Nackte Tatsachen im Theater

Wie kaum eine andere Frau ging sie in die deutsche Filmgeschichte ein: Marlene Dietrich. Zunächst immer nur für Filmnebenrollen und Theaterarrangements gebucht, schaffte „die Dietrich“ 1929 mit der Verfilmung Heinrich Manns Werk „Der blaue Engel“ den großen Durchbruch. Und zog damit Millionen Menschen im Nachkriegsdeutschland in die Kinos. Dabei war es auch Dietrichs Chanson „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, der zum großen Erfolg des Stückes beitrug und zeitgleich ein Welthit wurde.

Einen solchen Erfolg feierte das Werk vielleicht aber nicht nur wegen der Hauptdarstellerin, welche in den 30er und 40er Jahren als Männerschwarm bekannt war. Auch die Geschichte, die einfach und zugleich kompliziert zu sein scheint, tat ihr Übriges und ist durchaus berichtenswert.

Sie handelt von der jungen Künstlerin Lola Lola, welche im Variété „Der Blaue Engel“ ein Gastspiel gibt und dort die Männer mit bewusst ausgespielten Sexappeal in ihren Bann zieht. Auch der Lehrer des lokalen Gymnasiums, Professor Immanuel Rath, erfährt davon und wittert Unzucht. Also besucht er das Lokal selbst und verliebt sich dort in die bedeutend jüngere Lola, welche seine Gefühle erwidert. Nachdem Raths Gefühle Publik werden, wird der Professor aus dem Schuldienst entlassen und bringt gemeinsam mit der Tänzerin seine Ersparnisse durch. Nach einer Weile muss sich auch Immanuel Rath, genannt Professor Unrath in Lolas Show-Kompanie verdingen und tritt in seiner Heimatstadt bei einer Clownsnummer auf, an deren Ende der unglücklich verliebte Bürger in einen Stuhl sackt und verstirbt.

Ein Stoff, der inhaltlich und schauspielerisch bereits zu Marlene Dietrichs Zeiten nicht anspruchslos war. Eine Herausforderung also auch für die Schauspieler des Landestheaters Eisenach, in dem das Stück unter Regie von Boris C. Motzki am vergangenen Samstagabend seine Premiere feierte und sechs Minuten lang tosenden Applaus erhielt.

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Und dies durchaus zu Recht. Denn es war vor allem die ausgezeichnete Leistung der beiden Hauptdarsteller, Katja Ivanova (als Lola Lola) und Edgar M. Böhlke (als Professor Immanuel Rath), die den großen Zuspruch des Publikums rechtfertigten. Mit authentischer Schauspielerischer Leistung und sprichwörtlich vollem Körpereinsatz gestalteten beide einen kurzweiligen Abend. Umrahmt von einem tollen Bühnenbild und der angenehmen Musik einer Auswahl der Eisenacher Landeskapelle.

Obgleich auch gesagt werden muss, dass die Besetzung im Grunde genommen eine durchaus zweifelhafte Idee war. Denn die junge Frau ist optisch nun einmal keine Femme Fatale. Auch wenn Sie im zweiten Akt mit unbekleidetem Oberkörper erscheint und damit erst einmal nackte Tatsachen schafft. Und auch nicht, wenn sich Theaterintendant Motzki mit den Worten

Wir müssen uns von der Vorstellung der Marlene Dietrich im Blauen Engel lösen.

Bei der Premierenfeier rechtfertigte.

Dennoch ist der Blaue Engel in der Version ein durchaus sehenswertes Stück, welches mit großer Schauspielleistungen große Gefühle auf die Große Bühne bringt.

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