Eisenachs berühmte Frauen – „frau.sein.vor Ort“ in der Wartburgstadt

Dass Eisenach viel mehr zu bieten hat als Luther, die Wartburg und Automobilbau erfuhren am letzten Samstag die Teilnehmerinnen des Stadtrundgangs für Frauen. Der Erlös ging an das Eisenacher Frauenhaus. Die ASF Thüringen startete in diesem Jahr die Reihe „frau.sein.vor Ort“. Ziel ist es, sich mit der Geschichte von Frauen in unterschiedlichen Städten und Regionen zu befassen und in der Fläche des Freistaates präsent zu sein.

Die Veranstaltungen in Weimar und Nordhausen wurden sehr gut angenommen, freute sich die ASF-Vorsitzende Heidrun Sachse im Vorfeld des letzten Stadtrundgang des Jahres in ihrer Heimatstadt Eisenach.

Mit Ulrike Quentel, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt, konnte eine Kennerin der Frauengeschichte Eisenachs gewonnen werden. In mühevoller und langwieriger Arbeit recherchierte sie die Lebensgeschichten von Frauen in der Stadthistorie. Im Stadtarchiv und Bibliotheken wurde sich fündig.

Je länger die Epoche zurück liegt, desto schwerer wird es allerdings, Zeugnisse von Frauen oder über Frauen zu finden, erklärte sie.

Die Quellenlage sehe bei Frauen aus dem Bürgertum recht gut aus, wohin gegenüber Arbeiterinnen fast nichts zu finden sei. Sie appellierte an die Zuhörerinnen, so viel wie möglich über die Geschichte von Frauen aufzuschreiben und dies an die Nachfahren weiter zu geben.

Sonst stehen wir in 100 Jahren vor dem selben Problem und die Leistungen von Frauen werden vergessen.

Damit dem in Eisenach nicht so ist, dafür setzt sie sich ein. Unter anderem auch mit ihren Stadtrundgängen zu den Orten, an denen Eisenacherinnen wirkten und lebten. Auf Initiative von Christin Anna von Eichel entstand so etwa die Diakonissenheim-Stiftung mit einer Gemeindeschwesternstation und einer kleinen Kinderstation. Noch bis in die 1980er Jahre wurden Krankenschwestern hier ausgebildet. An anderer Stelle erfuhren die Teilnehmerinnen des Stadtrundgangs unter anderem von einem Frauenbildungsverein, der eine Schule stiftete und die ersten Kindergärten in der Stadt gründete. Auch die Berufsausbildung für junge Frauen wurde von den meist bürgerlichen Frauen, die in dem Verein organisiert waren, angeschoben. Und dies keineswegs nur in „klassischen“ Frauen- oder Hilfsberufen – seit dem frühen 20. Jahrhundert wurden Seminare angeboten, in denen die Frauen als „Kontoristinnen“ kaufmännisches Fachwissen erwarben. Wie eng die Stadt Eisenach mit dem Pädagogen Friedrich Fröbel verbunden war, zeigt das Engagement von Eleonore Heerwart. Die aus bürgerlichem Haus stammende junge Frau begann als 18-jährige eine Ausbildung zur Kindergärtnerin – ein Novum aus den Kreisen, aus denen sie stammte. In den Jahren ihrer Berufstätigkeit verbreitete sie das pädagogische Prinzip Friedrich Fröbels nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und Irland. Dort war sie an der Gründung der internationalen Froebel Society beteiligt. Zuvor hatte sie 1868 einen Interessenverband der thüringischen Fröbel-Kindergärtnerinnen gegründet, aus dem der Deutsche Froebel-Verband hervor ging. Zahlreiche Kindergärten der Stadt gingen auf die Initiative von Frauen zurück und fühlten sich Fröbel verbunden. Gleich um die Ecke stand die sogenannte „Möderei“, ein Mädchenpensionat, das die Tochter der Schriftstellerin Emmy von Rhoden besuchte. Diese war das Vorbild für die Hauptfigur. Veröffentlicht wurde der Roman „Der Trotzkopf“1885. Nach Emmy von Rhodens Tod führte erst ihre Tochter und später eine weitere Autorin die Reihe fort.

Auch im 20. Jahrhundert war Eisencah ein bei Schriftstellern gern besuchter Ort. Die Autorin der Kinderbuchreihe „Nesthäkchen“, Else Ury, besuchte die Wartburgstadt mehrfach. Eisenach spielte auch in der Frauenstimmrechtsbewegung Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Rolle. Die Mitglieder des Deutschen Stimmrechtsvereins konnten sich auf ihrer Generalversammlung unter Leitung der Vorsitzenden der Eisenacher Ortsgruppe, Isabella Sommer, im November 1913 in Eisenach nicht auf ein gleiches, geheimes Stimmrecht für Frauen festlegen. Der Verband zersplitterte sich daraufhin in drei Teile bevor schließlich in der Weimarer Verfassung von 1919 Frauen die selben Wahlrechte besaßen wie Männer. Für die Wahl im Januar 1919 wurde in Eisenach extra eine Kinderbetreuung eingerichtet, um den Frauen die Teilnahme ander Wahl zu ermöglichen. In Zeitungsannoncen warb der Frauenstimmrechtsverein um eine Abgabe der Stimmen. Mit Erfolg: Am Wahltag bildeten sich lange Schlange vor den Wahllokalen. Doch das Frauenwahlrecht war nur von kurzer Dauer: 1933 wurde Frauen von den Nationalsozialisten das passive Wahlrecht wieder entzogen; sie durften nicht mehr selbst kandidieren, sondern nur noch abstimmen. Erst seit 1949 durften Frauen in Ost- und Westdeutschland wieder wählen und gewählt werden.

Zum Schluß gab es auf dem Eisenacher Weihnachtsmarkt noch einen kleinen Hinweis an alle Familien:

Wenn Sie das nächste Mal mit Ihren Kindern oder Enkeln „Die Sendung mit der Maus“ schauen, achten Sie doch im Abspann mal auf den Namen Isolde Schmitt-Menzel. Die Zeichnerin der charakteristischen Maus-Figur wurde nämlich 1930 in Eisenach geboren, verbrachte hier ihre Kindheit und Jugend bevor sie zum Studium nach Halle ging und später die DDR verließ, so Ulrike Quentel.

Foto 2: Ulrike Quentel (Mitte) vor der Alten Schule, der früheren Schule des Frauenbildungsvereins.

Auch dieser Stadtrundgang war wieder sehr lehrreich und hat uns gezeigt, dass die Geschichte ohne den Einfluss von Frauen ganz anders verlaufen wäre, beendete Heidrun Sachse den Tag. Sie versprach, die Reihe „frau.sein.vor Ort“, die 2016 vom Innovationsfond der Bundes-SPD gefördert wurde, fortzusetzen.

Titelfoto: Ulrike Quentel (Mitte) sorgt dafür, dass die historische Leistung von Eisenacher Frauen lebendig bleibt. Sonja Sauer (li.), stellv. ASF-Landesvorsitzende, und Heidrun Sachse (re.), ASF-Landesvorsitzende, freuten sich über das große Interesse an der dritten Ausgabe der Reihe „frau.sein.vor Ort“ (Bild: Kamerakind Nathalie, 7J.).
 

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