Gedenkwort der Kath. Gemeinde zum Pogromgedenken der Stadt Eisenach

Bildquelle: Werbeagentur Frank Bode | www.werbe-bo.de

Sehr verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

der trockene Sommer erinnert an einen Spruch an die Krone eines Baumes: Nicht du trägst die Wurzel, die Wurzel trägt dich. Die Krone wird weder Blätter noch Früchte tragen, wenn die Wurzeln nicht versorgt und gepflegt werden.

Das Christentum und der Islam mit ihren Kulturen sind Sprösslinge aus dem Stamm Israels, werden genährt aus den Wurzeln des Judentums. Lebenskraft hat unsere Welt aus den 10 Geboten Israels empfangen. Die 10 Gebote gehören zum festen Fundament unserer Kultur. Die frühe Kirche bestand ausnahmslos aus Juden. Wo immer die jüdischen Mitbürger angesehen waren, konnte sich Kultur entfalten, in Handel und Wandel, in Kunst und Wissenschaft. Die Geschichte der deutschen Städte, auch die Geschichte Eisenachs, kann das sehr anschaulich belegen. Wenn es der jüdischen Gemeinde gut ging, ging es den Kommunen gut.

Freilich: Größe gebiert auch Neid. Neid macht blind. Er kann in den Wahn führen. Nein: Wir werden nicht groß, wenn wir die Großen klein machen.

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Nie ist eine menschenwürdige Kultur gewachsen, wenn sie Judentum und Juden klein gemacht hat, benachteiligt, verfolgt und zerstört. Mit der Verfolgung Israels ist immer Menschenwürde zerstört worden und jede Friedenskultur. Mit der Verfolgung Israels entfaltete sich immer auch Zerstörung und Tod in allen Lebensbereichen. Die Synagogen wurden zerstört und dann brannten die Städte. Den Millionen toten Juden folgten Abermillionen ihrer Mitbürger in vielen europäischen Ländern in den grausamen Untergang.

Neid und Kleinmachen werden offensichtlich wieder zum Volkssport. Die Zivilgesellschaft kann diesem Wahn nicht wirksam begegnen mit Ab- und Ausgrenzung. Parteien, Vereine und Verbände müssen sich nicht zuerst vor den anderen schützen, sondern vor ihren eigenen Herzen. Wir müssen die Wurzeln pflegen, die den Stamm und die Krone beleben. Das maßlose Gewirr unserer Gesetze kann nicht das Gewicht der 10 Gebote überflüssig machen und nicht die Weisheit Israels. Nicht Du, moderne Gesellschaft, lebst aus den kurzen Höhenflügen schneller Ideen. Nicht Du, Kultur aus Christentum und Islam, trägst die Wurzel. Unser Wohlstand ist immer auch gefährdet, anfangs fast unbemerkt, wie der Wald durch mangelnden Regen. Pflege die Wurzel. Sie trägt Dich.

In Trauer gedenken wir der Opfer von Neid und Wahn. Wir wehren dem modernen Neid und Wahn, wenn wir die Wege der Opfer gehen im wahrsten Sinne des Wortes von hier zum Bahnhof. Wir ehren die Opfer und dienen der Menschlichkeit, wenn wir ihnen in ihre Gedanken folgen und ihnen immer werden, sind und bleiben Schwester und Bruder.

Ihr Erbe möge uns Auftrag sein.

Heinz Josef Durstewitz    

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