit nicht mehr schaffen. Friederike Zebunke: Es wird aber wieder die Aufführung «Ein Sommernachtstraum» vom Jugendklub zu sehen sein, wahrscheinlich aber nicht vor Oktober. Neue Inszenierungen von Jugendlichen jedoch wird es im burgtheater nicht mehr geben.

10 Jahre feb, seit 1993! Ein Schauspielspektakel steht an – die Jubiläumswoche vom 1.09. bis zum 6.09. : Feier oder Trauerfeier?

Friederike Zebunke: Das ist eine Feier. Also zehn Jahre in diesen Zeiten durchzuhalten, ist eine Feier wert. Wo wir anfangs nicht wussten, ob wir überhaupt das erste halbe Jahr überleben werden.
Was verspürt man emotional, in der Schauspielerseele nach zehn, geschafften burgtheaterjahren?
Friederike Zebunke: Vor allem die Wege. Vom Nichtspielen bis zum Alleinspielen. Von 35 min des ersten Stücks bis hin zu 1 ¼ Stunde des vierten Solostücks. Als Beispiel. Das ist schon irre. Auch den Jugendclub zu leiten, die Jugendlichen kennen zu lernen. Da ist es schon blöde zu wissen, dass man so etwas nicht wiederfinden wird – so ein vielfältiges Angebot. Das zu haben, das ist nur an so einem Ort möglich und sich dann noch wohl zu fühlen, davon gibt es nicht viele Ecken.
Oliver Nedelmann: Es gibt Augenblicke, die einfach nur total toll waren.
Lutz Schwarze: Es war eine lange, kurze Zeit.

Was wird die Zuschauer grobgefasst in der Woche erwarten?

Sina Solaß: Indirekt geht es schon mit «Tristan und Isolde» im Storchenturm (29. und 30.08. um 21 Uhr) los. Dann folgt das Kinderfest (31.08. um 14 Uhr) und vom 1. bis 4. September werden an jedem Abend zwei Stücke gespielt, am Freitag den 5. September «Cars», jeweils mit anschließendem Zusammensitzen. Am Samstag (6.09.) findet die große Geburtstagsfeier mit Ständchen der Gäste statt, wobei jeder herzlich eingeladen ist. Das wird eine offene Fete werden.

Wie sieht es mit der Spielplanplanung aus?

Jethro D. Gründer: Die nächste Premiere wird das Grimmsche Märchen «Rotkäppchen» in einer eigenen Fassung sein, welches bereits im ersten Jahr des burgtheaters gespielt wurde. Hier schließt sich sozusagen ein Kreis. Für 2004 sind bestimmte Stücke angedacht: «Misery» nach Stephen King, «Damenwahl» von Jethro D. Gründer und ein «11-Jahre-burgtheater-Potpourri». Plus sämtliche in der Jubiläumswoche gespielte Stücke und «Barfuß Nackt Herz in der Hand» als Wiederaufnahme.

Die Ängste um Eure Arbeit bestehen weiterhin?

Jethro D. Gründer: Wie gehabt.
Oliver Nedelmann: Es hat ja zwischendurch auch verhältnismäßigere ruhigere Jahre gegeben.
Lutz Schwarze: Der Horizont verblasst im Abendlicht.

Habt Ihr schon das 20-jährige Jubiläum im Kopf?

Oliver Nedelmann: Das machen wir dann als Klassentreffen. Ich glaube, dass die Situation, so wie sie ist, es nicht erwarten lässt, dass es ein 20-jähriges Jubiläum des freien eisenacher burgtheaters als juristisch, eigenständige Konstruktion geben wird. Aber es ist doch schon ein veritables Wunder, dass die Idee von Jethro im Januar 1993, das feb zu gründen, die wir dann zusammen ausbrüteten, über zehn Jahre lang funktioniert hat.

Informationen unter www.burgtheater.net

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