Sonderausstellung: «Erinnerungen an Wanda Landowska»

Die polnische Pianistin Wanda Landowska (1879-1959) gilt nicht nur als die Wiederentdeckerin des Cembalos (das Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch als Kuriosität bekannt war), mit weltweiten Tourneen und zahlreichen Aufnahmen war sie zugleich einer der ersten weiblichen «Stars» der klassischen Musik.
Landowskas lebenslange Obsession war die Suche nach «Bachs Cembalo» -nicht nach irgendeinem musealen Instrument, sondern nach dem «wahren» Instrument für das Spiel etwa von Bachs «Wohltemperiertem Klavier» oder den «Goldberg Variationen». Mit ihrer Forderung, man könne Bach «schlimmstenfalls auf dem Klavier, aber man soll ihn auf dem Cembalo spielen», machte sich Landowska die zeitgenössische, überwiegend männliche Konkurrenz auf dem Piano zu erbitterten Gegnern. Berühmt wurde ihr Satz: «Sie spielen Bach auf Ihre Art, und ich spiele ihn auf seine Art.»

In Verbindung mit der Pariser Instrumentenfabrik Pleyel entwickelte Landowska ab 1903 ein Instrument, das ihrer Vorstellung von «Bachs Cembalo» am nächsten kam. Nach einem ersten Auftritt auf dem Duisburger Bachfest 1910 wurde sie von der Leipziger Neuen Bachgesellschaft, der Trägerin des Bachhauses, 1911 nach Eisenach zu einem «Duell zwischen Cembalo und Klavier» geladen – ihr dortiger Sieg unter «endlosen Ovationen» führte zu einer erneuten Einladung zum Bachfest in Breslau 1912, das der Verwendung des Cembalos für die Interpretation von Bachs Werken den endgültigen Durchbruch brachte.
1913 wurde Landowska die weltweit erste Dozentin für Cembalo an einer Musikhochschule, der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin. 1926, nach dem Tod ihres Mannes, begründete sie in Saint-Leu-la-Forêt bei Paris ihre eigene «Schule für alte Musik». Hier nahm sie die weltweit erste Gesamteinspielung von Bachs «Goldberg Variationen» auf Cembalo auf. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung floh sie 1941 vor der deutschen Besatzung in die USA.
Ihre Aufführung der Goldberg-Variationen in der New York Town Hall am 21. Februar 1942 vor über 1500 Zuhörern gehört zu den legendären Konzerten des 20. Jahrhunderts. In Lakeville (Connecticut), wohin sie sich ab 1954 zurückzog, starb sie am 17. August 1959.

Die in Zusammenarbeit mit Dr. Martin Elste (Staatliches Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, Berlin) entstandene Ausstellung in Eisenach knüpft unter dem Titel «Erinnerungen an Wanda Landowska» an die geradezu kultartige Verehrung der Cembalistin zu ihrer Zeit an – neben vier originalen Portraits und einer Büste finden sich zahlreiche Autogramme, Kleidungsstücke und Hausrat, ihre bei Konzertauftritten benutzten samtenen Schuhe, Essgeschirr, Röntgenaufnahmen ihrer Hände, das signierte Foto ihres Auftritts vor Leo Tolstoi.
Ein ganzer Raum ist mit solchen Sammlerstücken und Devotionalien ausstaffiert.
Das «Duell» in Eisenach kommt mit dem Eintrag ins Gästebuch des Bachhauses und den Konzertprogrammen von 1911 nicht zu kurz. Gelegentlich erfährt der verehrende Blick eine ironische Brechung – etwa, wenn man erfährt, dass Landowskas zelebrierte Auftritte, ihr langsames Bühnengleiten, maßgeblich auf ihre starke Kurzsichtigkeit zurückgingen.
Mit einem originalen, 1927 nach Landowskas Konzeption gebauten Pleyel-Cembalo, das zu jeder Stunde vorgeführt wird, und drei Hörstationen, an denen man etwa Landowskas Interpretation von Bachs «Chromatischer Fantasie und Fuge» auf Cembalo mit der Klavierversion ihrer Zeitgenossin und Konkurrentin Marcelle Meyer vergleichen kann, ermöglicht die Ausstellung jedoch auch einen Blick zurück auf das eigentliche Anliegen von Landowska: ihre Suche nach dem «wahren» Klang von Bachs Musik.

«Erinnerungen an Wanda Landowska».
Sonderausstellung, bis 13. November 2011.
Bachhaus Eisenach, Frauenplan 21, D-99817 Eisenach, www.bachhaus.de

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