Pianist Steffen Schleiermacher spielte Ostklänge im Stadtschloss

Bei einem eindrucksvollen Klavierkonzert war am Sonntag (17. November) der Pianist und Komponist Steffen Schleiermacher im Rokokosaal des Eisenacher Stadtschlosses zu erleben.

Zum Thema, ob es denn einen Ostklang gäbe, machte er in den Werken von Friedrich Goldmann, Paul Dessau, Siegfried Thiele, Wolfgang Heisig, Friedrich Schenker, Reiner Bredemeyer und in eigenen Kompositionen mit musikantischer Spielfreude klar, dass man einen offiziell den Sozialismus pathetisch lobpreisend-geforderten Ostklang auch sehr subversiv unterwandern konnte – indem etwa Zeitungsartikel vertont wurden oder die eigene Scheidung. Dass selbst Größen wie Paul Dessau und sogar der Komponist der DDR-Hymne Hanns Eisler zeitweise mit Aufführungsverbot belegt wurde, kam ebenfalls zur Sprache im gut besuchten Rokokosaal. Es zeigte zudem erneut: Zeitgenössische Musik hat in Eisenach ein dankbares Publikum! Schleiermacher entließ es mit dem von Wolfgang Heisig komponierten Stück „Pausenzeichen“ und hörte mit der Tonschleife nicht eher auf, bis der letzte den Saal verlassen hatte. Schmunzeln zu einem nicht immer lustigen Thema; so geht es aber auch.

Der Pianist und Komponist Steffen Schleiermacher, geboren 1960 in Halle, gehört zu jener Generation DDR-Bürger, die die staatlichen Umwälzungen und gesellschaftlichen Veränderungen um 1990 am Ende ihres Studiums gewissermaßen auch „kalt erwischt“ hat, meint:

Im alten System war klar, wie es weitergegangen wäre – wenn alles konform war. Im neuen System musste man sich erst freischwimmen und seinen Platz suchen.

Schleiermacher, der schon vor der friedlichen Revolution eine Hausnummer in Sachen zeitgenössischer Musik in der DDR war, nutzte die Chance und wechselte nach dem, wie er sagte, „Verschleiß“ zahlreicher Kompositions- und Klavierlehrer an die Kölner Musikhochschule und holte sich da noch den letzten Schliff, um sogleich zu einer vielbeachteten internationale Karriere durchzustarten. Seine bereits 1988 am Leipziger Gewandhaus angesiedelte Konzertreihe „musica viva“ gibt es noch heute, sein 1989 gegründetes Ensemble Avantgarde spielt bei den einschlägigen Festivals und für die kürzlich erschienene Einspielung der Lieder von Hanns Eisler wurde er mit Lob überhäuft.

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