Neue Gedenktafel für Ehrenmal in der Frankfurter Straße in Eisenach

Erinnern an die März-Gefallenen vom März 1920

In diesem Jahr, genau am 18. März, jährte sich zum 100. Mal die Ermordung junger Arbeiter und Familienväter im Alter zwischen 26 und 36 Jahren in der Eisenacher Frankfurter Straße. Die Gedenkveranstaltung musste am 18. März aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen. Jetzt holten SPD, DGB und Die Linke dies nach. Statt Blumen und Kränze wurde eine neue Gedenktafel enthüllt, finanziert durch die SPD, DGB und Die Linke.

So sind die Opfer des Kapp-Putsches nicht vergessen, auch nicht nach 100 Jahren, betonte Heidrun Sachse.

Die Vorsitzende der Eisenacher SPD erinnerte an das Geschehen vor 100 Jahren:
Fünf Frauen verloren ihre Männer, 13 Kinder ihre Väter. Es sind Einzelschicksale, die auch nach 100 Jahren noch berühren. Die Opfer dieses Tages waren Zivilisten. Unbewaffnete Bewohner der Eisenacher Weststadt. Wohnhaft am Wolfgang und in der Frankfurter Straße. Selbst böswillige Untersuchungen konnten den toten Eisenachern keine politischen Zugehörigkeiten nachweisen. Was war geschehen an jenen Tagen?

Am 13. März 1920 wurde unter Führung von Kapp und Lüttwitz die Berliner SPD-Regierung weggeputscht. Kaiserliches Militär, Monarchisten und Nationalisten wollten die junge deutsche Republik nach wenigen Monaten mit Gewalt beseitigen. Doch die Gegner der Weimarer Republik hatten nicht mit dem geballten Widerstand gerechnet, der sich Ihnen entgegenstellte. Gemeinsam riefen Gewerkschaften, SPD, USPD und KPD zum Massenwiderstand auf. Es folgte der einzige Generalstreik der deutschen Geschichte von 12 Millionen Menschen. Aufrufe zu zivilem Ungehorsam und für den Erhalt der Republik und der ersten deutschen Demokratie folgten.

Im Ruhrgebiet verjagte die Rote-Ruhrarmee, die aus Arbeitern der Zechen und Hüttenwerke organisiert wurde, innerhalb von Tagen die faschistischen Freikorps, die den Putsch sichern sollten. Aber es waren nicht nur politisch links stehende Kräfte, die sich dem Militärputsch widersetzten. Nein, die Gegenwehr ging bis weit in das bürgerliche Lager hinein. Auch die auflagenstärksten Zeitungen, damals die wichtigste Informationsquelle, positionierten sich eindeutig. So titelte die Berliner Morgenpost am 13. März 1920, einem Sonnabend: „Umsturzpläne von rechts. Ernste Lage. Regierungsfeindliche Propaganda in der Reichswehr.“ Danach war Berlin zehn Tage ohne Zeitung. Am 24. März 1920 meldete sich die Morgenpost unter dem Titel „Die Gegenrevolution und ihre Niederlage“ mit einer ausführlichen Schilderung der Ereignisse zurück. Der von einer breiten Bevölkerungsschicht getragene Generalstreik aber auch die mangelhafte Unterstützung durch einen Großteil der Ministerialbürokratie führte nach fünf Tagen zur Niederlage der Putschisten.

Das Bittere an den Ereignissen ist wohl, dass viele Opfer erst zu beklagen waren, als alles schon wieder vorbei zu sein schien. Beim Abzug der demokratiefeindlichen Truppen aus der Stadt kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Putschisten und Teilen der Bevölkerung, die sich ihnen entgegenstellten. So war es auch in Eisenach. So stellte sich zu Anfang der Frankfurter Straße, an dieser Kreuzung zur Katharinenstraße, eine unbewaffnete Volksmenge der bewaffneten Eskorte aus Polizei und Militär in den Weg. Mit Handgranaten und Gewehrschüssen bahnte sich dieser Trupp den Weg durch die Eisenacher Bevölkerung. Man fühlte sich bedroht vom unbewaffneten Volk! Dass diese Täter für ihre Morde nie vor Gericht standen, wirft ein Bild auf den labilen politischen Zustand dieser ersten deutschen Republik.

Wir gedenken August Gustav Schmidt, geboren am 24.12. 1893 in Eisenach, wohnhaft am Wolfgang 16, von Beruf Eisenfräser, verheiratet mit Frieda Schmidt, geborene Ziepf, zwei Kinder, Fritz und Werner Schmidt.

Wir gedenken Friedrich August Voigt, geboren am 21.04. 1887 in Tambach, wohnhaft am Wolfgang 79, von Beruf Wartungsschlosser, Ehemann von Ida Voigt, geborene Melcher, 4 Kinder, Hildegard, Liselotte, Kurt und Hans.

Wir gedenken Heinrich Adolf Niemeyer, geboren am 08.02.1891 in Siebrock, wohnhaft Wolfgang 10, Maler von Beruf, Ehemann von Christiane, geborene Kallenbach, eine Tochter Hildegard.

Wir gedenken Emil August Volkert, geboren am 05.08.1888 in Madelungen, wohnhaft 31, Arbeiter, Ehemann von Johanna Friederike, geborene Ißleib, 3 Kinder, Anna, Emil und Wilhelm.

Wir gedenken Karl Emil Mengel, geboren am 15.09.18883 in Creuzburg, wohnhaft in der Frankfurter Straße 36, von Beruf Zimmermann, Ehemann von Jutta Helene, geborene Euler, 3 Kinder, Hilde, Kurt und Frieda.

Uns sollten die toten Eisenacher Bürger mahnen, dass man allein mit Mitteln des Militärs und des Krieges keine innenpolitischen Probleme, keine gesellschaftlichen Probleme lösen kann. Nicht im damaligen Deutschland und auch heute nirgendwo auf der Welt.

Auch heute sehen wir uns wieder mit undemokratischen Kräften konfrontiert und es liegt an uns, gegen die faschistische Gefahr, gegen Antikommunismus, Rassismus und Antisemitismus einzutreten. Wir gedenken heute eines wichtigen geschichtlichen Ereignisses. Dabei stellt sich zugleich die Frage, wie das Gedenken dauerhaft gewährleistet werden kann.

Norbert Lammert, unser ehemaliger Bundestagspräsident, hat hierzu kürzlich, wie ich finde, sehr treffend formuliert:

Das nationale Gedächtnis lässt sich weder amtlich formulieren noch durch Behörden regeln. Gleichwohl sind Erinnern und Gedenken nicht nur Privatsache, sondern immer auch eine öffentliche Angelegenheit. Weil sie beides sind und das eine das andere auch nicht ersetzen darf, ist die Beschäftigung mit diesem Zusammenhang so dringlich wie kompliziert. Um das kollektive Gedächtnis unserer Geschichte über die Zeit der Erlebnisgeneration hinaus zu sichern und gegenüber möglicher politischer Instrumentalisierung zu schützen, bedarf es neben der staatlichen Erinnerungskultur dringend der Ergänzung durch bürgerschaftliches Engagement.

Th. Levknecht

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